In drei Akten zum karnevalistischen Höhepunkt: So lief die Proklamation von Sascha I.
OB Reker als HolzpuppeViel Theater rund um das Kölner Dreigestirn bei der Prinzenproklamation
„Jetzt tanzen alle Puppen, macht auf der Bühne Licht, macht Musik bis der Schuppen wackelt und zusammenbricht. Schmeißt euch in Glanz und Fummel und Vorhang auf, hallo!“
Das Intro der Muppet Show lässt sich sicher nicht 1:1 auf eine solch elitäre Veranstaltung im Kölner Karneval übertragen. Aber all die „Puppen“, die da auf der Bühne des „Nobel-Schuppens“ namens Gürzenich auf der Bühne standen, legten sich dafür mächtig ins Zeug. Passend zum Motto „Wat e Theater, wat e Jeckespill“ entpuppte sich die Prinzenproklamation vor 1300 geladenen Gästen zu einer Art Köln-Musical mit vielen bekannten Gesichtern der Stadtgesellschaft.
Allen voran Henriette Reker, die als Oberbürgermeisterin im Publikum schon ganz zu Anfang einstecken muss. Der Grund ist JP Weber, der in die Rolle des 1970 verstorbenen Sängers und Redners Horst Muys schlüpft. Der war für seine oft derben Sprüche teilweise gefürchtet – aus Protest verließ einst der damalige OB Theo Burauen den Saal.
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Pripro 2024: JP Weber wird als Horst Muys gefeiert
So weit kommt es an diesem Abend nicht. „Reker? Ist eine Frau, 'ne? Ich darf das fragen, wir sind ja in Köln“, legt der Redner los und freut sich ironisch auf Henriette Rekers Rede op Kölsch. Die Oberbürgermeisterin schaut ein wenig empört, scheint die Spitze gegen ihre oftmals belächelten Kölsch-Künste jedoch gelassen zu nehmen.
Webers Auftritt wird bejubelt wie kein anderer mehr von den Rednern. Als Horst Muyhs ist er so direkt wie Jecke am Stammtisch: „Köln sagt Dankeschön, viel zu lange Frau Reker“, singt Weber auf die Melodie von „40 Jahre die Flippers“ und meint mit „viel zu lange“ das Debakel um die Opernsanierung.
Am Ende gibt es Ovationen und Zugabe-Rufe, als der Redner seine Rolle ablegt, sich direkt ans Publikum wendet und mit den Tränen kämpft: „Der Kölner Karneval glaubt an Sie. Mein Name ist JP Weber und ich freue mich, ein Teil davon zu sein.“
„Himmel und Kölle“ mit Guido Cantz floppt
Danach wird es unruhig im Saal. Das Gastspiel des erfolgreichen Musicals „Himmel und Kölle“ mit Guido Cantz als sächselnder Taxifahrer zündet kein bisschen. Die Dialoge sind zu schnell und kommen im Saal schwer verständlich über die Mikrofone. Der Geräuschpegel nimmt auch nicht ab, als Bernd Stelter erstmals in der Öffentlichkeit seinen neuen Song „O Gott, o Gott, o Gott“ präsentiert. Ein Lied ist nur dann ein Karnevalslied, wenn das Publikum es beim zweiten Refrain mitsingen kann. Das weiß erst recht ein Profi wie Stelter, der wahrscheinlich selbst merkt, dass seine neue Nummer wohl nicht der nächste Hit werden wird.
Tünnes un Schäl aus dem Hänneschen-Theater haben es auch nicht leicht: Sie melden sich mehrfach zwischendurch in der Muppet-Manier von Waldorf und Stattler und geben ihren Senf zur Pripro. Die gut durchdachten, witzigen und urkölschen Dialoge sind jedoch aufgrund der schlechten Tonqualität vor allem in den hinteren Reihen kaum verständlich.
Passend zum diesjährigen Motto „Wat e Theater – wat e Jeckespill“ ist die Pripro zum ersten Mal in drei Akte unterteilt. Der erste gehört den Rednern, der zweite Akt widmet sich der Proklamation des Dreigestirns, der letzte Akt gehört dann ganz der Musik. Während es sonst immer einen Wechsel von Musik- und Wortbeiträgen gibt, sollte das neue Konzept auch dem WDR in die Karten spielen, der eine Aufzeichnung des Abends am Sonntag um 20.15 Uhr sendet. Offenbar hatte man sich erhofft, dass es die Redner einfacher haben, wenn sie nicht nach einer Top-Band auftreten müssen, wenn der Saal sich erst mal wieder beruhigen muss.
Was im Fernsehen gelingen mag, funktioniert im Saal leider überhaupt nicht. Da können sich die Akteure des Scala-Theaters noch so anstrengen, die eine verrückt-karnevalistische Castingshow für das nächste Dreigestirn präsentieren: Die Kölsche Klüngelshow „Wer ist Millionär“ – hier kann man kein Geld gewinnen, sondern muss welches mitbringen. Die Jury: Dr. Jens Hubertus von Bayenthal (Udo Müller), eine Parodie von Jorge Gonzales (Arne Hoffmann) und Christoph Schnuckelkorn (Ralf Borgartz). Doch gerade in den hinteren Reihen des Gürzenichs wird gequatscht.
Der Pate „Don Kuckelkorleone“ tritt im Kölner Gürzenich auf
Wenn ein Beitrag so manchem Jeck nicht zusagte, verließ er früher den Saal und unterhielt sich beim Kölsch im Foyer. Diesmal wird aber erst zu später Stunde ausgeschenkt. Dass es hinterher sogar Freibier im „Weinzwang-Saal“ gibt, als Cat Ballou, die Höhner und die Fööss zum Finale aufspielen, ist eine Überraschung.
Der Kölner Kabarettist Fatih Cevikkollu hat bei seinem Auftritt als „der Pate“ namens Don Kuckelkorleone viele gute Pointen, die aber im immer unruhiger werdenden Saal nicht richtig zünden. Sei es, als er über seine Migrationsgeschichte witzelt („Ich bin aus meiner Heimat Nippes nach Ehrenfeld ausgewandert“) oder sich im Gürzenich als absolute Minderheit ansieht: „Ich bin gebürtiger Kölner“.
Wie eine Erlösung mutet der zweite Akt des Theaters an, denn jetzt tanzen wirklich alle „Puppen“, vor allem die im hinteren Bereich im Saal, die Jecken der KG Treuer Husar, die „ihr“ Dreigestirn feiern, das für den Einzug rund eine halbe Stunde braucht. Die Kapelle spielt ein Lied nach dem anderen, das textsicher gefeiert wird. Das ist der traditionelle Karneval, den ein Pripro-Publikum liebt.
OB Henriette Reker proklamiert das Kölner Dreigestirn
Bevor es zum wichtigsten Moment des Abends kommt, tritt Oberbürgermeisterin Henriette Reker auf die Bühne – als Hänneschen-Puppe. Zum 222-jährigen Jubiläum des Theaters und passend zum Sessionsmotto hat Reker ihr Double aus Knollendorf mitgebracht, dem fiktiven Ort, in dem die Puppen des Hänneschen-Theaters auftreten.
„Leev Jecke“, sagt die Reker-Puppe, „so unterschiedlich mer hee auch sin, uns vereint: unsere Leev zu Kölle un zum Fasteleer.“ Sie wird ernst: „Wat auf der Welt passiert, dat is längst kein Jeckespill mih.“ Drei goldene Regeln verordnet Reker für die Zeit, in der das Trifolium die Stadt regiert: Erstens sollen die Karnevalisten über ihre Unterschiede hinweg schunkeln, zweitens sollen sie Lust auf Vielfalt haben, drittens soll der gemeinsame Stammbaum der Stadtgesellschaft geschätzt werden.
Und Reker fügt hinzu: „Es gibt weder in Knollendorf noch in Kölle Plaatz för Hass – un eine Besök im Dom lasse mer uns nit nemme!“ Reker, etwa zwei Stunden zuvor noch für ihre Pripo-Reden von JP Weber aufs Korn genommen, erntet jetzt stehenden Beifall. Auch das ist typisch kölsch: „Nix bliev wie et es.“
Kurze Zeit später überreicht Reker dem Dreigestirn die Insignien der Macht: dem Prinzen Sascha I. die Pritsche, Bauer Werner den Schlüssel und der Jungfrau Frieda den Spiegel. Das Dreigestirn ist proklamiert und regiert fortan über die Jecken der Stadt.
Es ist der wahre Beginn der großen Feier: Erstmals stammt das Trifolium aus einer Familie, alle tragen den Nachnamen Klupsch. Der Prinz ist das Kind der Jungfrau. Der Bauer der Bruder der Jungfrau. So hebt der Prinz in seiner Rede auch zum Loblied auf die Familie an: „Familie ist etwas Wunderbares, Familie gibt und Kraft und Zuversicht, Heimat Geborgenheit, und dieses Gefühl kennen wir Kölschen nur allzu gut.“
Wie schön Familie sein kann, zeigt ein kurzer, aber intensiver Moment im Dreiviertel-Takt: Sascha tanzt mit seiner Schwester Svenja, die Marie der Nippeser Bürgerwehr. Singen kann er auch noch, wie der Prinz eindrucksvoll zeigt, bevor die Treuen Husaren in voller Mannschaftsstärke auf die Bühne ziehen. Von jetzt an ist nur noch Party und Musik bis Mitternacht.
Ex-FC-Trainer Christoph Daum im Publikum
Auch zahlreiche Prominente singen lauthals mit: Karnevalslegende Ludwig Sebus erlebt die Pripro erstmals als Gast und nicht auf der Bühne. Zuvor auf dem roten Teppich erinnerte er sich noch gut an seine erste Proklamation im Jahr 1955. „Da war die Pripro noch im Williams-Bau. Da habe ich das erste Mal die Mainzer Hofsänger erlebt mit ihrem Lied ,So ein Tag so wunderschön wie heute'“, sagte er 98-Jährige. Der Song ging anschließend um die Welt.
Für Ex-FC-Trainer Christoph Daum ist die Prinzenproklamation „immer wieder ein absolutes Highlight der Stadt Köln“. Dem 70-Jährigen, der an Lungenkrebs erkrankt ist, gehe es „den Umständen entsprechend“. Karneval bedeute für ihn, dass er – „trotz der ganzen Probleme, die es überall gibt“ – die Momente nutze, „um mal abzuschalten“.
Der gesamte Abend nachzulesen im Liveblog zur Prinzenproklamation:
Auch FC-Altstar Toni Schumacher, Dombaumeister Peter Füssenich und Moderatorin Sabine Heinrich, der neue Polizeipräsident Johannes Hermanns und sein Vorgänger Falk Schnabel gehören zum Promi-Publikum. Ebenso wollten sich Vertreter der nordrhein-westfälischen Landespolitik die Pripro nicht entgehen lassen, wie André Kuper, NRW-Landtagspräsident, Mona Neubaur, die stellvertretende NRW-Ministerpräsidentin, Nathanael Liminski, NRW-Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Internationales und Medien und Chef der Staatskanzlei NRW sowie NRW-Innenminister Herbert Reul, der erst am Mittwoch von den Altstädtern zum Ehrenmitglied des Traditionskorps ernannt wurde.