Im Zülpicher Viertel spürt man die Erleichterung: So schlimm wie in den vergangenen Jahren war es nicht. Doch viele fragen sich, wie es jetzt weitergeht.
Zwischen Kater und ErleichterungSo geht es den Anwohnern im Zülpicher Viertel nach Rosenmontag
Die Absperrgitter stehen am Dienstmittag schon abholbereit am Straßenrand und auch die AWB hat schon ganze Arbeit geleistet. Von den Exzessen der Karnevalstage ist auf den Straßen nicht mehr viel zu sehen, nur vor der Herz-Jesu-Kirche liegt noch ein größerer Müllhaufen. Ansonsten kehrt langsam wieder der Alltag in das Zülpicher Viertel ein. Am Dienstag schwankt es zwischen Katerstimmung und Erleichterung.
Martin Nötzel und Alexander Weinziehr bilden da eine Ausnahme. Die beiden lehnen verkleidet am „Mäuerchen“, dem beliebten Feierabend-Treffpunkt der Studierenden, teilen sich eine Pizza und stoßen mit dem ersten Kölsch des Tages an. Die beiden, Anfang 40, wohnen mittlerweile in Aachen, aber weil sie hier studiert haben, kommen sie für die Karnevalstage immer wieder nach Köln zurück.
Karneval im Zülpicher Viertel: „Das war schon ein krasses Erlebnis“
Dieses Jahr sind sie bei einem Freund untergekommen, der auf der Zülpicher Straße wohnt: „Das war schon ein krasses Erlebnis“, sagt Nötzel. Damals, als die beiden noch studierten, sei der Karneval hier noch übersichtlicher gewesen, erzählen sie. „Vor allem, dass hier so ein Hochsicherheitstrakt errichtet wurde, hat mich schon geschockt“, sagt Weinziehr. „Aber das muss wohl so sein.“ Gefeiert haben sie lieber in anderen Veedeln.
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Fragt man Anwohnerinnen und Anwohner des Zülpicher Viertels, wie sie auf die Karnevalstage zurückblicken, berichten viele von Wildpinklern, Erbrochenem und Müll. Aber: „So schlimm, wie in den vergangenen Jahren war es dieses Mal nicht“, sagt die Verkäuferin in einer Boutique. Ein Satz den man öfter hört.
Tatsächlich hielt sich der Andrang auf das Zülpicher Viertel vergleichsweise in Grenzen. Die abgesperrte Feierzone erreichte laut Stadt nicht annähernd die Kapazitätsgrenze. Auch ein Sprecher der Polizei spricht von „vergleichsweise ruhigen Karnevalstagen“.
Anna Heller, Geschäftsführerin des Brauhauses „Hellers“, das in der Sperrzone des Zülpicher Viertels liegt, bilanziert: „Weiberfastnacht war okay, mittlerweile hat alles seine gewisse Routine bekommen. Vielleicht mittlerweile ein bisschen zu viel Routine. Wir müssen zum alten Zustand zurückkommen, ohne Gitter.“ Der Bühne auf dem Hohenstaufenring als Alternative müsse man „ein paar Jahre Zeit geben, um sich zu etablieren“. An den Folgetagen sei dann auf der Straße ein „anderes Publikum“ unterwegs als das, was in ihrem Laden feiert. „Nächstes Jahr lasse ich das Brauhaus an Rosenmontag geschlossen.“
Mit Kinderwagen und Beklemmungen durch das Zülpicher Viertel an Karneval
Auch Michael Neumann von der Bürgergemeinschaft Rathenauplatz ist nach den Karnevalstagen deutlich entspannter im Vergleich zu den Vorjahren. „Der Ansturm war durch den Regen sehr überschaubar, das war angenehm“, sagt er. „Die Stadt hat außerdem das erste Mal versucht, den Aachener Weiher und das angrenzende Wäldchen zu schützen“, berichtet Neumann. Darauf dürfe sich die Stadt nun aber nicht ausruhen, so Neumann. „Hier ist einiges aus dem Ruder gelaufen, so kann es nicht weitergehen. Durch die ganzen Absperrungen fühlen wir Anwohner uns wie in einer Art Kriegszustand.“ Alternativen, wie die neue Bühne am Ring, müssten weiterentwickelt werden.
Mika Schäfer wünscht sich ebenfalls, dass die Bühne am Ring eine zweite Chance bekommt. „Ich finde, das ist ein cooles Konzept. Das kann noch ein Erfolg werden“, glaubt sie. Gemeinsam mit ihrem dreijährigen Sohn und ihrer Frau sitzt sie am Dienstagmittag auf dem Spielplatz am Rathenauplatz, nicht weit entfernt von ihrer Wohnung. „Ich bin vor allem erstmal froh, dass offenbar nichts Schlimmeres passiert ist“, sagt sie.
Die jungen Leute, die hier an den Karnevalstagen feiern, nimmt sie in Schutz: „Ich finde es doof, nur gegen die jungen Leute zu wettern. Jeder feiert eben anders. Es braucht aber Alternativen, damit sich das Treiben entzerrt.“
Doch auch wenn sie für die jungen Feiernden hier Verständnis hat: „Für uns war das schon eine nervliche Herausforderung. Wenn man sich mit dem Kinderwagen durch eine Horde von Betrunkenen kämpfen muss, kriegt man schon Beklemmungen.“ Selbst die Kita ihres Sohnes, die auch hier im Veedel liegt, musste sich ein Sicherheitskonzept überlegen, damit keiner der Betrunkenen plötzlich in das Gebäude einfällt, erzählt Schäfer. „Da wünsche ich mir schon mehr Respekt und Rücksicht.“ Am Dienstag genießt Schäfer mit ihrer kleinen Familie erstmal die wieder einkehrende Ruhe – bis am Sessionsauftakt in neun Monaten wohl alles wieder von vorne anfängt.