Köln – Wenige Tage ist es her, dass sich der Einsturz des Stadtarchivs zum neunten Mal jährte. Wer für die Katastrophe verantwortlich ist, wird derzeit in einem Prozess vor dem Landgericht ermittelt. An der Einsturzstelle sucht ein Gutachter weiter nach der Ursache des Unglücks. Sobald dessen Untersuchungen beendet sind, sollen unter dem Unglücksort in 30 Metern Tiefe die Arbeiten für das Gleiswechselbauwerk der KVB am Waidmarkt weitergehen.
Die Initiative „Archivkomplex“ drängt auf einen besonderen Umgang mit dem schicksalsbehafteten Ort – und hat eine dafür eine Idee entwickelt: Ein durch den Bau entstandener Raum, der eigentlich verfüllt werden sollte, könnte zur Kunsthalle umfunktioniert werden. Die KVB prüft nun, ob das Konzept umsetzbar ist.
Für das Konzept macht sich die Gruppe „Archivkomplex“ einen 850 Quadratmeter großen Raum – der durch die Bauzäune vor der Einsturzstelle einsehbar ist – im zukünftigen Gleiswechselbauwerk zunutze. Das unterirdische Gebäude hat nämlich drei Etagen: Auf der untersten sollen die Schienen verlegt werden, auf der mittleren ist ein Betriebsraum geplant, und die oberste Etage besteht nur zu Bauzwecken. Nach Abschluss der Arbeiten soll die oberste Ebene nach aktuellen Planungen verfüllt werden – eigentlich.
Keine klassische Gedenkstätte
„Wir wollen dieses Loch als Raum erhalten“, erklärt Günter Otten, Sprecher von „Archivkomplex“. Denn in den vergangenen Jahren hätten die Bewohner des Georgsviertels schwer unter dem Einsturz und seinen Nachwirkungen gelitten – nun wollen die Initiatoren einen Ort schaffen, der einem Gedenken an die Katastrophe gerecht werde, ohne eine klassische Gedenkstätte zu sein. „Wenn der Raum tatsächlich zugeschüttet würde, wäre das eine verlorene Chance“, sagt Otten.
Stattdessen könnte der entstehende Freiraum als Ausstellungshalle für Kunst und Kultur oder als Veranstaltungsort für Schulen und Vereine genutzt werden. „Bisher sind das aber nur mögliche Ideen“, sagt Otten.
„Wir haben diese Möglichkeit aufgenommen und prüfen sie nun“, sagt KVB-Sprecherin Gudrun Meyer. „Grundsätzlich kann man so etwas gegebenenfalls machen.“ Bereits mehrmals hat sich KVB-Chef Jürgen Fenske mit den Initiatoren, zu denen neben mehr als 20 Ehrenamtlichen auch der Kölner Architekt Peter Busmann zählt, getroffen und ausgetauscht. Nun haben die Verkehrsbetriebe einen Gutachter beauftragt, der prüfen soll, inwieweit die Statik des Bauwerks einen solchen Raum möglich machen würde.
KVB befürchtet Probleme mit der Statik
In einem Schriftwechsel mit der Initiative bescheinigte bereits 2011 das Büro von Rolf Sennewald, der das Gleiswechselbauwerk als Prüfingenieur für die KVB begutachtete, dass eine Auskleidung des Raumes nach Prüfung „theoretisch möglich ist.“ Eigentlich hat die Verfüllung des Raumes allerdings einen wichtigen statischen Hintergrund, erklärt KVB-Sprecherin Meyer: „Weil das Bauwerk im Grundwasser liegt, muss es gegen Auftrieb gesichert werden. Die Verfüllung würde zur Auflast dienen.“ Fiele diese Last weg, müsste das Bauwerk auf andere Weise gesichert werden – zum Beispiel mit einer Verankerung per Bodenplatte im Erdboden, sagt Meyer. Laut der Einschätzung von Prüfingenieur Sennewald aus dem Jahr 2011 sei die Auftriebssicherheit aber auch „bei einer reduzierten Erdauflast ausreichend“. Dieser Einschätzung widerspricht die KVB nun – Die Sicherheitsanforderungen hätten sich binnen der Jahre verändert, zusätzliche Baumaßnahmen seien unbedingt vonnöten.
Doch selbst wenn die Statiker grünes Licht geben, bleiben Fragen offen: Wer zahlt die Auskleidung des Raumes? Über welchen Zugang soll die Halle betreten werden können? Wer kommt auf für die Kosten für Brandschutzmaßnahmen, Lüftungsanlagen und Stromleitungen? Wer soll den Raum dauerhaft bewirtschaften?
Laut KVB würden die Kosten für eine Verfüllung „deutlich unter 100000 Euro“, eine Umfunktionierung des Raumes nach den Plänen der Initiative „grob geschätzt“ bei einem mehrstelligen Millionenbetrag liegen. „Wir wissen, dass es ein weiter Weg bis zu einer möglichen Umsetzung unserer Idee ist“, sagt Günter Otten. Er verweist aber auch auf Beispiele in Düsseldorf und München, wo entstandene Leerräume beim Tunnel- und U-Bahn-Tunnel-Bau heute ebenfalls als Kunsthallen genutzt werden.
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Bei der Gedenkveranstaltung zum neunten Jahrestag des Einsturzes stellten die Initiatoren Henriette Reker das Konzept erstmals vor – die Oberbürgermeisterin bewertete die Idee aber bisher nicht. „Wenn die Baumaßnahmen abgeschlossen sind, wird über ein adäquates Gedenken entschieden“, sagt Stadtsprecherin Inge Schürmann. Es sei klar, dass ein solcher Ort des Gedenkens in das Bauwerk integriert und dafür entsprechende finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden sollen. Die Idee von „Archivkomplex“ will die Stadt allerdings nicht kommentieren. „Dafür ist es noch viel zu früh“, so Schürmann. „Noch stehen wir an einem Tatort.“