Junge Drag-Queens feiern Premiere im Klüngelpütz-Theater und erzählen, wie es dazu kam, dass sie in glamouröse Frauenkleider schlüpfen.
Drag-Show im Klüngelpütz„Köln ist Schwulenhauptstadt – aber ohne Orte für Travestie“
„Köln ist Schwulenhauptstadt und trotzdem fehlen Orte, wo Travestie und Dragkunst stattfinden können“, sagt Joel Flemm, der sich auf der Bühne in Roxy Rex verwandelt. Dazu braucht er eine schwarze Perücke, High-Heels, ein enges Korsett – und roten Lippenstift. Abseits der Schaafenstraße gebe es nicht viele queere Treffpunkte, und dort gehe man ohnehin eher zum Feiern hin.
Um eine gute Dragshow zu sehen, „treffen wir uns dort und fahren dann gemeinsam in andere Städte“, erzählt der 20-Jährige. Roxy Rex, Mary Lou, bürgerlich Marlon Roth, und Damaris Scheel: Das sind: Whipped Cream. Sie wollen weg von den schummrigen Clubs, weg vom Paradiesvogel-Klischee und endlich ins Theater, um die hohe Dragkunst zu zeigen: Im Klüngelpütz am Neumarkt feiern sie am 23. März erstmals zusammen Premiere auf einer Bühne und kommen damit ihrem Traum, Bühnenshows zum Hauptberuf zu machen, ein Stück näher. Dabei sei die Suche nach einer Location sehr schwierig gewesen.
In Köln wir nur wenig Drag-Kunst auf Bühnen gezeigt
„Wir haben in Köln wirklich alles angeschrieben, was es gibt. Es hieß entweder, dass so ein Format nicht passt oder wir haben erst gar keine Rückmeldung bekommen“, sagt Mary Lou. „In Düsseldorf gibt es sogar eine Dragshow im Schauspielhaus, und die ist immer ausverkauft.“
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Die Idee von Whipped Cream: Die Fusion aus Burlesque und Theater, inspiriert von glamourösen Shows der 50er-Jahre. „Was uns abhebt von anderen Dragshows ist dieser Fokus auf theatrale Aspekte, wir haben kleine Szenen eingebaut, eine kleine Handlung, es gibt musikalische Elemente“, so Roth.
Wie alles begann? „Ich hatte schon immer einen femininen Teil als Mann. Als ich mal bei der amerikanischen Show ‚RuPaul’s Drag Race‘ dabei war, war ich inspiriert und habe gedacht: Das kann ich auch“, erzählt Roxy Rex. Also ist der 20-Jährige im Juni 2022 gestartet und von CSD zu CSD gereist. Ob Münster, Krefeld oder Berlin: „Überall wurde ich gefeiert.“ Das habe Lust auf mehr gemacht. Damaris Scheel, die von der Grafik bis hin zur Organisation das Management der kleinen Gruppe übernimmt, und er kennen sich noch aus der Schule und haben gemeinsam eine Ausbildung im Grafikdesign gemacht.
Als Flemm und Roth sich dann auch noch in Düsseldorf am Bahnhof kennenlernten, kam eins und eins zusammen. „Wir haben dann Burlesque und Travestie vereint“, sagt Roth. Der 20-Jährige, der Medienmanagement in Köln studiert, war schon zu Schulzeiten bei Musical- oder Theaterproduktionen dabei. Während des Lockdowns in der Pandemie fing er dann an, sich im Schlafzimmer zu schminken.
„Das war wie bei Roxy ein Weg, um meine Weiblichkeit auszuleben. Während man sonst nicht dafür gefeiert wird, ist die Bühne der Ort, wo es zelebriert werden kann. Beim Newcomer-Contest in Frankfurt habe ich bei meinem ersten Auftritt gewonnen und so habe ich Fuß in der Szene gefasst.“ Dass seine Eltern, allen voran seine Mutter, seine größten Unterstützer sind, sei besonders und stärke ihn.
Klüngelpütz-Chefin: „Frivolität fehlte uns im Programm“
„Meine Mutter ist eine riesige Inspiration für mich. Vor Auftritten schicke ich ihr immer Fotos meiner Outfits und frage sie. Für die Show haben meine Eltern sich direkt Plätze in der ersten Reihe gekauft. Ich habe irgendwann entschieden, dass ich mich nicht dafür entschuldigen werde. Wenn jemand ein Problem damit hat, dann ist das in Ordnung“, sagt Roth selbstbewusst. Ihm sei klar, dass er mit seiner Familie sehr viel Glück habe, obwohl ein solcher Support selbstverständlich sein sollte. Auch bei Roxy Rex alias Joel Flemm ist das Umfeld informiert. „Ich musste mich langsam herantasten, aber nun wissen es alle, Eltern, Großeltern, meine Arbeit. Meine Eltern werden auch in der ersten Reihe sitzen bei der Premiere.“
Theaterchefin Marina Barth ist überzeugt von dem jungen Trio. „Wir versuchen in unserem Programm möglichst in jeder Hinsicht abzubilden, was in dieser Stadt los ist. Travestie und Burlesque – diese Frivolität – fehlte uns derzeit. Wir wollen dem eine Plattform geben. In Köln denkt man, man sei tolerant, aber das stimmt nicht. Diese jungen Leuten sind sehr engagiert“, so Barth.
Die Premiere am 23. März ist ausverkauft, am 28. Juni ist eine weitere Show geplant, ein dritter Termin wird noch bekannt gegeben.