Köln – Eins stellte der Vorsitzende Richter Benjamin Roellenbleck direkt klar: Für dumm verkaufen lässt er sich nicht. Vor ihm auf der Anklagebank saß am Dienstag der Mann, der beim Derby des 1. FC Köln gegen Borussia Mönchengladbach im September 2019 einen sogenannten Polenböller gezündet und von der Südtribüne geworfen und damit mehrere Menschen verletzt hatte. Um Ausreden schien der arbeitslose Gebäudereiniger im Kölner Landgericht nicht verlegen.
Ob er denn nicht mal die Wahrheit sagen wolle, fragte Richter Roellenbleck den 35-Jährigen. Dieser hatte angegeben, sich auf der Stadiontoilette ein Gramm Kokain durch die Nase gezogen und in einer Kabine zufällig den Knallkörper gefunden zu haben. „So ein Knaller liegt doch da nicht einfach so rum“, meinte der Richter. „Dann hat mir den halt jemand zugeschoben“, war die lapidare Reaktion. Zumindest sei er sich der Sprengkraft des Böllers nicht bewusst gewesen.
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Die in Deutschland nicht zugelassene „Gorilla Bomb“ der Firma Triplex ließ der Angeklagte in der 85. Minute des Derbys, das Gladbach mit 1:0 gewann, ganz vorne durch den Zaun der Südtribüne fallen, der Böller landete direkt vor den Füßen von Ordnern und Fotografen. „Markerschütternd“ nannte der Richter den Knall, der im ganzen Stadion zu hören war. 22 Personen wurden verletzt, vorwiegend erlitten sie Knalltraumata, vorübergehenden Hörverlust, Kopfschmerzen und einen Pfeifton auf den Ohren.
Angeklagter spricht von eigener Traumatisierung
Ein Soldat wurde retraumatisiert, da ihn die Explosion an einen Auslandseinsatz der Bundeswehr erinnert hatte. Als der Böllerwerfer bei seiner Aussage ein eigenes Trauma ansprach und sagte, er könne Silvester nicht mehr genießen und über die Schadenersatzforderungen der Opfer klagte, platzte Oberstaatsanwalt Ulf Willuhn der Kragen. „Das ist unappetitlich, es sind 22 Menschen verletzt worden“, sagte Willuhn und ergänzte: „Ich kann mich kaum auf dem Stuhl halten.“
Dem Beschuldigten wird auch das Zeigen des Hitlergrußes bei einer Demo und eine weitere Körperverletzung vorgeworfen, diese Taten stritt er ab. „Ich will mich hier nicht rausreden“, sagte der 35-Jährige. „Den Eindruck kann man aber bekommen“, äußerte der Richter. Roellenbleck erinnerte den Angeklagten daran, wie viel für diesen auf dem Spiel stehe. Allein das Herbeiführen der Sprengstoffexplosion sei mit einer Mindeststrafe von zwei Jahren Gefängnis belegt. Der Prozess wird fortgesetzt.