AboAbonnieren

ZugverkehrDie Deutsche Bahn will keinen zweiten Hauptbahnhof in Köln

Lesezeit 7 Minuten

250 Millionen Euro steckt die Bahn in diesem Jahr in den Ausbau des Kölner Bahnknotens.

  1. Für das Nadelöhr Hohenzollernbrücke ist keine Lösung in Sicht.
  2. Es gibt eine klare Absage an die Zwei-Terminal-Lösung mit Deutz und Dom.

Köln – Höchstens mit einem Schulterzucken werden die Politiker im Verkehrsausschuss des Landtags den Bericht des Verkehrsministers zum Ausbau des Bahnknotens Köln am Mittwoch zur Kenntnis nehmen, enthält das Papier doch keine Neuigkeiten. Dass die S-Bahn zwischen Köln-Messe/Deutz, dem Hauptbahnhof und dem Hansaring ausgebaut werden muss, was zusätzliche Bahnsteige mit je zwei Gleisen im Hauptbahnhof und im Deutzer Bahnhof bedeutet, wird von niemandem ernsthaft bestritten.

Einen Zeitplan gibt es bisher aber nicht und auch die Finanzierung ist noch unklar, teilt Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU) schriftlich mit. Noch habe der Bahnknoten nicht die höchste Dringlichkeitsstufe im Bundesverkehrswegeplan bis 2030 erklommen. In diesem Plan sind alle Verkehrsprojekte aufgelistet auf Schiene und Straße, die bis 2030 in Angriff genommen werden könnten. „Die Ergebnisse der volkswirtschaflichen Bewertung werden nach Auskunft des Bundesverkehrsministeriums frühestens ab Mitte 2018 vorliegen“, so der Minister.

Die Überlastungsanzeige

Dass der Bahnknoten Köln überhaupt auf der Tagesordnung des Landtags landet, ist die Folge einer Bankrotterklärung, die die DB Netz AG Anfang November 2017 abgeben musste. Der Abschnitt zwischen dem Hauptbahnhof und Köln-Mülheim sei dermaßen voll, dass er nicht noch mehr Züge verkraften könne. Die DB Netz AG ist verpflichtet, diese sogenannte Überlastungsanzeige bei der Bundesnetzagentur und dem Eisenbahn-Bundesamt abzugeben, weil ihr das Streckennetz gehört. Deshalb muss sie Lösungen anbieten.

Alles zum Thema Hendrik Wüst

Knapp drei Monate später ist keine in Sicht. Im Gegenteil. Auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ bestätigt die Bahn lediglich „die Notwendigkeit zusätzlicher kapazitiver Lösungen“. Diese seien Gegenstand „interner Diskussion sowie Ergebnis unabhängiger Gutachterbewertung im Rahmen der Bundesverkehrswegeplan-Knotenuntersuchung“.

Fern- und Nahverkehr im Clinch

Es kracht hinter den Kulissen, weil die Interessen des Regional- und Fernverkehrs nur schwer in Einklang zu bringen sind. „Die Verkehrsunternehmen sollen endlich aufhören, ständig neue Trassen zu bestellen. Die wissen doch, dass wir sie nicht zur Verfügung stellen können“, sagt ein Mitarbeiter der DB Netz AG verärgert.

Dem Vorschlag des Nahverkehr Rheinland (NVR), den Hauptbahnhof zu entlasten, hat die Fernverkehrssparte der Bahn jetzt eine Abfuhr erteilt. Der NVR – der Zusammenschluss des Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) und des Aachener Verkehrsverbunds (AVV) – hatte vorgeschlagen, mindestens eine ICE-Linie aus dem Hauptbahnhof herauszunehmen und sie nur noch über Köln-Messe/Deutz zu führen. Eine Studie zum Bahnknoten Köln schlägt sogar vor, einen Kölner Hauptbahnhof mit zwei Terminals – Dom und Messe/Deutz – zu planen und möglichst viel Fernverkehr zugunsten des Nahverkehr nur noch über Deutz zu fahren.

„Seit fünf Jahren gibt es dazu keinerlei Gespräche zwischen dem DB Fernverkehr, der DB Netz AG und uns“, klagte NVR-Chef Norbert Reinkober im vergangenen November. Die wird es auch nicht mehr geben, denn für die Bahn ist das Zwei-Terminal-Thema endgültig durch.

„Die Reisenden des Fernverkehrs bevorzugen den Hauptbahnhof in Köln deutlich“, heißt es in einer Stellungnahme der Fernverkehrssparte auf Anfrage unserer Zeitung. Die direkte Erreichbarkeit der Innenstadt sei für Touristen und Geschäftsreisende „ein großer Vorteil“. Wer mehr Verkehr von der Straße oder dem Flugzeug auf die Schiene holen wolle, dürfe das nicht aufgeben. „Gerade lernen wir auf der neuen Verbindung Berlin-München, wie sehr die Reisenden die Reise von Innenstadt zu Innenstadt schätzen. Köln hat hier einen unglaublichen Vorteil einen Bahnhof in der Innenstadt mit Fernverkehr zu haben“, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme.

Deutzer Bahnhof ungeeignet

Man fahre „bereits seit Jahren kaum zusätzliche Züge in den Hauptbahnhof“, sagt die Bahn weiter. Der Nahverkehr habe „fast alle zusätzlichen Kapazitäten erhalten“. Der Deutzer Bahnhof sei auch wegen der fehlenden Barrierefreiheit für Umsteiger nur „begrenzt tauglich“. Zudem müssten alle Fernzüge aus dem Rheintal (Bonn/Koblenz) neben dem Hauptbahnhof auch noch in Deutz halten, um das Umsteigen möglich zu machen – „das bedeutet eine zusätzliche Belastung für den Knoten Köln.“ Um den Bahnhof Köln-Messe/Deutz aufzuwerten, müsste er auf der unteren Ebene um einen Bahnsteig mit zwei Gleisen erweitert, die Verbindung zur U-Bahn verbessert und Parkmöglichkeiten geschaffen werden. Ohne die Zwei-Terminal-Lösung hat auch die Seilbahn über den Rhein keinen Sinn, die Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker wieder ins Gespräch gebracht hatte.

Der NVR hat die DB aufgefordert, vor einer endgültigen Entscheidung das Reiseverhalten im Fernverkehr nach Köln zu untersuchen. „Wir vermuten, dass ein Drittel nach Deutz und zwei Drittel in die Innenstadt will“, sagt ein NVR-Sprecher. Gerade Messe-Besucher buchten wider besseren Wissens grundsätzlich den Hauptbahnhof, um von dort mit dem Taxi oder KVB wieder zur Messe über den Rhein zurückzufahren. „Wir würden einen Teil der Kosten übernehmen.“ Der barrierefreie Ausbau des Deutzer Bahnhofs werde im Zusammenhang mit dem Ausbau der S-Bahn-Linie 11 kommen und sei auch bereits finanziert. „Der Fernverkehr der Bahn hat sich bisher an keiner Lösung für den behindertengerechten Ausbau beteiligt“, so der Sprecher. „Die hätten schon vor Jahren Aufzüge einbauen können, hatten aber kein Interesse.“

Digitalisierung als Chance

Dass der Bahnknoten Köln von der Digitalisierungsoffensive der DB Netz AG profitieren wird, ist nicht ausgeschlossen. Bisher ist die Umrüstung des Stellwerks auf digitale Leit- und Sicherungstechnik in zwei Etappen erst für die Jahre 2022 und 2024 geplant. Laut Bahnvorstand Ronald Pofalla sollen wichtige Wirtschaftsräume bahntechnisch aber bis 2022 digitalisiert sein. Mit der neuen Technik könnte die Zugfolge allein bei der S-Bahn von derzeit 18 auf 24 Züge pro Stunde und Richtung erhöht werden. Die Probleme beim Fern- und Regionalverkehr sind dadurch aber nicht gelöst. Zumal auf den Hauptbahnhof vor allem in den Abend- und Nachtstunden in Kürze noch mehr Züge zurollen werden. Das neue ICE-Wartungswerk in Köln-Nippes wird Ende Februar den Betrieb aufnehmen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Wichtige Strecken sollen bis zum Jahr 2018 digitalisiert werden

Mitte 2018 soll eine Machbarkeitsstudie zum Ausbau der neuen funkgesteuerten Signaltechnik – des European Train Control System (ETCS) – und zur Einführung digitaler Stellwerke in Deutschland vorliegen. Die Bundesregierung hat die Studie in Auftrag gegeben. Sie soll die technische Umsetzung, den Zeitplan, die Finanzierung und den wirtschaftlichen Nutzen aufzeigen.

Die Einführung von ETCS und digitalen Stellwerken an den Strecken hätte zur Folge, dass die Bahn auf Signale verzichten kann. Züge und Weichen würden per Funk gesteuert. Dazu müssten auch die Fahrzeuge umgerüstet werden. Beim Zugsicherungssystem ETCS, das europaweit nach einem einheitlichen Standard arbeitet, erhalten die Lokführer die Fahrbefehle per Funk direkt in den Führerstand. Ein spezielles Mobilfunknetz gibt es bereits.

Das gesamte Streckennetz der Bahn umfasst 33 000 Kilometer. 80 Prozent davon könnten bis 2030 umgerüstet sein. Der für die Infrastruktur verantwortliche Bahnvorstand Ronald Pofalla geht davon aus, dass die Wirtschaftsräume entlang wichtiger Verkehrskorridore zuerst umgerüstet werden. Das sei eine Vorgabe der EU, um möglichst schnell Effekte zu erzielen. Dazu zählt auch der 1450 Kilometer lange Rhein-Alpen-Korridor zwischen Rotterdam und Genua, der über Duisburg und Köln führt. Dieser Bereich soll bis zum Jahr 2022 ausgerüstet sein.

Über die Kosten der Digitalisierung macht die Bahn bisher keine Angaben. Der Pofalla-Vorgänger, Ex-Infrastrukturvorstand Volker Kefer, hatte zuletzt von 20 bis 25 Milliarden Euro gesprochen; Experten gehen von rund 15 Milliarden Euro aus. Pofalla hält die Digitalisierung für einen „zentralen Baustein, um das verkehrspolitische Ziel umzusetzen, mehr Verkehr auf die Schiene zu holen“.

Der Ausbau von ETCS und digitaler Stellwerke verlange „große Anstrengungen der öffentlichen Hand, der Bahnen und der Industrie. Das wird aber sehr gut angelegtes Geld sein, denn alle profitieren“, so Pofalla. Angesichts steigender Transportmengen müsse die alte Technik ersetzt werden.

Der Bahnknoten in Köln in Zahlen

1220 Züge fahren täglich über die Hohenzollernbrücke. Die S-Bahn auf eigenen zwei Gleisenauf der Nordseite, Fern- und Nahverkehr müssen sich vier Gleise teilen.

280.000 Menschen steigen täglich im Hauptbahnhof ein und aus. Wie viele davon ein Ziel haben, das im Rechtsrheinischen liegt, ist noch nicht untersucht worden.

15 Projekte umfasst der Ausbaukatalog zum Bahnknoten. Wichtig sind die Erweiterung des Hauptbahnhofs und des Deutzer Bahnhofs um je zwei S-Bahn-Gleise.

2,5 Minuten Abstand zwischen zwei S-Bahnen wären nötig, um die Pendlerströme im Berufsverkehr zu bewältigen. Derzeit sind es maximal 3,3 Minuten.

12 Minuten braucht ein ICE, um über den Rhein in den Hauptbahnhof zu fahren, dort zu wenden und den Bahnhof in gleicher Richtung wieder zu verlassen.

7 Fahrdienstleiter regeln auf dem elektro-mechanischen Stellwerk am Eigelstein den Verkehr im Hauptbahnhof – mit einer Technik, die fast 50 Jahre alt ist.