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Ex-Betroffenenbeirat im Interview„Erbärmliches Zeugnis für die Kirche“

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Patrick Bauer

  1. Patrick Bauer war als Sprecher des Betroffenenbeirats aus Protest gegen den Umgang mit dem ersten Missbrauchsgutachten zurückgetreten. Im Interview äußert er sich zu dem nun veröffentlichen zweiten Gutachten der Kanzlei Gercke.
  2. Da im Gutachten die entscheidende Botschaft fehlt, sieht Bauer die Kirche jeder Glaubwürdigkeit beraubt.
  3. Er erläutert, warum der als Befreiungsschlag angekündigte Tag die Abstimmung mit den Füßen im Erzbistum nicht aufhalten wird.
  4. Das Gespräch führte Alexandra Ringendahl.

Hat das Gutachten Ihre Erwartungen erfüllt?Patrick Bauer: Ich finde gut, dass endlich Fakten auf den Tisch gelegt wurden und wie versprochen Namen genannt wurden. Aber das Gutachten ist lückenhaft und dadurch einseitig, dass nur die aktuelle, lückenhafte Aktenlage einbezogen wurde. Was ist denn mit all den Fällen, die gar nicht in den Akten dokumentiert wurden? Die Opfer-Beauftragte Christa Pesch zum Beispiel wurde noch nicht mal dazu gehört. Dann hätte man ja rausfinden können, welche Meldungen gar nicht in die Akten aufgenommen wurden. Dass so viele Akten fehlen, zeigt auch die Mängel des Systems Kirche und stellt ihr ein erbärmliches Zeugnis aus. Es zeigt, dass Machtinseln da waren und dass Leute sich hinter dem Bischof verstecken konnten.

Es handelt sich um ein rein rechtliches Gutachten, dem die moralische Dimension fehlt. Wie bewerten Sie das?

Das Gutachten hat mit Sicherheit seinen Wert. Aber genau das ist das entscheidende Manko. Hier haben Menschen die Fürsorge für die Mitbrüder über die Fürsorge für ein verletztes Kind gesetzt. Das ist moralisch so verwerflich und wird nirgends erwähnt. An dieser Stelle hat sich die Kirche ihrer eigenen Glaubwürdigkeit beraubt. Ich kann nicht eine Moral verkünden und die selber nicht verkörpern. Diese Dimension fehlt. Ich bin desillusioniert und meiner Hoffnung beraubt, dass wirklich ernsthafte Aufarbeitung gemacht wird.

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Was hätte das Gutachten ihrer Meinung nach leisten müssen?

Meine Erwartung wäre gewesen, dass mehr auf das systemische Fehlkonstrukt der Kirche, also die strukturellen Probleme gesagt worden wäre. Am Ende hätte die Botschaft stehen müssen: Das Erzbistum Köln muss seine Strukturen kolossal ändern.

Wie bewerten Sie den Auftritt von Kardinal Woelki?

Ich fand es unglaubwürdig, dass er sagt, er kannte das Gutachten nicht. Und dann stellt er sich direkt im Anschluss an die Pressekonferenz da hin und sagt: Ich suspendiere Weihbischof Schwaderlapp und Offizial Assenmacher. Das kann er doch nicht nur aufgrund einer Pressekonferenz tun.

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Sehen Sie den Kardinal durch das Gutachten entlastet?

Nein, diese Entlastung mutet grotesk und zynisch an. Er wird ja entlastet, weil der ihn betreffende Fall O. in dem Gutachten gar nicht Thema war. Bewertet wird Woelki maßgeblich aus der Sicht von 2011, als er noch Weihbischof war. Dann zu sagen, die Weihbischöfe waren nicht involviert und hatten nur beratende Funktion, halte ich für lächerlich. Wenn ich als Weihbischof von Missbrauch höre, hätte ich als Mensch mit Gewissen die Pflicht gehabt zu intervenieren. Dass Woelki sich da jetzt einen Persilschein ausstellen lässt, das ist schrecklich. Und das wird an ihm haften bleiben.

Was müsste der Kardinal in Ihren Augen tun, um das Glaubwürdigkeitsproblem zu lösen? Müsste er zurücktreten?

Nein, er müsste nicht zurücktreten, wenn er sich ehrlich hinstellen würde und seine Schuld bekennt. Wenn er einfach sagen würde, ich habe mich damals, weil ich mich Pfarrer O. verbunden fühlte, verleiten lassen, diesen Fall nicht weiter zu verfolgen. Ich habe mich von meinen Gefühlen leiten lassen, statt so zu handeln, wie ich hätte handeln müssen und den Fall anzuzeigen. Stattdessen redet er nur allgemein davon, dass er Fehler gemacht hat oder dass die Dynamik schuld ist. Dieser Mann ist unfähig, wirklich zu seinen gemachten Fehlern zu stehen.

Die Abstimmung mit den Füßen im Erzbistum ist in vollem Gange. Glauben Sie, dass der heutige Tag diese Dynamik bremsen kann?

Nein. Das Gegenteil wird passieren. Weil das Gutachten und die Konsequenzen den Leuten zu wenig ist – zu wenig Schuldeingeständnis und zu wenig Einsicht in die Fehler. Jetzt sind zwei Personen zu Bauernopfern gemacht worden. Aber das Prinzip bleibt: Ich gebe nur das zu, was mir nachgewiesen wird. Das gilt für Erzbischof Heße und die Herren Schwaderlapp und Feldhoff genauso wie eben auch für Woelki.

Wie bewerten Sie die Reaktion des Betroffenenbeirates, den Sie ja als Sprecher aus Protest verlassen haben?

Das saft- und kraftlose Statement hat mir in der Seele wehgetan. Das war mir viel zu bischofsfreundlich und zu duckmäuserisch. Ich habe den Beirat immer als kritischen Gegenpol zur Bischofsleitung gesehen. Statt zu sagen, wie toll dass der Kardinal unschuldig ist, hätte ich mir gewünscht, dass die klare Erwartung formuliert wird, was jetzt zu passieren hat.