In der Serie „Ab in die Bütt“ begleiten wir die Büttenredner-Newcomerin Vera Passy.
„Ab in die Bütt“Das lernen Nachwuchskünstler in der Akademie des Festkomitees
Mit weit ausgebreiteten Armen stolziert sie strahlend neben das Rednerpult und empfängt ihren Applaus. Auf ihr „Kölle“ antwortet das Publikum enthusiastisch „Alaaf!“ Man könnte meinen, „Et Vünkchen“ stünde im Gürzenich auf der Bühne, vor ihr Hunderte Jecke. So ist es aber nicht. Die Büttenrednerin, die eigentlich Vera Passy heißt, steht im Seminarraum der Akademie des Festkomitee Kölner Karneval am Maarweg. Vor ihr ein halbes Dutzend Jecke in Zivil.
Passy gehört zu den Nachwuchskünstlern des Literarischen Komitees und besucht dort in den Sommermonaten alle zwei Wochen die Rednerschule. Zu ihrem Publikum am Maarweg gehören neben anderen Nachwuchskünstlern etwa die Schauspielerin Beate Heinze und die beiden Scala-Chefs Ralf Borgartz und Arne Hoffmann sowie Dirk Zimmer alias „Willi“ aus dem Rednerduo „Willi & Ernst“.
Akademie bildet Büttenredner und Musiker aus
Vera Passy ist Schauspielerin, tritt unter anderem im Scala-Theater und in der Volksbühne auf. Aber auch der Karneval begleitet die im Oberallgäu geborene und im Rheinland aufgewachsene 42-Jährige schon ihr Leben lang. Vor zwei Jahren hat sie den Entschluss gefasst, sich auch als Büttenrednerin zu versuchen. Als „Et Vünkchen“ – ein tragisch gescheitertes Funkemariechen, das sich jetzt als Büttenrednerin versucht – will sie die Kölner Säle erobern. Dafür besucht sie die Akademie.
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Die Möglichkeit, vor der Feuerprobe im großen Saal erstmal vor wenigen ausgewählten Kritikern zu sprechen, ist Passy besonders wichtig: „Diese Reaktionen zu sehen, ist Gold wert.“ Lieber von freundlich gesinnten Dozenten und anderen Nachwuchskünstlern gut gemeinte Hinweise bekommen, als beim Vorstellabend vor den kritischen Blicken der Literaten ins kalte Wasser zu springen. Nadine Krahforst, Leiterin des Nachwuchsprogramms, sagt: „Die Akademie ist ein geschützter Raum.“ Seit 1824 werden hier Künstler „karnevalskompatibel“ gemacht. Zu den erfolgreichen Absolventen zählen etwa der 2022 verstorbene Fritz Schopps, besser bekannt als „Et Rumpelstilzje“, sein Sohn Martin Schopps, Marc Metzger alias „Dä Blötschkopp“ und die kölsche Band Klüngelköpp.
„Es gibt genug Nachwuchs, aber er muss auch die Chance kriegen, sich durchzusetzen“, sagt Krahforst. Die Gründe für die Schwierigkeiten von Nachwuchskünstlern im Karneval seien vielfältig. Einerseits buchen Karnevalsgesellschaften die Künstler für ihre Sitzungen oft lange im Voraus. Dann nach einem Vorstellabend kurz vor Sessionsauftakt noch jemanden einzubauen, ist nicht leicht, wenn man nicht von vornherein einen kleinen Slot für den Nachwuchs freilässt. Außerdem steigt auch der Druck auf die KGs: Die Kosten für die Sitzungen steigen, die Konkurrenz wird größer, weil mancher Jeck bei den hohen Ticketpreisen nicht mehr auf zehn, sondern vielleicht nur auf zwei Sitzungen geht. Um sich da durchzusetzen, wollen die Literaten möglichst bekannte Namen in ihrem Programm stehen haben und keine Risiken eingehen.
Wie holt man die Karnevalisten bei einer langen Sitzung zwischen Brings und Kasalla noch ab? Daran arbeiten die Dozenten bei den Rednerseminaren mit dem Nachwuchs. Ein Rezept dafür gibt es nicht. Aber einige Leitlinien schon. So müsse zum Beispiel die Witzdichte einer Büttenrede deutlich höher sein als die von Stand-up-Comedy. Bei Comedy-Shows kommen die Gäste schließlich gezielt für die Unterhaltung. Karnevalssitzungen sind lang, es gibt Kölsch, man unterhält sich und hört nur hin und wieder hin. Für Bands ist es etwas leichter, sich durchzusetzen, Redner müssen um die Aufmerksamkeit kämpfen, erklären Beate Heinze und Ralf Borgartz.
Beide unterstützen schon seit mehreren Jahren in der Akademie, sie wissen, dass der Karneval ein hartes Geschäft ist. Egal ob der Büttenredner als er selbst auftritt, wie etwa Guido Cantz, oder in einer Rolle, wie es Vera Passy als „Et Vünkchen“ macht: „Es muss authentisch sein“, sagt Heinze. Zum Handwerk gehören auch die richtige Körpersprache, Timing, der richtige Bühnenaufgang und -abgang. Und Sprache.
Eine Büttenrede muss nicht zwingend auf Kölsch gehalten werden, aber wenn, dann richtig. Bei Vera Passys Figur „Et Vünkchen“ ist die kölsche Sproch Pflicht. Als Nicht-Kölsche eine Herausforderung. „Ich halte bei allem, was ich neu schreibe, Rücksprache.“ Und zu Hause steht zum Nachschlagen im Bücherregal der „Wrede“ – das Kölsch-Standardwerk „Neuer kölnischer Sprachschatz“ von Adam Wrede.
Während Vera Passy in der Akademie ihre Rede hält und singt, muss sie sich auch das ein oder andere Mal in der Aussprache verbessern. Auf Kölsch reimen ist nicht einfach. An Bühnenpräsenz fehlt es ihr dafür gar nicht: „Das ‚Vünkchen‘ klingt erstmal so niedlich. Aber dann kommt da eine geballte Wucht auf die Bühne. Bam!“, erklärt sie ihre Figur. Und tatsächlich, „Et Vünkchen“ hat einen ordentlichen Wumms, auch wenn Vera Passy nur für ein halbes Dutzend spielt. „Und jetzt ruft nochmal alle mit mir vun Hätze: Kölle Alaaf!“