- Wer heute einen Termin etwa für eine Neuzulassung buchen will, muss dafür derzeit mindestens dreieinhalb Wochen warten.
- Für Privatkunden ist das ärgerlich – für Autohändler unter Umständen geschäftsschädigend oder gar existenzgefährdend.
- Deswegen hat die Kfz-Innung einen Offenen Brief an die Oberbürgermeisterin verfasst.
Köln – Die Szenen an der Kfz-Zulassungsstelle in Poll lassen nicht erahnen, dass bei vielen gerade die Nerven blank liegen. Die langen Schlangen vor dem Eingang, die sich gefühlt drei Mal um den Parkplatz drehen, gibt es dieser Tage nicht. Spontane Besuche sind corona-bedingt nicht möglich – wer bedient werden will, braucht einen Online-Termin. Aber genau die sorgen im Moment für großen Verdruss. Wer heute einen Termin etwa für eine Neuzulassung buchen will, muss dafür nämlich derzeit mindestens dreieinhalb Wochen warten. Was für Privatkunden ärgerlich ist und zur Überbrückung unter Umständen mit Kosten für einen Mietwagen verbunden ist, kann für Autohändler geschäftsschädigend oder gar existenzgefährdend sein.
„Unsere Kunden müssen wochenlang auf ihr Auto warten, viele haben dafür kein Verständnis und machen uns dafür verantwortlich, obwohl wir am wenigsten dafür können“, sagt Stefan Bäckmann vom Kölner Autohaus Bäckmann sichtlich genervt. Seit gut anderthalb Monaten sei das so extrem. „Ich könnte den ganzen Tag im Strahl kotzen.“ Die Kosten für die Autos könne er von den Kunden nicht im Vorhinein verlangen, also müsse er wochenlang in Vorleistung gehen – für Dutzende Fahrzeuge gleichzeitig.
„Wir schießen bis zu 800.000 Euro vor. Ein Haus unserer Größe kann das noch gerade so verkraften, aber kleinere Betriebe können daran auch zugrunde gehen“, klagt Bäckmann. Sein Kollege Stefan Karst vom gleichnamigen Autohaus nennt die Zustände gar den „reinsten Horror“. Einen Fahrzeugschein habe er am 25. Juli beantragt. „Der kam erst heute wieder“, sagt er – vier Wochen später. Er warte derzeit auf die Zulassung von etwa 80 Autos, sagt er. „Wir können unseren Kunden noch nicht mal sagen, wann sie ihre Autos abholen können. Es ist beängstigend: Wir verlieren das Vertrauen unserer Kunden. Es ist das reinste Chaos.“
Offener Brief an Henriette Reker
Am Freitag nun hat die Kfz-Innung einen Offenen Brief an die Oberbürgermeisterin verfasst – unterzeichnet von Geschäftsführern prominenter Kölner Autohäuser. Darin fordern sie OB Henriette Reker auf, „den Bearbeitungsstau zur Chefsache zu erklären“ und einen Dialog mit den Geschädigten zu treten. Die Situation sei für Kfz-Unternehmer ein „wirtschaftliches Desaster“. Zum Zeitpunkt einer durch die Innung durchgeführten Umfrage warteten demnach allein in den zwölf befragten Autohäuser 220 Pkw, 43 Nutzfahrzeuge und 16 sonstige Fahrzeuge auf Zulassung. Durch den Rückstand seien in Summe 7,7 Millionen Euro Kapital in den Betrieben gebunden.
Die Branche, die durch die Corona-Krise ohnehin in wirtschaftlichen Schwierigkeiten steckt, fürchtet in dem Brandbrief sogar eine Verschärfung der Lage in den kommenden Monaten, wenn nicht bald Lösungen umgesetzt würden. Bis zum Jahreswechsel nämlich sei noch einmal mit vielen Neuzulassungen zu rechnen, weil weitere Kunden von der gesenkten Mehrwertsteuer profitieren wollten.
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Die Stadt gibt sich auf Nachfrage motiviert, die Situation bald zu ändern. Man arbeite „mit Nachdruck daran, Personalengpässe dort, wo sie auftreten, zu beseitigen“, teilte das Presseamt mit. 20 Kunden können derzeit gleichzeitig auf der Zulassungsstelle bedient werden. Die Wartezeit sei der Verwaltung bekannt. In den Kundenzentren betrage der Vorlauf sogar bis zu 31 Tage. Immer wieder bekundeten die Menschen ihren Unmut darüber am Schalter oder am Telefon – und trotzdem gebe es Lob nach professionell abgewickelten Terminen. Die Stadt empfiehlt auch, sich telefonisch zu erkundigen, ob kurzfristig noch am selben Tag Termine frei sind, die von anderen Kunden nicht wahrgenommen würden. Das komme regelmäßig vor und biete die Möglichkeit auf schnelle Terminvergabe.