Der Karneval ist nicht die geeignete Bildfläche, um mit einem kulturellen Radiergummi die Vergangenheit zu bereinigen.
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Kölner KarnevalIndianer-Debatte lenkt vom eigentlichen Rassismus-Problem ab
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Ein Mann hält ein Kostüm zur Verkleidung als Indianer in der Hand.
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Wäre es 1492 nicht zu einem der größten Irrtümer der Seefahrt gekommen, gäbe es die aktuelle „Indianer-Debatte“ wahrscheinlich gar nicht. Aber Christoph Kolumbus hatte damals nicht Indien, sondern Amerika entdeckt.
Nur so kommt es, dass 532 Jahre später ein jeckes Volk auf der anderen Seite des Ozeans den Umgang mit der indigenen Bevölkerung diskutiert: Die kölsche Band Brings spielt ihr Lied „Indianerland“ nicht mehr, weil es zu Missverständnissen kommen könnte. Das ist einerseits nachvollziehbar, bedeutet im Umkehrschluss allerdings nicht, dass es nun eine Art Indianer-Verbot im Karneval gibt. Die Entscheidung von Brings ist jedoch ein Statement.
Brings spielt das Lied „Indianerland“ nicht mehr
Zuvor hatten schon Kollegen wie die Höhner gehandelt: Sie verzichten auf ihr Lied „Immer freundlich lächeln“, in dem Chinesen als stets lächelnde und naive Figuren aufs Korn genommen werden. Das hat nichts mit Selbstzensur zu tun. Es ist richtig, wenn Künstler auf ihr Repertoire schauen und sehen, welche Songs womöglich heute nicht mehr angemessen oder aus der Zeit gefallen sind.
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Die Rufe aus der Stammtisch-Ecke, man dürfe heute nicht mehr alles sagen, sind dagegen Unsinn. Gerade der Karneval braucht die sprichwörtliche Narrenfreiheit. Dem Anarchischen dieses Brauchtums darf keine Grenzen gesetzt werden, betont auch Peter Brings zu Recht. Gleichwohl gilt es, dass dabei bestimmte Gruppen in ihren Gefühlen nicht verletzt oder offen diskriminiert werden.
Zugegeben, die Wahl der Kostümierung kann dabei eine Rolle spielen. Sich nun aber ausgerechnet an einem Tag wie dem 11.11. moralinsauer und sittenstreng auf das zeitweilige Verhalten von Jecken zu konzentrieren, die sich zum Beispiel als Indianer verkleidet haben, lenkt vom wahren Problem des Alltagsrassismus in unserer Gesellschaft ab. Generationen von Kindern sind mit Geschichten über die Ureinwohner Amerikas aufgewachsen, ohne dass ein diskriminierender Hintergedanke dabei war.
Der Karneval ist nicht die geeignete Bildfläche, um mit einem kulturellen Radiergummi die Vergangenheit zu bereinigen. So ist auch das Lied der Bläck Fööss „Indianer kriesche nit“ aus dem Jahr 1980 im Kontext der Zeit zu verstehen. Dabei geht es gar nicht um Indigene, sondern die Kritik an den Geschlechterrollen: „Als Junge weint man nicht.“ Ebenso ist der 46 Jahre alte Höhner-Klassiker „Blotwoosch, Kölsch un e lecker Mädche“ nicht das drängendste Problem beim Thema Gleichberechtigung. Kölsche Karnevals-Lieder dienen in erster Linie der Unterhaltung. Für mehr fehlt – mit Verlaub – auch oft der Tiefgang.