Köln – Bananen, Kaffee, Müsliriegel, Suppe und für die Kinder Überraschungseier und ein Teddy – das ist für viele Flüchtlinge aus der Ukraine das erste, was Köln ihnen bieten kann. In einer spontan errichteten Zeltstadt auf dem Breslauer Platz verteilen Helfer am Montagnachmittag aber nicht nur Lebensmittel an die Menschen, die erschöpft von einer oft tagelangen Flucht aus ihrer Heimat aus den Zügen steigen. Vier Tage habe sie gebraucht, erzählt zum Beispiel Olena. Sie sei über Polen nach Deutschland gekommen, zu Fuß, im Bus und mit dem Zug. Ihren erwachsenen Sohn habe sie in der Ukraine zurücklassen müssen, aber ihre Tochter (22) hat sie begleitet. „Überall Bomben“, beschreibt die 42-Jährige die Situation in ihrem Heimatort. „Ich wollte eigentlich bleiben, aber als der Krieg in die Stadt kam, sind wir geflüchtet.“
Geflüchtete werden in Sammelunterkunft nach Wegberg gebracht
Die Helfer – darunter Ehrenamtler, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Arbeiter-Samariter-Bundes und Rettungskräfte der Feuerwehr – hören den Menschen zu und versuchen, gleich vor Ort mit ihnen gemeinsam die nächsten Schritte zu planen. Wo möchten sie hin? Haben sie schon eine Unterkunft? Kennen sie jemanden in Köln? Werden sie abgeholt – oder wissen sie noch gar nicht, wo sie die Nacht verbringen sollen? Nach einem negativen Coronatest bringt ein Bus sie nach Wegberg am Niederrhein, in eine Sammelunterkunft des Landes. Dort können die Menschen vorläufig bleiben, bis sie nach einem komplizierten Schlüssel in einzelne Kommunen verteilt werden können. 500 Geflüchtete aus der Ukraine leben bereits in Köln – und das sind nur diejenigen, denen die Stadt offiziell eine Bleibe vermittelt hat. Wie viele Menschen darüber hinaus privat in der Stadt untergekommen sind, weiß derzeit niemand.
„Wir stellen uns sicherheitshalber auf sehr viele Menschen ein“, sagt Joachim Stamp (FDP). Der NRW-Integrationsminister schaut sich am Nachmittag in der Zeltstadt am Kölner Hauptbahnhof um. Mit Stadtdirektorin Andrea Blome will er sich einen Überblick verschaffen. Stamp schwärmt von der Hilfsbereitschaft und der Menschlichkeit, mit der die Geflüchteten in Nordrhein-Westfalen empfangen werden. Putin wolle Europa destabilisieren durch die Vertreibung von Menschen, aber dagegen gebe es ein Mittel: Zusammenhalt. „Das kann die europäische Idee voranbringen“, sagt der Minister.
Auf den Bahnsteigen stehen derweil Helfer und halten blau-gelbe Fahnen in die Höhe, wenn ein Zug einfährt. So sollen Ukrainerinnen und Ukrainer sofort erkennen, an wen sie sich wenden können. Die Helfer führen die Menschen dann hinunter zum Breslauer Platz. Die logistische Herausforderung sei enorm, sagt Kölns Feuerwehrchef Christian Miller. Man könne derzeit „nur reagieren und nicht sicher planen“, denn niemand wisse, wie viele Menschen noch ankommen werden. „Unsere Vorlaufzeit beträgt Null“, sagt Miller. Es könne sein, dass gleich 30 Geflüchtete in einem Zug ankämen – oder auch 200. Aber man sei vorbereitet. Mental herausfordernd sei die Situation auch für die Helferinnen und Helfer, sagt Miller. „Man erkennt in den Gesichtern der geflüchteten Menschen, dass sie einiges gesehen haben. Wenn man das hier so hautnah mitbekommt, berührt einen das sehr.“ Gestern sei eine junge Mutter angekommen, mit einem einjährigen und einem dreijährigen Kind, beide Kinder krank, sie hätten gewimmert. „Der Rettungsdienst hat sich sofort um sie gekümmert“, sagt Miller.
Geflüchtete können 90 Tage ohne Visum in Deutschland bleiben
Die ersten 90 Tage können sich Menschen aus der Ukraine ohne Registrierung frei in Deutschland bewegen. Welchen Aufenthaltsstatus sie danach haben, auch ob sie zum Beispiel hier arbeiten oder Sozialleistungen in Anspruch nehmen dürfen, soll sich in Kürze entscheiden. Man erwarte in den nächsten beiden Tagen einen entsprechenden Erlass aus dem Bundesinnenministerium, sagt Joachim Stamp.
Unterdessen plant die Stadtverwaltung, die provisorischen Zelte mitten auf dem Breslauer Platz in ein Containerdorf am Busterminal gegenüber zu überführen. Noch sei aber unklar, wann die Container geliefert werden können, sagt Feuerwehrchef Miller. Man habe keine auf Vorrat, sondern müsse sie erst bestellen.
Nach Angaben der UN hat der Krieg gegen die Ukraine bislang etwa 1,5 Millionen Menschen zur Flucht gezwungen, die meisten davon machen sich auf den Weg Richtung Westen.