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Gold-Schmuggel in ganz großem StilStaatsanwaltschaft ermittelt gegen Kölner Bande

Lesezeit 5 Minuten
Juwelier Gold

Mehrere Juweliere waren offenbar an den Geldgeschäften beteiligt. (Archivbild)

Köln – Turan S. rechnete nicht in Unzen, sondern in Tonnen. Fast 75.000 Kilogramm Gold soll der mutmaßliche Chef einer Bande von Finanzschiebern und Juwelieren vor allem aus dem Kölner Raum in die Türkei geschleust haben. Dieses illegale Finanztransfersystem soll dazu gedient haben, die Gewinne krimineller Organisationen zu waschen. Die Staatsanwaltschaft Köln geht nach internen Aufstellungen davon aus, dass Goldbarren im Wert von gut 1,6 Milliarden Euro an den Bosporus verschoben wurden.

Allein einer der mutmaßlichen Köpfe der Bande, der sein Schmuck-Geschäft in der Keupstraße betreibt, soll nach Informationen des Kölner Stadt-Anzeiger 50 Millionen Euro illegal umgesetzt haben. Dabei soll er mindestens ein Prozent der Summe an Provision eingestrichen haben.

Mutmaßlicher Bandenchef wohl untergetaucht

Laut Staatsanwalt René Seppi stehen in dem Komplex 53 Beschuldigte auf der Ermittlungsliste. Drei Tatverdächtige sitzen noch in Untersuchungshaft. Der mutmaßliche Bandenchef Turan S., ein Schmuck-Großhändler aus Istanbul, ist vermutlich in seiner Heimat untergetaucht, nach ihm wird gefahndet. Die Vorwürfe gegen die Gruppe reichen von Geldwäsche, Betrug, dem Verstoß gegen das Zahlungsdiensteaufsichtsgesetz (ZAG) bis hin zur der Bildung einer kriminellen Vereinigung.

Der Fall sprengt jegliche Dimensionen. Das Verfahren belegt einmal mehr, wie erfolgreich Finanzschieber das orientalische Hawala-Banking nutzen. Das System erinnert an den modernen Pay-Pal-Modus nur, dass es Jahrhunderte alt ist: Meist zahlt Kunde A etwa in Köln bei einem Finanzdienstleister oder Schmuckhändler Geld ein. Der eigentliche Empfänger B, der im Orient sitzt, lässt sich den Betrag nach Abzug einer Provision von einem Juwelier oder Banker vor Ort auszahlen. Die beiden Vermittler gleichen die Differenz dann untereinander aus. Auf diese Weise wird der Geldfluss nicht bewegt und hinterlässt keine Spuren. Für solche gewerbsmäßigen Geldgeschäfte brauchen die Händler eine Genehmigung durch die Bankenaufsicht BaFin. Ohne die Lizenz sind solche Wechselanweisungen illegal.

Islamistische Terrorgruppen nutzen Finanzmodell

Längst nutzen Verbrecherbanden und islamistische Terrorgruppen das archaische Finanzmodell, um illegale Geldströme zu verschleiern. Betrüger-Banden, die getarnt als falsche Polizisten über Callcenter in Izmir zweistellige Millionenbeträge bei deutschen Rentnern und Rentnerinnen abzockten, übergaben die Beute zwei Juwelieren in NRW. In Istanbul schütteten ihnen die Verbündeten der Hawala-Kaufmänner die eingezahlten Summen wieder aus.

Prozess gegen Duisburger Schmuckhändler

In Düsseldorf läuft gerade ein Prozess gegen ein bundesweites kriminelles Hawala-Netzwerk, das durch einen Duisburger Schmuckhändler organisiert wurde. Zwischen Januar 2018 und Mitte November 2019 soll die siebenköpfige Bande über 2500 illegale Geld-Transfers ins Ausland mit einem Volumen von über 210 Millionen Euro abgewickelt haben.

Im Mai räumte der 52-jährige Geschäftsmann die Vorwürfe ein: „Ich habe das System mit aufgebaut“, ließ der Juwelier über seinen Anwalt erklären. Es habe Anfang 2018 in Duisburg klein angefangen und sei dann immer größer geworden. „Die Verlässlichkeit und Pünktlichkeit meines Systems sprachen sich rum.“ Zwar sei ihm bewusst gewesen, dass Hawala-Banking hierzulande strafbar sei, an Organisierte Kriminalität (OK) habe er aber nicht gedacht.

Streit um die Höchststrafe

Der letzte Halbsatz trifft den strittigen Punkt zwischen Verteidigern und Anklägern in dem Verfahren. Im Kern streiten sich beide Seiten um den Anklagevorwurf der kriminellen Vereinigung. Hier liegt die Höchststrafe bei fünf Jahren. Im Falle eines Schuldspruchs müsste der mutmaßliche Chef der Bande nicht nur eine lange Haftstrafe antreten. Vielmehr verliert er dann auch seine beschlagnahmten Vermögenswerte in Höhe von 22 Millionen Euro.

Tatsächlich tun sich die Düsseldorfer Strafverfolger schwer, die Herkunft der eingezahlten Geldsummen nachzuweisen. Zwar förderten abgehörte Telefonate Bezüge zu dubiosen Investoren zu Tage. Handfeste Beweise aber dafür, dass die Hawala-Transfers sich aus kriminellen Finanzströmen speisten, blieben aus.

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Somit griff die Staatsanwaltschaft in dem Fall zu einem juristischen Kniff: Die Ankläger konzentrierten sich auf den Verstoß gegen das ZAG. Hier ist es unerheblich, woher das Geld kommt. Ausschlaggebend ist der Umstand, dass keine Genehmigung für derartige Bankgeschäfte vorlag. Wenn das System auch noch bandenmäßig organisiert wird, dann kommt der Vorwurf der Kriminellen Vereinigung ins Spiel.

Genau denselben Ansatz wählten Zollfahnder und Staatsanwaltschaft im Kölner Hawala-Komplex. Zwar bestehen Hinweise, dass Drogengelder aus den Niederlanden oder Erlöse aus dem Verkauf unverzollten Wasserpfeifentabaks über die Gold-Connection des Turan S. gewaschen worden sein sollen. Doch auch hier fokussieren sich die Ermittler auf die enttarnten illegalen Finanzwege zwischen dem Kölner Raum und der Türkei.

Zollpapiere über Tarnfirmen

Der mutmaßliche Chef Turan S. verfügte über zahlreiche Einzahlstellen meist bei Juwelieren in der Rheinmetropole. Mit dem Geld erwarb die Bande Altgold und andere Edelmetalle in rauen Mengen, schmolz es zu Barren ein. Eine Mitarbeiterin beschaffte über Tarnfirmen Zollpapiere, um die Ware in die Türkei zu exportieren und dort zu veräußern. Außerdem wurde durch Kuriere auch Bargeld nach Istanbul gebracht, um dort die Geldreserven für die Abholer aufzufüllen.

Auf die Spur der Bande waren die Zollfahnder durch Zeugenaussagen aus anderen Verfahren geraten. Zudem hatte ein Informant den Ermittlern wichtige Hinweise geliefert.

„Mit Kanonen auf Spatzen“

Mustafa Kaplan, Verteidiger eines beschuldigten Kölner Geschäftsmannes, glaubt hingegen, dass sich ein Großteil der Vorwürfe „am Ende des Verfahrens im Nichts auflösen werden“. Der Anwalt wirft den Ermittlungsbehörden vor, „mit Kanonen auf Spatzen zu schießen“. Hawala-Banking sei die Mutter aller Zahlungssysteme. Selbst die Kreuzritter hätten darauf zurückgegriffen.

Auf massiven Druck von Lobbyisten habe der Bundestag 2009 das ZAG verabschiedet, so Kaplan weiter, „um vermeintlich die Geldwäsche zu verhindern, die Realität sieht anders aus“. Zwar gebe es auch einige schwarze Schafe unter den Hawala-Kaufleuten, der überwiegende Teil verhalte sich jedoch gesetzestreu.