2009 stürzte das Kölner Stadtarchiv ein. Die juristische Aufarbeitung endet nun in einer Einstellung der Prozesse.
„Mein Bruder durfte so vieles nicht erleben“Angehöriger kritisiert Einstellung des Stadtarchiv-Verfahrens – Brief an OB Reker
Der Halbbruder eines der beiden Opfer des Kölner Archiveinsturzes, Marvin Pagel, hat sich nach der Einstellung des Verfahrens in einem Brief an Oberbürgermeisterin Henriette Reker gewandt. Darin kritisiert er die Einstellung scharf, der Brief liegt dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ vor. Das Kölner Landgericht hatte am Dienstag mitgeteilt, das Verfahren gegen die vier Angeklagten im Zusammenhang mit dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs am 3. März 2009 in Folge der U-Bahn-Bauarbeiten am Waidmarkt einzustellen.
Mangelndes öffentliches Interesse an Aufarbeitung?
Bis zum 31. Oktober müssen zwei der Angeklagten jeweils 5000 Euro, die zwei weiteren jeweils 2000 Euro zahlen, dann sind die Prozesse erledigt. Das Landgericht hatte die Einstellung unter anderem damit begründet, dass das öffentliche Interesse am Abschluss des Prozesses gesunken sei. Der Archiveinsturz hat sich in diesem Jahr zum 15. Mal gejährt.
Gerade an diesem Punkt stößt sich nun Marvin Pagel. „Für mich als Bruder von Kevin heißt das: Es ist so lange her, das interessiert keinen mehr“, schreibt er. Und fragt Reker: „Ist das so? Ist das öffentliche Interesse an diesem großen Schicksalsschlag unserer Stadtgeschichte mittlerweile so gering, dass es irrelevant ist, dies weiter zu prüfen?“
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Juristische Aufarbeitung zieht sich seit vielen Jahren hin
Dass Reker an der Einstellung des Verfahrens nichts ändern könne, sei ihm klar, schreibt Pagel. Trotzdem bitte er um ihre Antwort und bedankt sich gleichzeitig für Rekers Anteilnahme in den vergangenen Jahren. Für Pagel ist unverständlich, dass, nachdem der Bundesgerichtshof die Fälle 2021 zur erneuten Prüfung an das Landgericht Köln zurückverwiesen hatte, der Prozess nun so endet. „Ist eine Einstellung des Verfahrens eine erneute Prüfung?“, schreibt er.
Die juristische Aufarbeitung zieht sich nun bereits seit 15 Jahren hin. In einem ersten Prozess 2018 waren zwei Bauleiter vom Vorwurf der fahrlässigen Tötung durch Unterlassen freigesprochen worden, ein Bauüberwacher wurde zu acht Monaten auf Bewährung verurteilt. Der Oberbauleiter wurde 2019 zu einer einjährigen Bewährungsstrafe verurteilt. Der Bundesgerichtshof hatte die Urteile nach Revision der Staatsanwaltschaft aber aufgehoben und zurück ans Landgericht verwiesen. Zu neuen Hauptverhandlungen kommt es nun aber nicht mehr.
Marvin Pagel will an seinen Bruder weiter erinnern. „Mein Bruder war jünger als ich es jetzt bin. Mein Bruder durfte so vieles nicht erleben. Mein Bruder konnte seine Lehre nie beenden. Mein Bruder konnte sich nicht von mir verabschieden. Mein Bruder konnte die schönen Seiten des Lebens, die Höhen und Tiefen nie erleben“, schreibt Pagel.