Das Projekt „Karneval für alle“ setzt sich für inklusive Teilhabe am Karneval ein. Dafür gab es beim Rosenmontagszug eine eigene Bühne.
„Karneval für alle“Menschen mit Beeinträchtigung verfolgten Rosenmontagszug an LVR-Bühne
Den Kölner Karneval ausgiebig und mit allen Sinnen zu feiern – das bedeutet jedes Jahr aufs Neue für die allermeisten Menschen, die bunten Kostüme zu bestaunen, Karnevalsmusik zu hören, gemeinsam zu schunkeln und zu tanzen. Doch wie erleben Menschen Jecken die Session, die körperlich beeinträchtigt sind - die taub oder blind sind, oder im Rollstuhl sitzen?
Das Projekt „Karneval für alle“ des Landschaftsverbands Rheinland (LVR) ist dafür ins Leben gerufen worden: Um Menschen mit körperlicher und geistiger Behinderung die Teilhabe an der „fünften Jahreszeit“ so einfach und so selbstverständlich wie möglich zu machen.
Rosenmontag: Die inklusive LVR-Bühne hat Platz für 90 Personen
„In diesem Jahr ist inklusive LVR-Bühne mit Platz für 90 Personen, darunter 20 Menschen in Rollstühlen, zum elften Mal in Köln direkt am Umzugsweg errichtet worden“, sagt Ellen Petry, Leiterin des Projekts „Karneval für alle“ des LVR, kurz bevor am Rosenmontag „D'r Zoch“ in der Innenstadt erwartet wird. Am Rosenmontag sind es vor allem Sehbeeinträchtigte, tags zuvor haben Menschen mit eingeschränktem Hörvermögen die Plätze auf der LVR-Bühne sowie auf der Bühne der Rhein-Energie nebenan besucht und mit Moderationen in Gebärdensprache die „Schull- un Veedelszöch“ verfolgt.
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Zusammen mit Partnern wie dem „Festkomitee Kölner Karneval“ und dem Verein „Freunde und Förderer des Kölnischen Brauchtums“ sowie mit Unterstützern wie der Rhein-Energie und dem 1. FC Köln wachse das Projekt kontinuierlich in jedem Jahr weiter, sagt Petry. Es gebe deutlich mehr Nachfrage als Plätze, berichten Petry und ihr Team.
Mit Begleitern und Helferinnen stehen viele der LVR-Bühnengäste am Rosenmontag bereits Stunden vor Zugbeginn vor dem Einlass zu der inklusiven Bühne, die 2024 direkt unter dem Reiterdenkmal auf dem Heumarkt platziert ist. Premium-Plätze, die die Besucherinnen und Besucher – das Glück beim Ergattern der Karten dafür vorausgesetzt – sogar kostenfrei erhalten haben.
„Das ist eine tolle Gelegenheit, den Rosenmontag mittendrin und hautnah zu erleben“, freut sich Carola Arndt, die mit Sohn Jonas und Ehemann Erik gekommen ist. Die Frau aus Euskirchen hat vor 17 Jahren die Diagnose Multiple Sklerose (MS) erhalten, eine Erkrankung des zentralen Nervensystems. Arndt sitzt seit vielen Jahren im Rollstuhl. „Den Karneval in Köln lasse ich mir aber nicht entgehen“, sagt die 47-Jährige am Montag.
Für Menschen im Rollstuhl geht es vor allem um Barrierefreiheit und Rücksichtnahme
Zum siebten Mal ist Arndt mit der Familie vor Ort, um den „Zoch“ zu erleben. Barrierefreie Toiletten, einfache Zugänglichkeit und erhöhte Rücksicht anderer Menschen sind für die Euskirchenerin die wichtigsten Kriterien, die ihr und anderen Menschen im Rollstuhl eine schöne Teilhabe ermöglichten, sagt sie. „Unsere Karten haben wir kurz vor Weihnachten gekauft und wir sind sehr glücklich, dass es geklappt hat und wir jetzt hier sitzen können.“ Den Extra-Aufwand mit Start der Zugfahrt um 8.30 Uhr aus Euskirchen hat die Familie gern auf sich genommen.
Ein paar Meter weiter stehen - komplett als in rot und weiße Narren verkleidet – Jacqueline und Fabian Hugo aus Köln. Die beiden haben ein Kölsch in der Hand und schunkeln leicht zum Takt der Musik. Beide lächeln und genießen die „aufregende Vorfreude“, wie Fabian Hugo sagt.
Netze schützen blinde Personen vor Kamelle
Nur vier Prozent Sehkraft hat der 26-Jährige, und das von Geburt an. „Die Krankheit heißt Aniridie und ist erblich, meine Mutter hat sie auch“, sagt Hugo. Der bekennende und langjährige FC-Fan ist heute zum ersten mal beim Rosenmontagszug. „Die Orientierung ist für mich als blinde Person natürlich die Hauptaufgabe“, sagt er. Dazu komme ein Sicherheitsgefühl, das wichtig sei, denn etwa Kamelle, die nicht rechtzeitig wahrgenommen würden, könnten für ihn gefährliche Wurfgeschosse sein.
„Müll und andere Hindernisse sind natürlich auch mögliche Probleme für mich“, sagt er. Dass die LVR-Bühne, die teils mit Netzen versehen und barrierefrei ist, diese Hürden ausräumt, lässt das junge Ehepaar den Rosenmontag genießen. Und als um 12 Uhr auch noch der Manager seinen geliebten Fußballvereins, FC-Präsident Werner Wolf, persönlich die LVR-Bühne besucht und mit Begleiterinnen und Begleitern des Teams „schöne FC-Schals, damit hier niemand von Ihnen friert“, verteilt, strahlt Fabian Hugo noch mehr.
1. FC Köln: Präsident Wolf sichert zu, Projekt weiter zu unterstützen
„Es ist uns vom Verein und allen in Köln ein Anliegen, dass sie hier dabei sind und ganz normal den Karneval mitfeiern können“, sagt Wolf. Der Direktorin des LVR, Ulrike Lubek, sichert der FC Präsident noch vor den 200 Gästen auf der Bühne zu, dass sein Verein künftig weiter dabei mitwirken und finanziell unterstützen werde, um „dieses tolle Angebot in Zukunft noch zu erweitern“.
Dann ist es nicht mehr lange, bis der Zug eintreffen soll, die Gäste nehmen ihre Plätze ein. Rollstühle direkt vorn in zwei Reihen am Absperrzaun. Dahinter Sitz- und Stehplätze für die Menschen mit Sehbeeinträchtigung. Sie alle erhalten kleine Ohrstöpsel, die sie direkt mit den Mikrofonen der beiden Moderatoren des Tages verbinden. Sportbotschafterin und Fernseh-Moderatorin Shary Reeves vom WDR sowie Wolfgang Gommersbach.
„Ach, ein alter Bekannter“, scherzt Fabian Hugo, als der Blindenreporter des 1. FC Köln die Menschen begrüßt. Dessen Stimme hat er schon oft bei den Heimspielen seines FC im Stadion gehört, die er regelmäßig mit anderen Sehbehinderten besucht. Sogar die Sonne kommt jetzt heraus und wärmt die Jecken, die unter dem Reiterdenkmal voller Vorfreude auf die ersten Wagen warten.
Weitere Informationen zu dem inklusiven Karnevalsangebot des LVR auf den Internetseiten des Projekts.