Köln – Was haben das Panorama-Restaurant „Bastei“ am Rheinufer, die Kirche St. Engelbert in Riehl mit ihrer Sternkuppel aus Parabelformen, die Fordwerke in Niehl sowie die Siedlungen Blauer Hof und Weiße Stadt in Buchforst gemeinsam? Sie alle sind während der Weimarer Republik entstanden, und sie alle sind Beispiele für das „Neue Bauen“, eine Stilrichtung, zu der progressive Architekturströmungen jener Zeit zusammengefasst werden. Weil sie dem von Funktionalität und Sachlichkeit geprägten Stil des Bauhauses eng verwandt ist, hat das Amt für Denkmalpflege des Landschaftsverbands Rheinland (LVR) das 100. Gründungsjubiläum der Architektur- und Design-Schule, die 1933 von den Nazis geschlossen wurde, zum Anlass genommen, einen mit historischem Fotomaterial und aktuellen Aufnahmen reich bebilderten Führer zur Architektur der Klassischen Moderne herauszugeben, der 100 Beispiele – darunter die erwähnten drei aus Köln – für das Neue Bauen im Rheinland beschreibt.
Es ist nicht der einzige Beitrag des LVR zum bundesweit gefeierten Jubiläum. So richtet er in dieser Woche in Köln den 6. Rheinischen Tag für Denkmalpflege aus, der sich ebenfalls dem Neuen Bauen widmet. Nach einer Fachtagung am Freitag ist am Samstag, 11. Mai, das breite Publikum angesprochen: In Köln und dem Umland veranstaltet der LVR zwischen 11 und 13 Uhr geführte Spaziergänge zu Orten des Neuen Bauens, etwa zu Villen und Wohnhäusern in Rodenkirchen, zum Blauen Hof und zur Weißen Stadt und zu Bauten in Frechen, Düren, Leverkusen und Siegburg.
Buch des LVR zum Tag der Denkmalpflege
Nun präsentierte der LVR das Buch und das Programm des Tags der Denkmalpflege an einem Ort, der zum Thema passte und dem ebenfalls ein Kapitel des Bands gewidmet ist: im 2016 wiedereröffneten Filmpalast am Hohenzollernring, der früher Ufa-Palast hieß und den Wilhelm Riphahn und Caspar Maria Grod entworfenen haben. Vor seiner Eröffnung im Oktober 1931 hatte ein Kritiker des „Kölner Stadt-Anzeiger“ gejubelt: „Das ist Kölns neue Linie!“ Der Bau besteche durch die bewusste „Herauskehrung des konstruktiven Gedankens, des logischen Aufbaus, der strengen Gliederung“. Um das Jubiläum in Nordrhein-Westfalen, das den Titel „100 Jahre Bauhaus im Westen“ trägt, zu begehen, kooperieren der LVR, der Landschaftsverband Westfalen-Lippe und das NRW-Ministerium für Kultur und Wissenschaft.
Dabei wird nicht nur an die weltberühmte Schule für Architektur und Design erinnert, sondern bewusst ein politischer Akzent gesetzt und zusätzlich die Gründung der Weimarer Republik thematisiert. Im ganzen Land zeigen mehr als 40 Ausstellungen und Veranstaltungen, wie die Bauhaus-Idee auch Nordrhein-Westfalen geprägt hat und welche Spuren davon noch heute zu finden sind. Prominentestes Beispiel dürfte Krefeld sein, wo Ludwig Mies van der Rohe, der letzte Direktor des Bauhauses, drei seiner neun Gebäude in Europa geschaffen hat.
„Wir wollen das Bauhaus herauslösen aus dem Schema ,Flachdach, Weiß und Glas“ , sagte bei der Präsentation Thomas Schleper, LVR-Vertreter im Lenkungskreis des Projekts „100 Jahre Bauhaus im Westen“. Der Bildband, der sich gleichermaßen an ein Fach- wie an ein breites Publikum richtet, geht mit seinen ganz unterschiedlichen Geschichten, die Kunsthistorikerin Birgit Gropp verfasst hat, weit über rein baukünstlerische Aspekte hinaus – von der Kongressgarage in Aachen bis zur Mietshausgruppe Viktoriastraße in Wuppertal, und dazwischen dann 14 Kapitel mit Kölner Beispielen.
Verhandelt werden ebenso soziale Fragen und technische Innovationen, Themen wie Arbeit, Freizeit oder Religion. Es geht um Karrieren und individuellen Schicksalen von Architekten, Bauherren und Auftraggeberinnen, um ihre Ideen und Visionen; erzählt wird auch vom Leben und Wohnen der Arbeiter, Angestellten und Fabrikanten. Aus all dem ergebe sich mosaikartig ein „Historienbild“ der Weimarer Republik , sagte Birgit Gropp. Die ausführliche Einleitung des Architekturführers haben Marco Kieser und Sven Kuhrau geschrieben, wissenschaftliche Referenten im LVR-Amt für Denkmalpflege, die in den vergangenen zwei Jahren die repräsentative Auswahl von Objekten für das Buch recherchiert haben.
Stilistische Eigentümlichkeiten des Neuen Bauens seien unter anderem „der Vorrang der Farbe Weiß, die Ornamentlosigkeit und die Reduktion der Baumassen auf geometrische Grundformen“, schreiben sie. Dabei sei es um weit mehr als um die Kreation eines neuen Baustils gegangen: „Gebaut wurde an nichts weniger als an einer neuen Gesellschaft.“
Birgit Gropp, Marco Kieser und Sven Kuhrau: Neues Bauen im Rheinland. Ein Führer zur Architektur der Klassischen Moderne. Hrsg. vom LVR-Amt für Denkmalpflege M. Imhof Verlag, 304 S., 22 Euro.
www. denkmalpflege.lvr.de
Stadtspaziergänge „neues Bauen“
An diesem Samstag, 11. Mai, finden mehrere Stadtspaziergänge zum „Neuen Bauen“ statt. Alle Exkursionen starten um 11 und dauern zwei Stunden, eine Anmeldung ist nicht erforderlich.
Rodenkirchen, Villen und Wohnhäuser in Rodenkirchen. Treffpunkt: Kreuzung Walther-Rathenau-Straße / Uferstraße. Begleitung: Moritz Wild, Stadt Köln/Amt für Denkmalschutz und Denkmalpflege.
Riehl, St. Engelbert Treffpunkt: St. Engelbert, Garthestraße 15. Begleitung: Daniel Buggert, Universität zu Köln.
Siedlungsbau in Buchforst Treffpunkt: Kasseler Straße 24 (Eingang zum Blauen Hof). Begleitung: Franziska Kader, Studentin der Universität zu Köln.
Innenstadt, Traditionen des Neuen Bauens in der Nachkriegsmoderne Treffpunkt:
Hahnentor, Rudolfplatz 1. Begleitung: Felix Feldhofer, Catharina Hiller, Fabian Kröning,
Maike Streit, Amelie Vogel, Studierende der Universität zu Köln.