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Kinder schreiben an Kölner OB Reker„Ändern Sie das idiotische Anmeldeystem!“

Lesezeit 5 Minuten
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Leni Nolte hat an Henriette Reker geschrieben.

  1. An Kölner Gymnasien fehlen 450 Plätze für Viertklässlerinnen und Viertklässler.
  2. Es gibt ewige Wartelisten und viele Kinder und Familien bekommen nicht ihre Wunsch-Schule.
  3. Nun machen auch Schülerinnen und Schüler mit Briefen an Kölns Oberbürgermeisterin Reker ihrem Ärger Luft.

Köln – Leni ist sauer. Richtig sauer. Und das hat sie Oberbürgermeisterin Henriette Reker auch geschrieben. Die Sülzer Viertklässlerin thematisiert im Namen von ganz vielen in der ersten Runde an Gymnasien abgelehnten Kölner Kindern ihre Traurigkeit: „Ich bin enttäuscht und wütend und habe fast den ganzen Tag geweint. Denn meine Wartelistenplätze an den Gymnasien sind 87, 185 und 251“, schreibt die Viertklässlerin. Sie wisse nicht, „wie es mit ihrem Leben jetzt weitergeht“.

„Wofür habe ich mich überhaupt angestrengt“

Reihenweise schreiben in diesen Tagen Kölner Kinder Briefe an die Oberbürgermeistern, um ihrer Ohnmacht Ausdruck zu verleihen. „Die Abgelehnten“ – so heißt die Elterninitiative, die sich organisiert hat. Aber abgelehnt fühlen sich eben vor allem die Kinder, die hier eine Stimme haben sollen: „Ich weiß, dass das nicht an mir liegt, aber andere Kinder denken das vielleicht nicht und kommen nicht drüber weg“, schreibt Leni. Auch Konrad hat lauter Absagen bekommen und schreibt der Oberbürgermeisterin, er fühle sich „richtig schlecht, traurig, ratlos und niedergeschlagen.“

Er verstehe einfach nicht, warum er an den Schulen, „wo auch Freunde sind und der Schulweg kurz ist, nicht angenommen wurde, obwohl ich ein guter Schüler bin.“ Die zwei Jahre mit Lockdown und Distanzunterricht seien hart gewesen, jetzt wisse er gar nicht mehr, wofür er sich eigentlich so angestrengt habe.

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Brief Reker Schülerin png

Auch Konrad Dehne hat seinen Ärger niedergeschrieben.

Diese Tage sind besonders für die Kinder in vielen Kölner Familien – in denen das Thema Schulplatz schon seit Monaten Raum einnimmt - eine schwere Zeit. „Eigentlich denkt man nichts wirklich anderes mehr“, erzählt Leni. Während die Eltern darauf warten, dass endlich das Telefon geht und man vielleicht doch den ersehnten Platz über die Warteliste mitgeteilt bekommt, erleben nicht wenige, dass Tag für Tag mehr Freundinnen über Wartelistenplätze versorgt sind, und sie als einzige übrig bleiben – und weiter warten müssen. Wie lange es noch dauert, bis alle Kinder Gewissheit haben, und wohin ihr Weg führt, weiß derzeit so richtig keiner. „Das ist einfach für die Kinder und auch für die Familien schwer auszuhalten“, sagt eine Mutter.

„Viele warten bis zum letzten Tag“

Noch bis Mittwoch, 23. März, haben Familien, die in den Losverfahren eine oder mehrere Plätze zugelost bekommen haben, Zeit, einen der angebotenen Platz anzunehmen und die anderen freizugeben. Dann wird das Verfahren der ersten Runde bereinigt. „Viele warten bis zum letzten Tag – einfach um zu die Chance nicht zu verpassen, doch über die Warteliste noch an einer Schule angenommen zu werden, an der die Freundin einen Platz hat“, erläutert Olaf Wittrock, Sprecher der Initiative „Die Abgelehnten“.

Dabei gebe es Stadtteile wie Porz oder auch Rodenkirchen, wo sich alles schon „ganz gut zurechtgeruckelt hat“ und die Kinder nun untergekommen sind, und andere Veedel vor allem im Kölner Westen und Süd-Westen, wo die Situation sehr schwierig sei.

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Unklar ist, wie das Verfahren zu einem Ende kommen soll. Da 450 Plätze fehlen, müssen an 15 Gymnasien Mehrklassen gebildet werden. Die waren aber bis Ende letzter Woche immer noch nicht vollständig gefunden. Da viele Schulen bereits über Jahre immer wieder Mehrklassen aufmachen müssen- in Summe in den letzten Jahren ganze 120 - sind sie räumlich teilweise an der absoluten Kapazitätsgrenze angekommen. An den Schulen herrscht Ratlosigkeit, wie das gehen soll - und jede Menge Frust. Aber auch Erschöpfung, denn nach dem Anmeldemarathon werden nun Sekretariate und Schulleitungen von verzweifelten, wütenden Eltern konsultiert.

Immer wieder Mehrklassen

Die Bezirksregierung will Mehrklassen, von denen die Stadt in den letzten Jahren schon an den bestehenden Schulen 120 gebildet hat, überhaupt nur noch unter der Bedingung genehmigen, dass dafür in den Schulen keine Fachräume wegfallen und auch für Sport ausreichend Kapazitäten da sind. Nun steht im Raum, dass über den größten Teil der Mehrklassen erst am 30. März – dem Termin der Abstimmungskonferenz von Stadt, Bezirksregierung und Schulleitung – entschieden wird.

Dabei soll am 31. März regulär schon die zweite Runde des Anmeldeverfahrens starten. Diejenigen, die noch keinen Platz haben, sollten sich dann wieder an mehreren Schulen mit noch freien Plätzen anmelden. Die Stadt hat auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ erklärt, dass auch bei zusätzlichen Klassen die Besetzung über die für die erste Runde erstellte Warteliste stattfindet. „Für die Mehrklassen findet keine neue Auswahl statt“, heißt es.

Demonstration auf dem Alter Markt

Angesichts von 1000 fehlenden Gesamtschulplätzen und 450 Gymnasialplätzen haben Kölner Eltern eine Demonstration unter dem Motto „Schulplatz-Tombola stoppen“ angemeldet. Am 28. März wollen die Eltern ab 14 Uhr auf dem Alter Markt „gegen das unwürdige Losverfahren und für ein menschliches Anmeldeverfahren“ demonstrieren, während im Rathaus der Schulausschuss zu dem Thema tagt.

Auch der Philologenverband NRW geißelt das Losverfahren: Bildungszugänge dürften nicht wie „in einer Losbude“ vergeben werden. Die Kinder würden zur bloßen Rechengröße, bei der Kriterien wie die Schulformempfehlung, lange Schulwege und Herausgerissen-werden aus dem sozialen Umfeld keine Rolle spielten. Ein fatales Signal an die Kinder sei das. Auch der zehnjährige Konrad hat eine Unterschriftenaktion gestartet.

„Wir möchten erreichen, dass jeder Schüler und jede Schülerin an eine Schule mit Freunden zusammen kommt, die in der Nähe seines Zuhauses liegt“, steht auf dem Zettel, mit dem er durch seine Schule läuft. Leni formuliert ihren Anspruch an die Oberbürgermeisterin noch deutlicher: „Ich möchte nicht von Ihnen bedauert werden. Ich möchte, dass Sie dieses idiotische System ändern.“