Das vom Erzbistum Köln beauftragte Missbrauchsgutachten des Rechtsanwalts Björn Gercke stellt insgesamt 75 eindeutige Pflichtverletzungen von acht Personen fest, Kardinal Rainer Woelki gehört nicht dazu. Alle Fälle betreffen den Umgang mit beschuldigten Klerikern. Zwei Beschuldigte wurden nicht namentlich genannt.
Kardinal Joachim Meisner wird fast ein Drittel aller Fälle von Pflichtverletzungen zur Last gelegt, insgesamt 23. Zuvor hatte bereits ein anderes Sondergutachten der Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) zum Fall des Kölner Priesters und Sexualstraftäters Nikolaus A. das Agieren der Bistumsleitung unter Meisner kritisch bewertet.
Noch 2015 behauptete Meisner entgegen einer Fülle bereits öffentlich gewordener Missbrauchsfälle, er habe vom Ausmaß der Geschehnisse „nichts geahnt“ und dies „nicht für möglich gehalten“.
Meisner war 25 Jahre Erzbischof von Köln. Der gebürtige Breslauer kam im Zuge der Vertreibung am Ende des Zweiten Weltkriegs mit seiner Familie nach Thüringen. 1962 wurde er zum Priester geweiht. 1975 wurde Meisner Weihbischof in Erfurt. 1980 ernannte Papst Johannes Paul II. ihn zum Bischof des geteilten Bistums Berlin und erhob ihn 1983 zum Kardinal.
1988 setzte ihn der Papst, den Meisner als seinen Freund bezeichnete und zu dem Meisner über Jahrzehnte einen direkten Zugang hatte, gegen den Willen des Kölner Domkapitels als Nachfolger Kardinal Höffners in Köln durch. Meisners Amtsantritt im Februar 1989 war von Protesten begleitet.
Zu den Höhepunkten seiner Amtszeit gehört der Weltjugendtag 2005, an dem auch der kurz zuvor gewählte Papst Benedikt XVI. teilnahm. Mit Vollendung der 25-jährigen Amtszeit trat Meisner 2014 in den Ruhestand. Er starb am 5. Juli 2017.
Dompropst a.D. Norbert Feldhoff
Norbert Feldhoff, langjähriger Generalvikar, beging laut dem Gutachten 13 Pflichtverletzungen.Auch sein Handeln wurde bereits in dem Sondergutachten der Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl zum Fall des Kölner Priesters und Sexualstraftäters Nikolaus A. kritisch bewertet. Feldhoff hat bisher öffentlich zu allen Fragen, die seinen Umgang mit Fällen sexuellen Missbrauchs betreffen, geschwiegen.
Feldhoff, geb. 1939 in Düsseldorf, wurde 1965 durch Kardinal Josef Frings zum Priester geweiht. Bereits nach vierjähriger Kaplanszeit machte ihn der neue Erzbischof Joseph Höffner zu seinem Geheimsekretär und weitere vier Jahre später zum Generalvikar. Als Verwaltungschef des Erzbistums blieb Feldhoff auch unter Kardinal Meisner im Amt. 2004 wurde Feldhoff zum Dompropst gewählt. 2015 trat er in den Ruhestand.
Feldhoff hatte viele Jahre die Vizepräsidentschaft des Deutschen Caritasverbands sowie eine Fülle weiterer Ehrenämter inne. In seine Zeit als Dompropst fallen unter anderem die Entscheidung für die Gestaltung des großen Südquerhausfensters im Kölner Dom durch den Maler Gerhard Richter sowie die Abschaltung der Dombeleuchtung im Januar 2015 als Zeichen des Protests gegen eine Demonstration des Kölner Ablegers der Pegida-Bewegung.
Erzbischof Stefan Heße
Stefan Heße, heute Erzbischof von Hamburg, in Köln früher als Personalchef und Generalvikar tätig, wird in dem Gutachten ebenfalls belastet. In elf Fällen soll er seine Pflichten verletzt haben. Bereits seit September sieht er sich Vorwürfen ausgesetzt, als Personalchef in Köln nicht adäquat mit Missbrauchsfällen umgegangen zu sein. Er bestreitet persönliches Fehlverhalten und hat die Bischofskongregation in Rom um Überprüfung gebeten.
Heße, geb. 1966, stammt aus Köln-Junkersdorf. Er wurde 1993 von Kardinal Meisner zum Priester geweiht. Danach war er vier Jahre als Kaplan tätig. 1997 war er in der Priesterausbildung im Collegium Albertinum in Bonn tätig, das damals vom späteren Kardinal Woelki geleitet wurde.
Ab 2005 arbeitete Heße in der Kölner Bistumsverwaltung. Von 2006 bis 2012 leitete er als stellvertretender Generalvikar die Hauptabteilung Seelsorge-Personal. 2012 übernahm er das Amt des Generalvikars, das er auch nach dem Amtsantritt von Kardinal Woelki behielt, bis er 2015 zum Erzbischof von Hamburg gewählt wurde. In der Zeit nach dem altersbedingten Rücktritt Kardinal Meisners 2014 leitete Heße als Diözesanadministrator kommissarisch das Erzbistum.
Weihbischof Dominikus Schwaderlapp
Weihbischof Dominikus Schwaderlapp werden acht der 75 festgestellten Pflichtverletzungen zur Last gelegt. Kardinal Rainer Woelki entband ihn mit sofortiger Wirkung vorläufig von seinen Dienstpflichten. Schwaderlapp bot nach Veröffentlichung des Gutachtens dem Papst seinen Amtsverzicht an. „Die Untersuchung hält ernste Versäumnisse fest, die ich zu verantworten habe“, erklärte der Weihbischof in einer persönlichen Stellungnahme.
2010 hatte er für eine Informationsbroschüre des Erzbistums zum Missbrauchsskandal verantwortlich gezeichnet, in denen von nur fünf beschuldigten Priestern die Rede war.
Schwaderlapp, geb. 1967, wurde 1993 zum Priester geweiht. Er folgte Woelki im Amt des bischöflichen Geheimsekretärs. 2004 wurde er Nachfolger von Norbert Feldhoff als Generalvikar. Papst Benedikt XVI. ernannte Schwaderlapp 2012, kurz vor dem Ende von Meisners Amtszeit, zum Weihbischof in Köln. Er ist zuständig für den Pastoralbezirk Nord. Schwaderlapp steht dem Opus Dei nahe.
Kardinal Joseph Höffner (1906-1987)
Joseph Höffner soll ebenfalls laut dem Gutachten acht Pflichtverletzungen beim Umgang mit Fällen sexuellen Missbrauchs begangen haben. In Höffners Verantwortung als Erzbischof von Köln wurde der Kölner Priester und Sexualstraftäter Nikolaus A. nach vorzeitiger Entlassung aus der Haft erneut in der Seelsorge eingesetzt.
Höffner war von 1969 bis 1987 Erzbischof von Köln. Er stammte aus dem Westerwald. Er studierte in Rom und wurde 1932 zum Priester geweiht. 1951 wurde er Professor für Christliche Sozialwissenschaften an der Universität Münster. Er gilt bis heute als ein international herausragender Vertreter seines Fachs mit großem Einfluss auch auf die deutsche Sozialpolitik.
Von 1962 bis 1969 war Höffner Bischof von Münster. In dieser Zeit nahm er auch am Zweiten Vatikanischen Konzil (1962 bis 1965) teil. 1969 folgte er auf Kardinal Josef Frings als Erzbischof von Köln. Von 1976 bis 1987 war Höffner Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz.
In seine Amtszeit fällt der Besuch Papst Johannes Pauls II. in Köln (1987). Er starb kurz nach seiner Emeritierung am 16. Oktober 1987.
Offizial Günter Assenmacher
Günter Assenmacher, Leiter des Kirchengerichts im Erzbistum Köln, soll zwei Mal unzutreffende Rechtsauskünfte gegeben haben. Auch er wurde wie Weihbischof Schwaderlapp durch Kardinal Woelki von seinen Dienstpflichten vorerst entbunden. Als Offizial ist Assenmacher für die Bearbeitung von Missbrauchsfällen zuständig.
Assenmacher, geb. 1952 in Sieglar (Rhein-Sieg-Kreis) wurde 1977 von Kardinal Höffner zum Priester geweiht. Der in Rom promovierte Kirchenrechtler leitete ab 1990 die Stabsabteilung Kirchenrecht im Kölner Generalvikariat. 1995 ernannte Kardinal Meisner ihn zum Offizial, dem Leiter des Kirchengerichts.