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KarnevalKöln oder Düsseldorf – wer ist jecker?

Lesezeit 7 Minuten

Auf Tuchfühlung: Kölns Prinz und Düsseldorfs Venetia

KölnDer Rosenmontagszug

Die Fakten sind eindeutig: Der größte Rosenmontagszug Deutschlands findet in Köln statt: 114 Festwagen und Kutschen, 90 Traktoren, 85 Bagagewagen, 12.000 Teilnehmer, 82 Musikkapellen und 500 Pferde werden sich in diesem Jahr auf den 7,5 Kilometer langen Zugweg begeben. Fast 3000 Helfer sollen dafür sorgen, dass dabei nichts passiert. Schließlich werden auch in diesem Jahr wieder rund eine Million Besucher beim Zoch erwartet.

Zwar gehört auch der Düsseldorfer Rosenmontagszug zu den größten des Rheinlands, mit seinem Kölner Pendant kann er sich jedoch nicht ganz messen. In Düsseldorf werden auf 72 Wagen und in mehr als 30 Musikkapellen rund 5000 Jecke teilnehmen. Doch auch dort werden Hunderttausende die Straßen säumen, bei gutem Wetter hoffen die Veranstalter sogar, die Millionen-Grenze zu knacken.

Geschlagen gibt sich Düsseldorf allerdings nicht. Die Antwort auf den Größenvorteil des Kölner Nachbarn: Wir sind politischer. Tatsächlich ist der Rosenmontagszug aus Düsseldorf bekannt dafür, dass sich niemand vor dem beißenden Spott der Karnevalisten retten kann. Garant dafür ist der Bildhauer Jacques Tilly, der bereits seit Jahrzehnten die Festwagen entwirft. In der Vergangenheit war auf den Wagen beispielsweise schon mehrfach eine nackte Figur von Bundeskanzlerin Angela Merkel zu sehen, der ehemalige Kölner Kardinal Meisner wurde bereits als Inquisitor dargestellt. 2010 persiflierte ein Wagen zudem die Diskussion um die in Dänemark veröffentlichten Mohammed-Karikaturen. Zu sehen war ein schreiender islamistischer Henker, der einen vor Blut triefenden Krummsäbel in den Händen hielt und von einem wohl gerade enthaupteten Clown in den Allerwertesten gebissen wurde. Motto: „Wer zuletzt lacht...“.

In Köln hingegen stoppte das Festkomitee Kölner Karneval gerade einen möglichen „Charlie Hebdo“-Wagen. Als Begründung wurden Sicherheitsbedenken angegeben. Für die Entscheidung musste das Festkomitee teils herbe Kritik einstecken.

Ob das Attentat auf die Redaktion des Pariser Satire-Magazins im Düsseldorfer Zug eine Rolle spielen wird, verrät Jacques Tilly nicht. „Ein Mohammed fährt auf jeden Fall nicht mit. Ich bin doch nicht lebensmüde“, sagte der Künstler dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ allerdings unlängst.

Der Karnevalsruf

An dieser Frage scheiden sich seit jeher die Geister: Alaaf oder Helau? Für den Kölner gehört das Alaaf zum Karneval wie der Dom zur Stadt. Der Düsseldorfer hingegen besteht auf sein Helau. Woher die beiden unterschiedlichen Ausrufe tatsächlich kommen, ist nicht abschließend geklärt. Von den Mythen, die sich darum ranken, ist folgende sicherlich eine der sympathischsten:

Demnach befuhr Ende des 13. Jahrhunderts ein Kaufmann aus Mainz mit seinem Handelsschiff den Rhein und wollte Köln passieren. Da die Stadt seit einiger Zeit das Stapelrecht besaß, hätte der Händler seine Waren abladen und sie den Kölnern drei Tage lang zum Kauf anbieten müssen – natürlich zu einem günstigen Preis. Danach stand dem Mainzer Kaufmann, der mit einer Entourage von mehreren Rittern reiste, allerdings nicht der Sinn. So soll er stattdessen vom Bord seines Schiffes gerufen haben: „Ich vil he lau fahrn.“ („Ich will hier ohne weiteres entlang fahren.“) Das passte den Kölnern natürlich gar nicht. „Al aaflade, ihr sollt al aaflade!“, forderten sie den Händler auf, seine Waren abzuladen. Der Mainzer widersetzte sich und es kam zu Kampfhandlungen, an deren Ende der Kaufmann die Blockade des Rheins tatsächlich durchbrechen konnte. Schwer verletzt segelte er weiter und legte der Sage nach einige Kilometer später in einem kleinen Dorf namens Düssel an.

Die Menschen dort pflegten den Kaufmann gesund, woraufhin sich der Mainzer revanchierte und dem Dorf all seine Waren schenkte. So war der Grundstein für eine neue Stadt am Rhein gelegt: Düsseldorf. In der Heimat des Kaufmanns hat sich – so will es die Erzählung – anschließend der Ausruf Helau etabliert, den die Kölner ihrerseits mit einem Alaaf kontern. Aus Dankbarkeit gegenüber des Kaufmanns übernahmen auch die Düsseldorfer das Helau – und sorgten so dafür, dass Köln bis heute sowohl im Norden als auch im Süden von Helau-Rufern eingekesselt ist.

Lesen Sie im nächsten Abschnitt, was Düsseldorfer und Kölner vereint.

Die Tollitäten

Den Düsseldorfern wird gern schon mal Snobismus und Prahlerei vorgeworfen. Was die Tollitäten angeht, sind sie jedoch „sparsamer“ als die Nachbarn aus Köln. Auf der Kö regiert traditionell lediglich ein Prinzenpaar, während im Süden ein Dreigestirn herrscht.

Seit 1928 werden die Jecken in der närrischen Jahreszeit von Prinz Karneval und seiner Venetia regiert. Die Namensgebung geht wohl auf eine historische Erzählung zurück, laut der im 17. Jahrhundert die Gattin des pfälzischen Kurfürsten Jan Wellem (Johann Wilhelm), Anna Maria Luisa de Medici, den Helden Karneval zu einem venezianischen Fest einlud. Dort suchte sich Karneval dann seine Braut aus, die Venetia. In diesem Jahr regieren Prinz Christian und Venetia Claudia die Landeshauptstadt.

In Köln hat an Karneval das Dreigestirn das Sagen. Höchster Repräsentant ist der Prinz, dessen Macht unter anderem durch das Zepter untermauert wird. Er verkündet das Motto der Session und führt das Trifolium an. An seiner Seite sind „Seine Deftigkeit“ der Bauer, der für die Wehrhaftigkeit der Stadt Köln steht, und „Ihre Lieblichkeit“ die Jungfrau, die in Köln unter anderem als Stadtgründerin Agrippina angesehen wird. Die Kölner Jecken werden von Prinz Holger I., Bauer Michael und Jungfrau Alexandra durch die aktuelle Session geführt.

Die Musik

An Bands, die sich auf Karnevalshits spezialisiert haben, fehlt es auf beiden Seiten nicht. Natürlich nutzen die Musiker dabei gerne auch die Möglichkeit, sich über die Nachbarstadt lustig zu machen. „Über Köln da lacht die Sonne (Über Düsseldorf die Welt)“ von den Paraplüs dürfte dabei sicherlich einer der bekanntesten Hits sein. Darin heißt es unter anderem:

„Leben und auch Leben lassen, das ist die Philosophie.

Düsseldorf tun wir nicht hassen, doch Mitleid haben wir für sie.

Düsseldorf ist einfach tote Hose und wenn da was regiert, dann nur der Punk.

Alt ist ekelhaft, im Glas und in der Dose

und auf Dauer macht es sogar krank.“

Die Düssel-Disharmoniker ihrerseits lassen schon bei dem Besuch auf ihrer Homepage keinen Zweifel daran, was sie von Kölnern halten. Dort muss der Besucher zu Beginn eine Auswahl treffen zwischen „Ich bin in Ordnung“ und „Ich bin Kölner“. Klickt der Nutzer auf Letzteres, wird der „Zugriff verweigert“. Auch musikalisch arbeiten sich die Disharmoniker am südlichen Nachbarn ab. In „Da schwimmt 'ne Kölner“ erfreuen sich die Düsseldorfer daran, wenn die Kölner mal wieder Probleme mit Hochwasser haben:

„Jejen dat Huhwasser hilft üsch kinne Deich,

hört op unsern Rat, der Jrund is doch klar.

Damit janz Kölle nit wörd immer nasser

hört op zu singe: Oh liever Jott, jib uns Wasser!“

Allerdings haben die Kölner unter anderem mit den Bläck Fööss, den Höhnern und Brings bei der Prominenz der Bands eindeutig die Nase vorn. Und man sagt, dass „Viva Colonia“ sogar in Düsseldorf gespielt und mitgegröhlt wird.

Die Symbolfiguren

Bei allen Gegensätzen sind sich Kölner und Düsseldorfer Karnevalisten in einer Sache einig: Am Aschermittwoch ist alles vorbei – und das ist ein Grund zum Trauern. Um ihrer Pein und Qual ein Gesicht zu geben, bedienen sich die Narren beider Lager symbolischer Figuren, die am Karnevalsdienstag um Mitternacht während einer feierlichen Zeremonie verbrannt werden.

In Köln ist es der Nubbel, der ein Opfer der Flammen wird. Der Nubbel ist eine Puppe aus Stroh, die einen alten Anzug trägt und über Karneval in diversen Kneipentüren hängt. Alle Verfehlungen, die an Karneval geschehen, werden ihm aufgebürdet. In der Nacht zum Aschermittwoch wird dem Nubbel der Prozess gemacht. „Wieso habe ich ausgiebig fremde Frauen gebützt und zu viel Alkohol getrunken?“, heißt es dort in der eigens verfassten Anklageschrift. „Der Nubbel ist schuld! Er soll brennen!“, lautet die klare Antwort der Jecken dann. So gehen mit dem Nubbel praktischerweise auch gleich alle Sünden in Flammen auf.

In Düsseldorf gibt es zwar keinen Nubbel, dafür aber einen Hoppeditz. Das Kerlchen erwacht am 11.11. und eröffnet so die offizielle Karnevalssession. Im Gegensatz zum Kölner Symbol ist der Hoppeditz allerdings kein Sündenbock. Er ist eher eine Art Obernarr, der seine Anhänger in der Karnevalszeit bestens unterhält. Doch auch er findet sein Ende auf dem Scheiterhaufen.

Und spätestens dann sind Kölner und Düsseldorfer Karnevalisten vereint – in der Trauer über das Ende der Session und in der Vorfreude auf den nächsten 11.11.