Bei der 18. Ausgabe des Festivals am Tanzbrunnen waren die Besucher auf den Regen vorbereitet und kamen trotzdem in aufwendigen Kostümen.
„Viele von uns sind Außenseiter“Goths aus ganz Deutschland feiern beim Kölner Amphi-Festival
Zum 18. Mal hat am Wochenende das Amphi-Festival am Tanzbrunnen stattgefunden. Ein Szenefestival, das nicht nur musikalisch, sondern auch modisch verschiedene Stile vereint, mit einer sichtbaren Gemeinsamkeit: Alle tragen Schwarz.
Hochzeitstag auf dem Gothic-Festival
Viele der tiefschwarz gekleideten Besucher fühlen sich seit etlichen Jahren mit der Welt des Gothic verbunden. So erzählt Besucherin Maite, dass die Musik ihr Leben komplett verändert habe. Sie ist in einem sehr kleinen Dorf aufgewachsen, mehrere Stunden südlich von Mexiko-Stadt gelegen. Als Jugendliche habe sie jeden Tag um zehn Uhr abends das Radio angestellt und den Sender gesucht, auf dem sie dann eine Stunde lang die Songs der schwarzen Gothic-Szene – von Bands wie Lacrimosa – zu hören bekam. Weil sie die Musik damals so fasziniert habe, habe sie unbedingt Deutsch lernen wollen. „Und schließlich habe ich mir ihn hier gesucht“ lacht sie und zieht ihren ebenfalls in schwarz gekleideten Mann Torsten zu sich. Vor einem Jahr hätten beide in Mexiko geheiratet. Nun würden sie ihren ersten Hochzeitstag auf dem Festival in Köln feiern.
Neben dem Eingang in der Schlange vor dem Merchandise-Stand stehen Jennifer aus Cambridge und Corinne aus Northampton. In Großbritannien gäbe es viele Fans der Szene, man reise gemeinsam mit einem Bus zum Amphi nach Deutschland, erzählen sie. „Viele von uns sind Außenseiter“, so Jennifer, immer dann, wenn sie sich in der Welt unwohl fühle, suche sie einen Goth-Club auf, „dort ist man dann für mich da“. Deshalb sei auch das Gefühl, Teil dieses Festivals zu sein, ein gutes. Hier gebe man aufeinander Acht, „weil man unter Gleichgesinnten ist“, ergänzt Festivalbesucherin, Jacqueline aus Aschaffenburg.
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In solchen Outfits auf der Straße herumzulaufen, werde oft als „freakig“ abgestempelt. Aber auf dem Festival teile man die Faszination für diese Art von Mode. Sie sei bereits viele Male auf dem Amphi gewesen. Der angekündigte Regen in diesem Jahr habe sie nicht abgeschreckt. „Das ist mir komplett egal“, sagt sie, die Schminke verlaufe ihr sowieso schon vom vielen Schwitzen im Stretch-Lack-Kleid, da freue sie sich eher auf die nasse Abkühlung.
Besucher sind auf den Regen vorbereitet
Besucherin Ilse hat sich dagegen sehr bewusst auf den verregneten Festival-Samstag vorbereitet: „Wir haben unsere Outfits reduziert, meinen schönen großen Hut habe ich zu Hause gelassen“, sagt sie. Und auch das Kleid der Freundin musste wegen der schlechten Wetterprognosen zu Hause bleiben, berichtet die Henneferin, die mit ihrem Mann und der nun alternativ mit einem einfachen schwarzen T-Shirt gekleideten Freundin auf dem Festivalgelände auf und ab schlendert. Seit 2011 seien sie regelmäßig Teil des Festivals. Die Vielfältigkeit der Kostüme, die friedliche Atmosphäre und das Miteinander zöge sie immer wieder an.
Wettertechnisch gut vorbereitet hat sich auch Marco aus Wetzlar, er trägt einen Schlangenkopf-Schädel, der aus Schaumstoff nachgebaut und mit Klarlack versiegelt ist. Ein guter Schutz gegen den Regen. Und ein Zeichen seiner Zugehörigkeit zur „Wasteland-Szene“, erklärt er, während er die wuchtige Kopfbedeckung abnimmt und sein Gesicht zeigt. „Wir verwenden für die Kostüme nur das, was nach einem Atomkrieg übrigbleiben würde.“ Beispielsweise Knochen oder Münzen. Auf den Festivals suche er für solche Outfits immer wieder passende Kleinigkeiten zur Verzierung.
Der Rundgang um den Brunnen ist gesäumt von Verkaufsständen. Hier werden neben Silber-Schmuck und ausgefallenen Sonnenbrillen auch Hüte, Rucksäcke und Gürtel mit Knochen oder Totenkopf-Applikationen angeboten. Die Accessoires der Szene erinnern an Vergänglichkeit, den Tod, die Schwärze der Nacht.
Ausgefallene Kostüme beim Amphi-Festival
Felix aus Berlin, der seinen Look als „Cybergoth“ beschreibt, bringt dagegen etwas Farbe in die schwarze Szene am Tanzbrunnen. Röhrenartige, teils mit Glitzerfäden durchzogene, blau leuchtende Strähnen türmen sich auf seinem Kopf zu einer Frisur. „Alles selbst gemacht“, sagt er. Bei dem Material handele es sich eigentlich um Geschenkbänder aus den USA, er habe diese zu „Cyberloxx“ umfunktioniert. Leider sauge sich der Stoff recht gut voll, sollte es regnen, so befürchtet er, wäre der Kopfschmuck eine Bürde. Das Material wiege sonst nur ein halbes Kilo. Er tanze so gerne darunter, das sei das Risiko einzugehen, wert gewesen.
In der Hand hält er ein Fledermaus-Maskottchen, das als Tasche für Batterien zum Beleuchten der in die blaue Haarpracht eingepflegten Lichterkette fungiert. Als der Regen tröpfelnd einsetzt, rücken die Besucher unter den großen Schirmen des Tanzbrunnens zusammen. Viele suchen das Trockene im Bereich der überdachten Bühne, der Theater-Stage. „Licht an, Licht aus“ röhrt der Sänger der Band Schattenmann von der Bühne.
Dass es überdachte Bühnenbereiche gäbe, sei ein echter Vorteil des Festivals, sagt die aus Hamburg angereiste Chrissi. Auch dass das Amphi ein Stadt-Festival ist, sei hilfreich. „Für die aufwendigen Outfits sind Zelte nicht geeignet“, erklärt die Tänzerin, die sich gemeinsam mit ihrer Freundin für ihren Auftritt beim Festival im Hotelzimmer gestylt hat. Auch dass das Gelände überschaubar ist, empfinden beide als Vorteil. „Man läuft immer wieder den gleichen Leuten über den Weg.“