Köln – Das Szenario wirkt bedrohlich und beunruhigend: Ein Haus brennt, ein Mensch liegt eingeklemmt in seinem Auto oder hinter der Wohnungstür und braucht dringend Hilfe, aber die kommt erst verspätet an. Wertvolle Sekunden, Minuten verstreichen, in denen die Gesundheit oder gar das Leben in Gefahr ist, verrinnen, weil die Feuerwehr nicht schnell genug durch Staus, enge Straßen oder vielbefahrene Kreuzungen kommt. Ein Szenario, das in Köln immer häufiger vorkommt.
Neuneinhalb Minuten – so lange soll die Feuerwehr nach dem Absetzen des Notrufs höchstens brauchen, bis sie mit zehn Kräften am Einsatzort angekommen ist und die ersten Menschen retten kann. Diese sogenannte Hilfsfrist gilt für Einsätze im Brandschutz – also etwa bei Feuern in Gebäuden – und bei der technischen Hilfe. Diese umfasst zum Beispiel die Rettung von Menschen in defekten Aufzügen, das Abstreuen von ausgelaufenem Öl und Benzin auf der Autobahn oder den Einsatz bei Sturm- oder Flutschäden. Innerhalb von 14,5 Minuten nach Notrufbeginn sollen zudem ein Einsatzleiter und bei Bränden noch sechs zusätzliche Einsatzkräfte am Einsatzort sein. Werden diese Fristen in 90 Prozent aller Einsätze unterschritten, gelten die sogenannten Schutzziele als erreicht. Doch die Realität in Köln sieht seit Jahren anders aus.
Verkehr sorgt für langsame Feuerwehr in Köln
Seit 2016 kann die Feuerwehr ihr eigenes 90-Prozent-Ziel weder im Brandschutz, noch in der technischen Hilfe halten. Zuletzt ist der Anteil der Einsätze, bei denen das Ziel erreicht wird, sogar noch einmal deutlich gesunken. Voriges Jahr haben die Rettungskräfte im Brandfall in mehr als jedem vierten Fall länger als neuneinhalb Minuten gebraucht, bei der technischen Hilfeleistung sogar fast in jedem zweiten. Auch die neue Hilfsfrist für Wasserrettungen aus dem Rhein – 15 Minuten bis zum Eintreffen des ersten Bootes – kann derzeit seltener als angestrebt gehalten werden. Heißt konkret: Die Kölner Feuerwehr ist zu langsam. Lediglich der Führungsdienst, also der Einsatzleiter und dessen Führungsgehilfe, konnten diese Hilfsfrist seit 2016 in jedem Jahr weitgehend einhalten.
Die Feuerwehr benennt ihre Tempoprobleme im aktuellen, mehr als 200 Seiten langen Brandschutzbedarfsplan schonungslos und führt sie auch auf den Verkehr in der Stadt zurück. Auch wenn dieser zumindest in den Jahren 2020 und 2021 wegen Corona eingebrochen ist, macht der Feuerwehr besonders mit ihren größten Fahrzeugen wie Löschwagen und Drehleitern der enge Platz in der Stadt zu schaffen. So machen zum Beispiel Straßenbahntrassen, niedrigere Tempolimits und Baustellen den Einsatzkräften zu schaffen. Auch dass immer mehr Fahrspuren zugunsten von Radwegen eingespart werden, kann die Anfahrtszeiten verlängern.
Recherchen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ haben ergeben, dass auch die Feuerwehren anderer Großstädte mir ähnlichen Problemen zu kämpfen haben. So konnte die Feuerwehr in Berlin seit 2016 ebenfalls nicht mehr in neun von zehn Fällen innerhalb ihre selbst gesetzte Hilfsfrist einhalten und verfehlte damit ihr Schutzziel. Das gleiche gilt zuletzt auch für Düsseldorf. In Hamburg können die Rettungskräfte sogar nur in 60 Prozent aller Brandfälle ihre Schutzziele einhalten. Die Gründe für die Tempoprobleme ist in allen Großstädten ähnlich: Immer mehr Verkehr, viele Baustellen, Bevölkerungswachstum in den Ballungsräumen. Die Stadt Frankfurt führt auch die Ausweisung von Fahrradstreifen und verkehrsberuhigte Zonen als Faktoren an.
Fünf neue Feuerwachen in Köln in Planung
Kernproblem in Köln aber ist die Verteilung der Wachen, die zu teils deutlich zu langen Fahrtwegen führt. So sind vor allem die Außenbereiche im linksrheinischen Norden und im rechtsrheinischen Süden zu schlecht an Feuerwachen angebunden, die Anfahrtswege in den Stadtbezirken Porz und Chorweiler gehören zu den längsten im Stadtgebiet. Das gleiche gilt aber auch für die rechtsrheinische Peripherie in Dünnwald, Dellbrück und Brück. Zwar ist in den genannten Außenbereichen die Freiwillige Feuerwehr traditionell sehr stark, doch hält die Berufsfeuerwehr weite Teile davon mit ihren Einsatzkräften innerhalb von neuneinhalb Minuten schlicht für unerreichbar. Daher will die Feuerwehr in den kommenden Jahren fünf Wachen in den am schlechtesten angebundenen Stadtteilen neu bauen (wir berichteten).
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Sechseinhalb Minuten reine Fahrzeit gelten als Maximum, das der Feuerwehr eingeräumt wird. Dazu kommen jeweils 90 Sekunden für die Bearbeitung des Notrufs durch die Disponenten in der Leitstelle und das Ausrücken der Einsatzkräfte, also die Zeit, bis zu der die Feuerwehrleute ihre Wache mit Blaulicht und Martinshorn in Richtung Einsatzort verlassen. Eine genaue Aufschlüsselung der Zeiten ergibt, dass zuletzt vor allem die sogenannte Ausrückzeit für Probleme gesorgt hat. Diese hat im vergangenen Jahr fast immer – nämlich in 95 Prozent aller Fälle – länger als die vorgegebenen anderthalb Minuten gedauert, und zwar sowohl im Brandschutz, als auch in der technischen Hilfeleistung.
Die Feuerwehr führt das auf die Einführung ihrer neuen Einsatzleitsoftware Ignis Plus im April 2020 zurück. Weil zunächst aus technischen Gründen anderthalb Jahre lang ein altes Kommunikationssystem ohne Schnittstelle zu Ignis Plus weitergelaufen ist, mussten in dieser Zeit alle Notrufe händisch von den Disponenten bearbeitet und die Einsatzkräfte auf den Wachen mündlich per Funk oder Telefon entsendet werden. Das habe jeden Einsatz um durchschnittlich mehr als 25 Sekunden verzögert.
25 Sekunden, die die Rettungskräfte später als eigentlich nötig ausrücken konnten. Seit Kurzem sind die Systeme synchronisiert und die Alarmierung läuft automatisch und somit schneller. Weil aber auch die Disposition, in der der Notruf bearbeitet und alle wichtigen Informationen erfasst werden, zu häufig zu lange dauert, setzt die Feuerwehr eine Arbeitsgruppe zur Fehleranalyse und Fehlerbehebung ein. An ihrer neuen Software hält die Feuerwehr indes fest.