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Kölner KarnevalUmjubelte Premiere der schwul-lesbischen Röschen-Sitzung

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Die Moderatoren Mathias Brandebusemeyer (l.) und Marion Radtke (r.) feiern die Rosa Funken.

Köln – Mehr Frankreich geht kaum: Ludwig XIV. gibt sich die Ehre, Napoleon posiert mit einer Hand in der Weste, Asterix und Obelix gesellen sich dazu, ebenso Mireille Mathieu und eine lebensgroße Weinflasche, drei Frauen spielen mit Baguettes als Flöten die Marseillaise. Und nachdem acht Tänzerinnen zum Cancan ihre Röcke mit blau-weiß-roten Rüschen geschwenkt haben, formiert sich die ganze bunte Truppe zu Delacroix’ Gemälde „Die Freiheit führt das Volk“, auf dem Marianne, Nationalfigur der Französischen Republik, mit entblößter Brust die Trikolore schwingt.

Fulminant ist das Opening der Röschen-Sitzung, die im Kulturbunker in Mülheim vor ausverkauftem Haus Premiere hatte.

Röschen-Sitzung: Qualitätssiegel „100 % Hetero friendly“

„La Vie en Röse – Pariser, Prumme und Pailletten“ ist der Titel der schwul-lesbischen Karnevalssitzung. Zum Verständnis: „rösig“ ist das rheinische Wort für „rossig“ und bedeutet geil, und das kölsche „Prumm“ meint die Pflaume, ist aber auch eine unschmeichelhafte Bezeichnung für eine Frau. Souverän und locker führte das Moderatoren-Duo Marion Radtke und Matthias Brandebusemeyer durchs vierstündige Programm. Ergebnis der Handzeichen-Umfrage: Sehr viele Besucher kamen nicht aus Köln, und entsprechend dem Qualitätssiegel „100 % Hetero friendly“ waren zahlreiche Gäste nicht homosexuell.

Die Röschen-Sitzung, in der es „Aloha“ statt „Alaaf“ heißt und die als höchste Gunstbezeugung des Publikums ihre eigene Form der „Rakete“ hat, ist längst fester Bestandteil des Fastelovend. In diesem Jahr begeht sie ihr 25. Jubiläum – rechnet man die Jahre der „Rosa Sitzung“ dazu, aus der sie hervorgegangen ist. Cornelia Scheel, die als New Yorker Cop im Saal saß, wurde als Mitinitiatorin ebenso geehrt wie Maskenbildnerin Christina Paul.

Übersprudelnder Einfallsreichtum bei Karnevalssitzung

Was sich vor dem pittoresken Bühnenbild mit Boulangerie, „Café de la Rosette“ und einem gemalten Eiffelturm abspielt, beweist übersprudelnden Einfallsreichtum. Dada Stievermann, mit blonder Perücke und hellrosa Damenkostüm als Brigitte Macron ausstaffiert, wendet sich gegen den Hass in den sozialen Medien. Claus Vinçon klagt als frustrierte Gattin eines umtriebigen Roten Funken singend sein Leid, bevor er und Nina Moers als Öko-Geschwister die Plastikflut mit der schönen Idee geißeln, „Tu t’en vas“ mit „Tütenwahn“ zu übersetzen.

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Überhaupt schlägt das Programm viel Kapital daraus, französische Lieder oder solche mit Bezug zu Frankreich umzutexten. Stephan Runge singt auf „Oh, Champs-Élysées“ eine Hommage an den Hohenzollernring, aus Edith Piafs „Je ne regrette rien“ wird „Mein Köln am Rhein“, und zu den Noten von „Comment te dire adieu“ schmettert George Le Bonsai „Allein in Paris mit Gonorrhoe“. Für exzellente musikalische Begleitung sorgt die Frauencombo Abends mit Beleuchtung, die auch einen eigenen Auftritt hat. So mit einer Neufassung des Bläck Fööss-Hits „Fronkreisch“; als Kapellmeisterin fungiert Ela Querfeld.

Wütende Variation auf Sarah Connors Song „Vincent“

Zu den kritischsten Tönen zählt eine wütende Variation auf Sarah Connors Song „Vincent“, der 2019 wegen der Zeile „Vincent kriegt keinen hoch, wenn er an Mädchen denkt“ für Diskussionen sorgte; stimmgewaltig prangerte Moers an, Connor habe das Anliegen homosexueller Emanzipation für ihre Zwecke ausgeschlachtet. Erwähnt seien auch das kriminalistische Singspiel um einen Mord, den „Kommissar Migräne“ aufzuklären hat, die pantomimische Abwandlung des „Glöckner von Notre-Dame“, Karl Lagerfelds Lamento über die Eintönigkeit der Farben im Himmelreich sowie die Aufritte der Rosa Funken, ebenfalls im 25. Jahr, und der Tanzgruppen Burning Feet und Bochemer Prümmchen.

Nicht zu vergessen Ruth Schiffer als Prostituierte Irma la Duxe, die davon träumt, als Gegenstück zum Großbordell „Pascha“ einen „Biopuff“ für Frauen zu eröffnen, und auch Swanee Feels, die manch Zotiges zum Besten gibt und zur Musik von „La dernière valse“ singt: „Trink noch ein Gläschen Kölsch.“

Resttickets für die Sitzungen gibt es nur noch am 7., 14. und 23. Februar.