Auf den Kölner Karnevalsbühnen sind Frauen nach wie vor die Ausnahme. Die vier Profi-Musikerinnen von Mätropolis (frei übersetzt: „Mutterstadt“) wollen das ändern. Wir haben mit Sängerin Linda Teodosiu und Drummerin Trish Ross gesprochen.
Kölsche FrauenbandMätropolis will den Karneval aufmischen
Wie ist es zu Mätropolis gekommen?
Linda Teodosiu: Unsere Gitarristin Johanna Eicken hat mich angerufen und fragte, ob ich Lust hätte, an einem Karnevalsprojekt mitzumachen. Es hat eine längere Pause gegeben, und ich habe gesagt: „Ja, warum eigentlich nicht.“ Ich bin Kölnerin, und meine Mutter war lange sehr aktiv im Karneval (Belinda Haarhausen startete 1970 als Fünfjährige im Karneval als Sängerin, Anm. der Red.). Ich mag die Kölsche Sprache sehr.
Woher kannten Sie sich?
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Trish Ross: Jo und ich waren bei Rockemarieche. An dem Tag, an dem klar war, dass die Band aufhören würde, haben wir beide beschlossen, dass wir unbedingt in dieser kölschen Szene weitermachen und etwas Neues aufbauen wollen. Dann kam Jenny dazu, die Jo von Produktionen kannte, und wir brauchten noch eine Sängerin. Jos Schwester ist mit Linda bei Peter Maffay unterwegs, und Jenny hatte ein Video gesehen, in dem Linda Kölsch spricht. Darum haben wir sie einfach mal angerufen.
Teodosiu: Ich habe zu Corona-Zeiten mit meiner besten Freundin so ein paar Comedy-Sachen gemacht auf Instagram. Ein Video war auf Kölsch. Gott sei Dank habe ich das gemacht damals (lacht).
Klingt, als hätten Sie richtig Lust …
Teodosiu: Klar, sonst würde ich das nicht machen. Für halbe Sachen habe ich keine Zeit. Das ist Investition und „Bockheit“ (lacht). Die Mädels sind super, wir ergänzen uns sehr gut. Ich lerne wahnsinnig viel.
Zum Beispiel?
Teodosiu: Musikalisch bringt mich das horizontal weiter. Ich habe noch nie in einer Band gearbeitet. Ich bin zwar fester Bestandteil der Maffay-Band, singe Duette mit ihm. Aber eigentlich bin ich Chor-Sängerin, Background, wenn man ehrlich ist. Ich kann da nicht sagen, ich hätte das gerne so und so. Es ist nicht mein Projekt. Und im Cover-Bereich – ich mache viel mit meinem Papa, dem Saxofonisten Flavius Teodosiu, ist das ähnlich. Aber in einer Band herrscht Demokratie. Das ist super. Ich rede gerne über mich wie gerade jetzt, aber ich muss mir immer vergegenwärtigen, dass das ein Wir ist in der Band. Das holt mich zurück auf den Boden. Super.
Das Besondere an Mätropolis ist ja, dass es eine reine Frauenband ist.
Teodosiu: Jaaaaa! Das wurde doch auch Zeit.
Warum gab es das so bisher nicht?
Ross: Gute Frage. Ich glaube, es fehlt an repräsentativen Beispielen, dass andere Frauen sehen, dass das geht. Dass das nicht nur Jungs sein müssen, die auf der Bühne rumhüpfen. Dass es Bock macht und möglich ist, auch für Mädels. Dann wird das einen Schneeballeffekt haben und immer mehr werden. Da bin ich überzeugt von.
Rockemarieche war eine Rockabilly-Band, die dann auch im Karneval gespielt hat. Wie ist das bei Ihnen?
Teodosiu: Wir wollen eine Kölsche Band sein und erstmal machen. Und gar nicht so viel drüber nachdenken.
Ross: Die Kölsche Szene, die so im Karneval stattfindet, ist ja supercool. Die leben alle hier, man kennt sich und trifft sich in den gleichen Clubs. Miljö haben uns direkt bei „Mol die Veedel bunt“, dem Song für das „Arsch huh“-Album, mitmachen lassen. Toller Song, wichtige Botschaft. Und als Vorgruppe haben sie uns dankenswerterweise auch engagiert. Das ist schon eine Szene, in der wir stattfinden wollen. Karneval ist ein Ziel, aber nicht das ausschließliche.
Ist ja auch ein Unterschied, ob man im E-Werk spielt oder im Gürzenich.
Teodosiu: Klar. Ich muss zugeben, dass ich auch ein bisschen Angst hatte vor den Reaktionen der Leute. So nach dem Motto: Was machst denn du jetzt? Kölsch? Aber die ersten Reaktionen auf unsere Single „Hingerm Horizont“ sind echt schön. Aus Hamburg haben mir Mädels geschrieben, dass sie jetzt Kölsch lernen wollen, um alles zu verstehen. Süß. Ich finde, es sollte egal sein, in welcher Sprache man singt. Es muss dich treffen. Wenn du es fühlst, ist alles gut.
Für einen rockigen Song ist Kölsch doch perfekt.
Ross: Ja, der Singsang ist ähnlich wie im Englischen, das funktioniert gut.
Teodosiu: Funktioniert, ja, aber es gibt Stolpersteine. Glück. Jlück. Fürchterlich. Ich habe das fünfzigmal hintereinander singen müssen, und es funktionierte nicht. Martin hat uns dann den Tipp gegeben, man müsse nur ein e dazwischen setzen. Jelück. Und das dann ganz schnell aussprechen. (lacht) Jetzt geht's.
Ross: Wir hatten einen Coach, damit Linda das Kölsch perfekt singt. Martin Buss von Mätes & Bätes spricht ein sehr schönes Kölsch. Wir beide sind mit ihm alle Texte durchgegangen und haben Fehler gesucht.
Teodosiu: Uns war das ganz wichtig. „Liebchen, dat muss perfektes Kölsch sinn“, hat mein 91-jähriger Opa gesagt. Recht hat er.
Als Sie 2008 bei DSDS waren, waren sie noch sehr jung …
Teodosiu: Im Casting 15, dann bin ich 16 geworden.
Das war wahrscheinlich sehr aufregend. Aber wenn man jetzt vor den etablierten Herrschaften in der Flora auf dem Vorstellabend des Festkomitees spielt, wie ist das?
Teodosiu: Ganz ehrlich, ich habe mir fast in die Botz gemacht. Das ist echt was anderes. Bei DSDS waren das Songs, die ich kenne. Die singe ich so (schnippt mit dem Finger) runter. Aber unsere Sachen, das ist wirklich was anderes. Eigene Songs, die noch kaum einer kennt. Dazu die Sprache, die man außer mit dem Opa sonst nicht spricht. Ich bin jedes Mal aufgeregt. Hinzu kommt dieser schnelle Aufbau. Das muss sich ja alles erst einspielen mit den Technikern und dem Team. Zwischen 30 Sekunden und zwei Minuten ist dafür nur Zeit. Und du denkst: Hoffentlich geht das gut, hoffentlich kommt da ein guter Sound raus, hoffentlich, hoffentlich, hoffentlich. Hoffentlich merkst du dir den Text (beide lachen).
Ross: Erzähl das ruhig …
Teodosiu: Beim Festkomitee haben wir auch „Regel nicht kapiert“ gespielt, ein Song, der gerade erst fertig geworden ist. Und ich hab den Text anfangs vergessen. Egal, ich bin runter von der Bühne ins Publikum, hab gelabert und gedacht, beim Chorus komme ich schon wieder rein. (lacht)
Ich war da. Ist nicht aufgefallen, weil keiner den Song kennt.
Ross: Genau, aber wir kamen auch aus „Mam“, der Song mit der Geschichte von Linda und ihrer Mutter, das war sehr emotional, und dann braucht man eine Minute, um wieder runterzukommen. Das ist in der Karnevalsatmosphäre schwierig.
Als Sie bei Miljö im E-Werk als Vorgruppe aufgetreten sind, hatten Sie mehr Zeit dafür.
Teodosiu: Da hatten wir auch mehr Songs. Aber das war unser erster Auftritt, meine Mutter stand direkt neben der Bühne, und ich hab nur noch geheult. Ist halt ein sehr emotionaler Song, ich habe jedes Mal Tränen in den Augen, wenn ich den höre. Ich hoffe, das bleibt so. Ein normales Set dauert 20 bis 25 Minuten.
Was spielen Sie?
Ross: Wir starten mit „Hingerm Horizont“, unserer Single. Dann kommt „Wie ich bin“, das geht auch gut nach vorne, mit ordentlich Tempo. Dann kommt „Fiästa“, das sollte man sich merken, das wird im Januar die zweite Single. Danach würden wir „Mam“ spielen, dann „Kölsch, Gin, Ruude Wing“ und zuletzt „Regel nicht kapiert“ - zum knubbele.
Wie arbeiten Sie an neuen Songs?
Ross: Mal ist ein Inhalt zuerst da, mal ein Gitarrenriff. Wir treffen uns oft und tauschen uns aus. Wir sind eine Band und schreiben zusammen. Wir haben uns mit Nico Gomez und Mo-Torres im Studio verabredet und zwei Tage lang Writings gemacht. Da sind „Wie ich bin“, „Mam“ und „Hingerm Horizont“ entstanden.
Teodosiu: Es gab ein vorbereitetes Playback von Jenny, unserer Produzentin und Bassistin. Ich war dann beim Autofahren auf den Pre-Chorus gekommen und habe ihn als Sprachnotiz an die anderen geschickt. Trish hatte an dem Studio-Tag die Idee mit dem Horizont. So kam eins zum anderen.
Haben Sie vorher schon eigene Songs gesungen?
Teodosiu: Die eine oder andere Nummer auf Englisch. Die erste deutsche Nummer war „Du lebst mich kaputt“ mit Gentleman. Aber dann lange Zeit nichts mehr. Ich habe mich nicht getraut, hatte Angst, zu versagen. Es ist bescheuert, denn man kann nicht versagen in der Musik. In erster Linie macht man das für sich. Man sollte Musik niemals – bitte dick unterstreichen – niemals nur für den Erfolg machen. Der Erfolg kommt wenn durch Glück, Zufall, durch was auch immer. Und weil die Nummer gut ist und die Leute anspricht. Aber das kann man nicht planen. Viele junge Künstlerinnen und Künstler sagen: Ich will berühmt werden. Das ist die Intention? Okay. Bei uns jedenfalls nicht. Wir haben Spaß, Lust auf die Szene und große Freude daran, gemeinsam etwas Neues zu kreieren. Kasalla und Cat Ballou haben den Karneval aufgemischt mit modernen Pop-Rock-Songs.
Brings war vorher.
Teodosiu: Niemand kann Brings überbieten, die sind Mega, meine Lieblingsband. Aber ich rede von den letzten zehn, elf Jahren. Unsere Sachen sind einen Tick funky angehaucht. Das gibt es, glaube ich, noch nicht so bisher. Die Songs übertragen unsere Stimmung. Das geht oft auf die Zwölf.
Ross: Das Schöne in der Session ist ja, dass man als Musikerin genremäßig übergreifender sein kann. Da muss kein Stempel drauf wie Heavy Metal oder Pop oder Funk. Wir sind ja ganz am Anfang. Das ausleben und auch mal in eine andere Kiste greifen können, ist für uns Musikerinnen eine tolle Möglichkeit.
Teodosiu: Wir wissen oft gar nicht, wohin die Reise geht. Das merken wir erst beim Schreiben. Aber „Regel“ geht in die richtige Richtung.
Wie ist das mit den Erwartungen? Wenn man „Linda Teodosiu“ googelt, kommt auf einschlägigen Websites „Freund? Tattoos? Geld?“ …
Teodosiu: Oh mein Gott. Owei, owei, owei (lacht) …
Ross: Man sollte niemals seinen Namen googeln.
Teodosiu: Ich habe tatsächlich keine Erwartungen. Das ist genau der Grund, warum ich lange nichts gemacht habe. Weil meine Erwartungen viel zu hoch waren. Falsch waren. Musik einfach machen. Dann sieht man, ob’s funktioniert. Und selbst wenn es nicht funktioniert, ist es ein Erfolg, weil du etwas für dich gemacht hast. Ein Stückchen mehr von deinem Selbst gezeigt hast. Und dann macht man weiter. Ich wusste lange nicht, was ich will. Ich fühle mich zum ersten Mal richtig wohl mit der Musik. Als wir die ersten Songs gemacht haben, habe ich das gemerkt. Und meine besten Freundinnen haben gesagt: „Wow! Du klingst das erste Mal richtig authentisch“. Ich fühle mich echt wohl mit den Mädels. Mal gucken, wohin die Reise geht.
Ross: Wir spielen am 15. und 18. Dezember als Support von Kasalla im Gloria und sind im kommenden Sommer bei „Jeck im Sunnesching“ dabei. In der Session haben wir schon fast 80 Auftritte.
Teodosiu: (lacht) Wir sind sehr gespannt auf die erste Herrensitzung. Die mischen wir mal richtig auf.