Köln – Solch eine Proklamation hat es noch nie gegeben. Ganz nach den Wünschen des WDR wurde das wichtigste Ereignis im gesellschaftlichen Kalender der Stadt auf ein reines Fernsehformat reduziert – mit wenig Publikum im Gürzenich und mit Beifall, der über einen Applaus-Operator zugespielt wurde.
Der Gürzenich wurde zum TV-Studio, in dem, schön auf Abstand, die Musiker des Orchestern Helmut Blödgen und vom Regimentsspielmannszug der Altstädter sowie die Standarten der Festkomitee-Gesellschaften aufgestellt waren – getragen von deren Präsidenten. Der Einmarsch der Tollitäten klappte erst im zweiten Versuch. Bei Texthängern oder Versprechern wurde die Szene kurzerhand wiederholt. Schön ist anders, aber davon werden die Zuschauer am Bildschirm nichts mitkriegen. Und darum ging es ja.
Das Dreigestirn
So wurden Prinz Sven I. (Sven Oleff), Bauer Gereon (Gereon Glasemacher) und Jungfrau Gerdemie (Björn Braun) von Oberbürgermeisterin Henriette Reker – in schlichten langen schwarzen Kleid – und Festkomitee-Präsident Christoph Kuckelkorn mit knappen Worten in ihre zweite Amtszeit eingeführt. Reker: „Ihr seid ein besonderes Dreigestirn. Denn eines, das zwei Sessionen regiert, hat es in der Geschichte des Karnevals noch nie gegeben.“ Die drei verrieten, dass die Enttäuschung schon sehr groß sei, aber „mer kritt uns nit kapott. Mir han Hoffnung op bessere Zigge. Mir stonn zesamme“. Dazu dankten sie musikalisch mit einer Ballade über Kindheitserinnerungen und aktuelle Gefühlslage: „All dat Jlöck, dat mir jefunge för ne koote Augenblick, jevven mir als kölsches Dreigestirn zuröck.“
Das Trifolium mutiert in seiner zweiten Session zum Teilzeit-Dreigestirn. Denn nach dem Video-Marathon der Lockdown-Session werden jetzt alle Termine aufs Wochenende gepackt: Montag bis Donnerstag geht’s ins Büro, Freitag bis Sonntag im Ornat hauptsächlich zu Sozialterminen in Kindergärten, Krankenhäuser, Alten- oder Pflegeheime. Da die drei zum grün-roten Traditionskorps der Altstädter zählen, das in diesem Jahr sein 100-jähriges Bestehen feiert, durften auch dessen Tanzpaar und zwölf Mitglieder aus deren Tanzkorps mit auf die Bühne.
Das Kinderdreigestirn
Anstatt mit 1500 jecken Pänz am Tanzbrunnen wurden die Mini-Tollitäten erstmals im Gürzenich proklamiert. Dort erhielten der kleine Prinz Felix I. (Diederichs), Kinderbauer Robin (Valentin Fischenich) und die Kinderjungfrau Helena (Baum) von Reker ihre Insignien, ehe sie mit einstudierten Tanzschritten ihr Motto-Lied „Alles hätt sing Zick“ sangen. Der Auftrittsplan fürs Kinderdreigestirn – die Pänz waren sichtlich glücklich mit ihren Rollen – ist derzeit noch in der Findungsphase, heißt es. Ziel sei aber, Köln zu entdecken und Farbe in die Stadt zubringen. So in den Zoo, ins Schokoladen-Museum oder mit einer mobilen Bühne zu Schulen und Kindergärten.
Die Redner
Reimredner Jörg Runge, ansonsten als „Tuppes vom Land“ unterwegs, trat zum Prolog an. Und Achnes Kasulke berichtete aus ihrem Putzfrauen-Alltag. Sie war auf Wunsch des WDR ins Programm gerutscht, da der Sender auch „Frauen im Karneval“ zeigen wollte. Musikalisch gab sich das „Herrengedeck“ – unter diesem Titel waren „Sitzungspräsident“ Volker Weininger, Martin Schopps und Jörg P. Weber in den vergangenen Monaten mehrfach zu dritt aufgetreten.
Das Trio sang live zu Webers Flitsch ein „Pandemie-Medley“ aus bekannten Melodien mit neuen Texten. So hieß es im „Stammbaum“-Evergreen der Fööss: „Ich bin d’r stolze Wildtyp,/ kohm mi’m Flejer noh Köln-Wahn./Un ich bin Covid Alpha/kam wat später – Deutsche Bahn/ Ich bin Delta, die Mutante,/Und ich bin Omikron./Ihr wollt Globalisierung –/Dat habt ihr jetzt davon!“. In Anlehnung ans Dreigestirn sangen die drei „Zweimol Prinz zo sin.“ Dazu sagt Weininger: „Wir singen, weil wir das als leichter empfinden in einem Saal ohne Zuschauer.“
Des Weiteren gab es Pointen vom „Hausmann“ Jürgen Beckers und von Jens Singer – der „Chauffeur der Kanzlerin“ bewarb sich als Fahrer fürs Dreigestirn. Da bekam nicht nur die große Politik einen mit, sondern auch die Kölner Oberbürgermeisterin. Wer auf der Pripo, wenn Reker in Champagnerlaune sei, keine Baugenehmigung bekäme, der sei selber schuld. „Schade nur, dass der FC nicht hier ist“, sonst gäbe es neben Geißbockheimerweiterung und neuen Plätzen sogar noch eine Hütte für Hennes extra, sagte Singer, der der OB anbot, den Fluchtwagen zu fahren.
Die Musik
Da Karnevalsveranstaltungen im Fernsehen ja vorrangig auf Wortbeiträge setzen, war das ursprünglich auf gut fünf Stunden angelegte Pripro-Programm noch mal verändert und zusammengestrichen worden. Und das betraf sowohl Nachwuchsgruppen wie Müller und Druckluft als auch etablierte Bands wie Domstürmer und Paveier, die nun nicht mehr dabei waren. Stattdessen gab es fernsehtaugliches Vollpayback.
Eine Ansage aus dem Off mit „Meine Herren, Achtung für die Musik – 3,2,1“ dürften die Bläck Fööss in 50 Jahren noch nicht erlebt haben. Bömmel Lückerath erzählte: „Den Oldie »De fünf Johreszigge« von 1979 haben wie eigens für heute im Studio neu aufgenommen.“ Auf Band gab es den noch mit Tommy Engel. Jeweils vier Songs spielten Cat Ballou und die Höhner.
Henning Krautmacher und Co traten in einem goldfarbenen Outfit an, wurden für ihr 50-jähriges Bestehen geehrt und sangen gemeinsam mit dem neuen Dreigestirn das Schlusslied: „Irgendwann sinn mer uns widder“.