Fast 70 Menschen hatten die Schwestern Audrey und Lisa Knopp auf der Severinstraße zu Gast. Wir waren an Rosenmontag dabei.
Kamelle fliegen durchs FensterSo läuft eine Kölner Wohnzimmerparty am Rande des Rosenmontagszugs
Wenn der Kölner einen Wunsch freihätte, was würde er sich wünschen? Weniger Baustellen in der Stadt, vielleicht. Einen FC, der mal nicht gegen den Abstieg spielt, schon möglich. Eine Wohnung am Rande des Rosenmontagszuges, in der man feiern und „Zoch“ gucken kann – ganz sicher!
Seit acht Jahren feiern die Schwestern auf der Severinstraße
Rosenmontag-Morgen, kurz vor zehn Uhr, Severinstraße. Audrey und Lisa Knopp haben eine solche Wohnung am Rande des Zugweges ergattert. Die Schwestern wohnen am Anfang der „Vringsstroß“, wie der Kölner sie nennt. Seit acht Jahren feiern sie hier am Rosenmontag, dieses Mal sind sie als „Bananas in Pyjamas“ verkleidet, die Figuren stammen aus einer Kinderserie aus den 90er-Jahren. In ihrer Wohnung feiern sie mit Familie und Freunden.
Am Rosenmontag keine Party auszurichten, kommt für beide nicht in Frage. Frei nach dem Motto: eine Wohnung am Zugweg verpflichtet. „Ich glaube, heute kommen so 60 bis 70 Leute über den Tag verteilt“, sagt Audrey. „Doch so viele?“, fragt Lisa. „Ja, heute Morgen haben noch so viele geschrieben, dass sie noch jemanden mitbringen“, sagt Audrey. Lisa zuckt mit den Schultern. „Ja gut. Dann kommt das hin.“ Das nennt man dann wohl kölsche Gelassenheit.
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Dazu kommt einiges an Vorbereitung. Das Treppenhaus und die Stufen in der Maisonette-Wohnung haben die beiden komplett mit Folie abgeklebt, die zum Saubermachen am nächsten Tag einfach nur abgezogen werden muss. Das Sofa im großen Wohnzimmer haben sie verrückt, damit alle drei Fenster mit Blick auf die Severinstraße frei sind.
Und an der offenen Küche haben die Schwestern ein riesiges Buffet aufgebaut. Zusätzlich zu den unzähligen Salaten, Snacks und Kuchen stehen auf dem Herd außerdem noch Würstchen, mit denen sich jeder Gast einen Hotdog zubereiten kann. Sogar in vegetarischer Variante.
Ungebetene Gäste werden draußen abgewiesen
Unten vor dem Hauseingang wechselt Vater Dieter gerade das Kölsch-Fass, das auf einem Stehtisch platziert ist. Vom Wohnzimmer schnell nach unten an den Zugrand wechseln zu können, ist wohl der größte Vorteil einer Wohnung auf der Severinstraße – und das eigene Badezimmer natürlich. „Da muss man schon aufpassen, dass nicht ständig jemand Fremdes ins Haus läuft, der mal die Toilette benutzen will“, sagt Dieter. Aber nach all den Jahren an der Severinstraße weiß die Feiergesellschaft, wer dazu gehört und wer nicht.
Die Gruppe ist dabei Kölsch im besten Sinne, also bunt. Neben allen Generationen feiert die Familie Knopp auch international: Mutter Christine ist Französin, ihre Schwester Beatrice hat den Niederländer Harry geheiratet, türkische Jecken sind genauso dabei und ein mexikanischer.
Der Frankreich-Bezug der Familie spiegelt sich im Wohnzimmer an fast jeder Wand: Paris-Schriftzüge, ein Eiffelturm-Bild, und über der Küche steht „Cuisine“. Kerstin ist eine Cousine von Audrey und Lisa, mit Mann Micha und Sohn Jan feiert auch sie hier seit Jahren. „Den Zoch aus dem Wohnzimmer und unten an der Straße schauen zu können, etwas Besseres gibt es doch nicht“, findet sie.
Kamelle-Angeln aus dem Fenster
Die Nähe zum Zug hat auch ihre Tücken: Audrey hat eine Tafel Schokolade ins Gesicht geworfen bekommen, unter dem rechten Auge bleibt ein kleiner Schnitt zurück. Nach dem nächsten Kölsch ist der Schmerz zum Glück fast vergessen, und die Kinder machen ihre Kamellebüggel randvoll. Die Zwillinge Hilmican und Yunushan präsentieren stolz ihre Ausbeute. Inspiriert von den Nachbarn gegenüber, die zum Kamellefangen sogar Bettlaken vor ihre Fenster gespannt haben, wollen die Jungs sich jetzt aber an der nächsten Herausforderung versuchen.
Zusammen mit Micha knoten sie dafür eine Kordel an einen Regenschirm und seilen diesen aus dem Wohnzimmerfenster ab. Denn: So gut der Blick aus dem Fenster ist – für die meisten Zoch-Teilnehmenden ist das Wohnzimmer im zweiten Stock zu hoch, um die Kamelle bis auf das Sofa werfen zu können.
Von den hohen Wagen der Gesellschaften fliegt dann aber doch die ein oder andere Schokolade durchs Fenster: sowohl die Große Braunsfelder als auch die Pänz vun d’r Päädsbahn haben offensichtlich gute Werferinnen und Werfer in ihren Reihen.
Gegen Nachmittag wechseln dann deutlich mehr Jecke vom Straßenrand oben ins Wohnzimmer. Die Beine werden schwerer, Nadine und Verena checken in der Rosenmontagszeitung nochmal, wann denn nun endlich der Prinzenwagen kommt. „Es tut schon gut, mal 15 Minuten Pause auf dem Sofa zu machen“, meint Micha. Sagt es, schnappt sich das nächste Kölsch und läuft wieder nach unten.