Köln – „Ich bin ein zurückhaltender Mensch“, sagt Joah Kraus, „obwohl ich durchaus auch mal als Gockel rumlaufen kann – aber ich würde nie, nie in einem SUV durch die Gegend fahren.“ Viel wichtiger sei ihm, „immer dem Anlass entsprechend angezogen zu sein.“ In Ländern wie England, Spanien oder Italien sei es Konsens, dass Bekleidung ein Teil der Kultur ist, die Wertschätzung und der pflegliche Umgang damit seien selbstverständlich.
Ökologisches Bewusstsein, handwerkliche Qualität
Die Abgrenzung zum Statussymbol der Deutschen, dem Auto, ist dem Kölner Bekleidungsmacher wichtig, grenzt die Haltung doch deutlich ein, was ihm, im Beruf wie im Alltag, wertvoll ist. Ökologisches Bewusstsein, Nachhaltigkeit, handwerkliche Qualität mit einer Prise Unangepasstheit, Individualität und Handarbeit.
Es sind diese Werte sowie die Lust auf Schönes, die die fünf Künstler eint, die am kommenden Wochenende bei der bereits vierten Ausgabe des Musterzimmer ihre Arbeiten zeigen. Designer aus verschiedenen Gewerken, deren Kundenstämme sich nicht zufällig oft überschneiden. Architekten, Künstler, Fotografen, Schauspieler, Menschen eben, die an Ästhetik interessiert sind. Und die bekommen so einiges geboten.
Beinkleider etwa von Meike Diedeling: die Textil-Ingenieurin beschäftigt sich mit der „vernachlässigten Lücke zwischen High Heel und Rocksaum“, wie es auf ihrer Website heißt, und bietet handbedruckte Strümpfe mit frechen Schriftzügen oder verspielten Ornamenten.
Für Ebenmaß in Leder steht das Taschendesign von Maren Dessel: Nichts, was das Auge ablenkt, und dennoch unverkennbar in seiner Formsprache sind die Arbeiten, die die gelernte Raumausstatterin in ihrem „Ross & Rind“ Lederatelier am Eigelstein produziert.
Schmuck der Designerinnen Marie von Chamier und Klaus Arck von „Der 4. König“ „ist aufregend schön, feingliedrig, edel, er bannt persönliche Geschichten und Geheimnisse bis in die kommenden Generationen“, heißt es auf der Einladung zum Musterzimmer, wo die Accessoires, Kleidung und Taschen von Monika Esser als „verliebt in das Spiel der Farben und Konstruktionen, leicht und sehr weiblich“ angekündigt werden.
Und dann ist da noch Joah Kraus: „Durch variantenreiches Spiel mit soliden Stoffen entsteht bei ihm Bekleidung für Männer, in zeitgenössischen Silhouetten mit markanter Schnittführung.“ Schon seine Eltern hätten ihn geprägt im Umgang mit Bekleidung, sagt der gebürtige Bayer: „Sie haben nie billige Sachen gekauft und etwa den Sonntagsstaat ganz bewusst eingesetzt.“ Der pflegliche Umgang mit der Bekleidung war Teil der Erziehung. Da wurden nicht die Klamotten in die Ecke gefeuert, sondern akkurat auf den Bügel gehängt, die Schuhe mit Spannern ins Regal gestellt.
Schon im Studium in Mönchengladbach habe er bei Jobs etwa für Esprit gemerkt, dass „ich nicht für große Strukturen gemacht bin“. Der kommerzielle Gedanke, ein Teil müsse jedem passen, ist ihm genauso suspekt wie ein 2-Euro-T-Shirt: „Ich will, überspitzt gesagt, keinen Müll produzieren“, sagt Kraus. Deshalb spricht er auch immer von Bekleidung, nie von Mode. „Meine Sachen sind nie modisch, aber sie sind auch nie aus der Mode.“
Fünf Basisschnitte für Hosen nutzt er seit Beginn seiner Selbstständigkeit 2001 bis heute. Die Qualität der vorzugsweise in der Region produzierten Stoffe, die gute Verarbeitung, das zeitlose Design würden versprechen, dass seine Bekleidung bei pfleglicher Behandlung „auch nach drei Jahren noch gut aussieht.“ Nachhaltigkeit. „Wir müssen uns von diesem Zwang lösen, ständig alles neu kaufen zu müssen.“ Seit Mai diesen Jahres hat er seinen Workshop – vorne Laden, hinten Atelier – in der Maastrichter Straße. In „der besten Lage Kölns“ ist Joah Kraus dann Gastgeber fürs Musterzimmer – Design aus Köln, hier produziert.
Musterzimmer im Joah Kraus Workshop, Maastrichter Straße 24, 50672 Köln, geöffnet am 19. November, 18-21 Uhr, sowie am 20. November, 12-18 Uhr. Der Eintritt ist frei, die Künstler sind anwesend.