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Neuer Polizeipräsident im Interview„Köln ist eine unglaubliche Herausforderung“

Lesezeit 8 Minuten
Schnabel Interview 1

Falk Schnabel kennt Köln bislang nur als Tourist, will sich aber nun „schnell hier einarbeiten“.

  1. Falk Schnabel ist seit dem 20. April der neue Kölner Polizeipräsident
  2. Der gebürtige Münsteraner sucht nun in Köln eine Wohnung
  3. Im Interview erklärt er, wo er seine Schwerpunkte setzen wird

Herr Schnabel, wie lange haben Sie überlegt, ob Sie Polizeipräsident von Köln werden wollen?Schnabel: Keine Sekunde. Ich war im Büro, als der Innenminister anrief und fragte, ob ich mir das vorstellen kann. Ich habe sofort Ja gesagt.

Warum? Was reizt Sie daran?Köln ist eine unglaubliche Herausforderung, nicht nur, weil es die größte Stadt im Land ist. Das Präsidium, das ja auch für Leverkusen zuständig ist, ist eine herausragende Behörde. Als Uwe Jacob in den Ruhestand ging, haben sich sicher viele innerhalb der Polizei NRW Gedanken gemacht, wie es eigentlich wäre, wenn man jetzt auf ihn oder sie zukäme – und da habe ich mir schon gedacht, dass ich ohne weiteres zusagen würde.

Wie gut kennen Sie Köln?

Ich war schon häufig hier, kenne die Stadt aber bisher nur als Besucher. Ich habe noch nie hier gearbeitet und auch keinen tieferen Bezug zur Stadt. Ich will mich aber in den nächsten Tagen und Wochen schnell einarbeiten, werde die Kolleginnen und Kollegen in den einzelnen Wachen besuchen und zu Einsatzbeobachtungen an den Brennpunkten mitgehen. Ich werde noch viel lernen. Am Samstag war ich mit meiner Frau und meinen beiden Kindern hier, und ich muss sagen: Köln ist schon beeindruckend.

Man sagt, es ist nicht gerade die schönste Stadt.

Ach naja, jede Stadt hat ihre schönen und nicht so schönen Seiten. Wissen Sie, ich habe lange in Bielefeld gewohnt…

Wir verstehen.

Nein, das verstehen Sie falsch, ich habe sehr gerne in Bielefeld gelebt. Aber auch Münster, wo ich derzeit noch wohne, besteht ja nicht nur aus dem Prinzipalmarkt und dem Friedenssaal. Auch da gibt es problematische Orte. So ist das auch in Köln. Mir sagen jetzt viele: „In dieser und jener Ecke solltest du nicht unbedingt eine Wohnung suchen.“ Aber alles, was ich bisher von Köln kenne, ist schon schön.

Wo suchen Sie denn?

Ich habe gerade erst angefangen. Es wäre super, wenn es eine schöne Wohnung unweit des Präsidiums wäre. Aktuell wohne ich noch in einem Hotel. Ob meine Frau und meine Tochter zeitnah oder später nachziehen, müssen wir dann sehen. Mein 18-jähriger Sohn möchte wahrscheinlich in Bonn studieren. Für mich steht aber fest: Mein Lebensmittelpunkt wird auf jeden Fall Köln sein.

Die Kölner SPD und vielleicht auch der eine oder die andere hier bei der Polizei hätten sich gewünscht, dass der neue Präsident oder die neue Präsidentin wieder aus der Polizei kommt, so wie Ihre beiden Vorgänger Jürgen Mathies und Uwe Jacob. Sie sind Jurist. Ist das ein Problem?

Ich kann nachvollziehen, dass die Polizei Köln gute Erfahrungen mit Präsidenten hat, die eine lange Polizei-Vita mitbringen. Die kann ich nicht vorweisen, außer die eineinhalb Jahre in Münster. Ich werde also um Vertrauen werben und mir Mühe geben, das zu kompensieren, was diejenigen mit Polizei-Erfahrung bei mir vermissen. Meine Erfahrung als Staatsanwalt ist da vielleicht hilfreich.

Haben Sie sich bei Ihrem Vorgänger Uwe Jacob über Köln informiert?

Ja, wir haben am Wochenende mehr als sieben Stunden telefoniert. Er hat mir gesagt, dass ich mich glücklich schätzen kann, diese Behörde leiten zu dürfen. Wir haben lange über die Themen und Schwerpunkte gesprochen, die die Polizei hier bewegen: über Videobeobachtung an Brennpunkten, über die Erfahrungen mit den Waffenverbotszonen, über Gewalt beim Fußball, Straftaten gegen Seniorinnen und Senioren und über Verkehrssicherheit, insbesondere für Radfahrerinnen und Radfahrer.

Können Sie schon absehen, wo Sie eigene Schwerpunkte setzen wollen?

Ich muss mir erst einmal einen Überblick verschaffen. Ich denke, mit unserem Präsenzkonzept an den Brennpunkten werden wir die nächste Zeit alle Hände voll zu tun haben. Ein ganz aktuelles Thema ist auch der Anstieg der Taschendiebstahlszahlen. Das sind keine Gelegenheitstaten, sondern da sind Tätergruppen gezielt nach Köln gekommen, um hier Straftaten in großem Stil zu begehen. Am ehesten kann ich das bekämpfen mit sichtbarer Präsenz. Als früherer Staatsanwalt liegt mir natürlich außerdem am Herzen, dass wir die Zusammenarbeit mit der Justiz in Köln noch weiter intensivieren. Ich habe mitbekommen, dass das schon toll funktioniert, aber natürlich möchte ich noch das ein oder andere Thema zusätzlich ansprechen. Den Leiter der Kölner Staatsanwaltschaft, Joachim Roth, kenne ich seit vielen Jahren, ich bin sicher, dass wir gut harmonieren werden.

Schnabel Interview 2

Falk Schnabel war vorher eineinhalb Jahre Polizeipräsident in Münster.

Sagen Ihnen die Begriffe Zülpicher Straße, Aachener Weiher, Ringe und Neumarkt schon etwas?

Das sind ganz klar Orte, an denen die Polizei in besonderem Maße gefordert ist. Zu den Brennpunkten Ringe und Neumarkt kommen auch Dom und Hauptbahnhof, Breslauer Platz, Wiener Platz, Ebertplatz und Köln-Kalk hinzu. Auf diese Orte müssen wir als Polizei ein besonderes Auge haben und viel sichtbare Präsenz zeigen. Ähnliche Tumult-Lagen wie es sie hier im vergangenen Jahr am Aachener Weiher gab, hatten wir in kleinerem Maßstab auch in Münster am Aasee.

Was kann die Polizei dagegen tun?

Wichtig ist vor allem ein enger Schulterschluss zwischen Stadt und Polizei. Die meisten Probleme wie Lärm, Vermüllung, Wildpinkler fallen ja erstmal in die Zuständigkeit des Ordnungsamts. Es liegt aber auch auf der Hand, dass wir da Amtshilfe leisten müssen. In Münster hat man für den Aasee zum Beispiel ein Glasverbot verhängt und Straßen in Wohngebieten beruhigt, indem man sie mit sogenannten „Kissen“ für Autoposer unattraktiv gemacht hat. Das sind Konzepte, die in Münster funktioniert haben. Das heißt nicht, dass so etwas auch in Köln funktioniert.

Könnten Sie ruhig schlafen, wenn Sie wüssten, dass Ihre Kinder auf der Zülpicher Straße feiern?

Ich habe mir die Zülpicher Straße am vergangenen Samstagnachmittag bei schönstem Wetter angesehen. Eine friedliche Straße. Ich weiß aber noch nicht, wie es dort nachts aussieht, das muss ich mir erst einmal selbst ansehen. Da bitte ich um Verständnis.

Haben Sie schon mit Henriette Reker gesprochen?

Bisher nicht. Ich habe mich aber gefreut, dass Frau Reker mir einen sehr freundlichen Brief und eine Gratulation geschickt hat, als ich noch in Münster war.

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Für den 8. Mai ist in Köln ein pro-russischer Autokorso mit 1000 Teilnehmern angemeldet worden. Wie bereitet sich die Polizei darauf vor?

Wir werden da im Vorfeld genau hinschauen. Der 8. Mai ist ein historisches Datum (8. Mai 1945, Tag der bedingungslosen deutschen Kapitulation und Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa, Anm. d. R.). Wir lassen nicht zu, dass unter dem Deckmantel von Versammlungen in strafbarer Weise womöglich ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg als schweres Verbrechen gebilligt oder befürwortet wird. Während der Versammlung werden wir genau darauf achten, dass keine verfassungsfeindlichen Symbole gezeigt oder zu Straftaten aufgefordert oder diese gebilligt werden.

Manche fordern, Stadt oder Polizei müssten solche Versammlungen generell verbieten.

Viele denken, eine Versammlung muss durch die Polizei genehmigt werden. Das ist aber nicht so. Es gilt die verfassungsrechtlich geschützte Versammlungsfreiheit, das heißt: Versammlungen sollen der Polizei angezeigt werden, und sie werden dann bestätigt. Es gibt aber keinen Genehmigungsvorbehalt, dass also die Polizei etwa prüft: Hat die Versammlung einen Zweck und ein Ziel, was uns aus polizeilicher Sicht gefällt, und dann genehmigen wir das – oder eben nicht. Stattdessen sind die Möglichkeiten, die Versammlungsfreiheit zu beschränken, nach dem Grundgesetz sehr restriktiv. Ein Verbot einer Versammlung ist immer nur die Ultima Ratio. Es setzt voraus, dass man vorher alles versucht hat, um der Versammlung größtmöglichen Raum zu geben und zugleich dafür sorgt, dass möglichst keine rechtswidrigen und strafbaren Delikte von der Versammlung ausgehen.

Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben?

Bevor ich eine Entscheidung treffe, höre ich viel zu, hole verschiedene Ansichten ein und lasse mich beraten. Und ich versuche, Entscheidungen transparent zu kommunizieren, auch nach außen. Wir betreiben ja hier keine Geheimwissenschaft. Alle Entscheidungen, die ich treffe, beruhen auf einer sachlichen Abwägung und sollten auch nachvollziehbar sein.

Was machen Sie gerne, wenn Sie nicht arbeiten?

Ich habe kein ausgeprägtes Hobby. Ich versuche, mich sportlich fit zu halten, ich laufe und schwimme gerne.

Welches Buch haben Sie zuletzt gelesen?

„Undercover“ über die Tätigkeit eines V-Mannes. Außerdem Yuval Noah Hararis „Eine kurze Geschichte der Menschheit“ und die Autobiografie von Woody Allen. Ich mag den Mann und seinen Humor.

Schauen Sie lieber den „Tatort“ aus Münster oder den aus Köln?

Beide, auch wenn man sie nicht miteinander vergleichen kann. Den letzten Kölner „Tatort“ fand ich richtig gut. Das war von der Idee her mal was Frisches, richtig klasse.

Netflix oder Amazon Prime?

Auch beides. Ich habe „House of Cards“ und „Suits“ gesehen, und ich gestehe: Ich kenne alle noch greifbaren Folgen von „Top Gear“. Zurzeit schaue ich besonders gern „Marvelous Mrs. Maisle“. Aber nicht, dass jetzt hier ein falscher Eindruck entsteht: Ich sitze nicht die ganze Zeit vor dem Fernseher, wir reden hier von mehreren Jahren.

Zur Person

Falk Schnabel (52) ist seit dieser Woche Polizeipräsident von Köln und Leverkusen und Nachfolger von Uwe Jacob, der in den Ruhestand getreten ist. Zuvor war der gebürtige Münsteraner eineinhalb Jahre Polizeipräsident in Münster. Der Jurist begann seine Laufbahn 2001 als Staatsanwalt für Wirtschaftsstrafsachen in Bielefeld, arbeitete von 2012 bis 2016 als Abteilungsleiter im NRW-Gesundheitsministerium und leitete zwischen 2016 und 2020 die Staatsanwaltschaft in Düsseldorf. Falk Schnabel ist verheiratet und hat zwei Kinder.