Bastian Blaut musste in laufender Verhandlung von einer Kollegin ersetzt werden.
Oberstaatsanwalt betroffenDramatischer Vorfall bei Kölner Mordprozess um getöteten Dara K.
Kurz vor dem Urteil kochten beim Mordprozess um den erstochenen 15-jährigen Dara K. noch einmal die Emotionen hoch. Als sich der Haupttäter im Landgericht an die Familie wandte, ergriff der Vater des Getöteten das Wort und redete pausenlos dazwischen. Der Richter geriet in Rage. „Verdammte Scheiße“, fuhr er den Nebenkläger an und drohte diesem mit Rauswurf. Zuvor hatten sich schon ein Verteidiger und der Staatsanwalt verbal duelliert. Dabei kam es zu einem dramatischen Vorfall.
Köln: Verteidiger fordert milde Strafe für seinen Mandanten
Zunächst hatte Verteidiger Ingmar Rosentreter das Wort. Dieser forderte ein mildes Urteil für seinen Mandanten Mehmet Y. (27), dem gemeinschaftlicher Mord vorgeworfen wird. Als einzigem Erwachsenen auf der Anklagebank droht ihm eine lebenslange Haftstrafe, die Oberstaatsanwalt Bastian Blaut beim vorherigen Verhandlungstag auch gefordert hatte. Rosentreter sah jedoch nur die Entführung des 15-Jährigen mit Waffengewalt als erwiesen an. Mit der Tötung habe Y. nichts zu tun.
Rosentreter betonte, dass man sich von einer möglichen moralischen Schuld seines Mandanten lösen müsse. Nicht dieser habe Dara K. auf der Insel im Mülheimer Hafen erstochen, sondern ganz allein der Mitangeklagte 19-jährige Joshua M. Es habe keine Aufforderung gegeben, auch nicht mit einem Kopfnicken. Weiter sei es gelogen, dass er das Opfer bei den tödlichen Stichen unter Vorhalt einer Schrotflinte in Schach gehalten habe. Das hatte der Mittäter ebenfalls behauptet.
Alles zum Thema Amts- und Landgericht Köln
- Keine Strafe nach Tragödie auf A3 So begründet das Kölner Landgericht das plötzliche Prozess-Ende
- Landgericht Köln Mann soll Zwölfjährigem aus Rhein-Erft Geld für Sex gezahlt haben
- Prozess Von mildem Urteil bis 13 Jahren Haft ist für Leverkusener Messerstecher alles möglich
- Kopfschuss in Köln-Mülheim Lebenslange Haftstrafe für Rockermord ist rechtskräftig
- „Sehnlichst den Tod herbeigewünscht“ Tochter spritzt Mutter Überdosis Insulin – Vier Jahre Haft
- „Sämtliche Beweggründe waren niedrig“ Lebenslange Haft im Fall Dara K. für mutmaßlichen Kopf der Bande gefordert
- Prozess in Köln Kinderpflegerin legt Feuer in ihrer Kita und in Wohnhaus – jetzt droht härtere Strafe
Köln: Neun Jahre Gefängnis für Haupttäter gefordert
Für Joshua M. hatte der Staatsanwalt eine Haftstrafe von neun Jahren nach Jugendstrafrecht beantragt und ihm geglaubt, von dem älteren Angeklagten aufgefordert worden zu sein. Die Verteidiger Pantea Farahzadi und Daniel Schmidt sahen jedoch kein Mordmerkmal und setzten sich für eine Strafe von lediglich sieben Jahren Gefängnis ein. Angst sei das tatleitende Motiv gewesen – auch vor dem Mitangeklagten. Anwalt Rosentreter hatte das als nicht glaubhaft bezeichnet.
Unstreitig ist das Vorgeschehen. Nach Streitigkeiten im Drogenmilieu – Dara K. soll erst Drogen für die Bande rund um die Angeklagten, dann für die Konkurrenz verkauft haben – eskalierte die Situation im März vor einer Kneipe in Mülheim. Der 15-Jährige soll hier eine Waffe gezogen haben, woraufhin Mehmet Y. selbst zur Schrotflinte gegriffen habe. Danach habe dieser Dara K. eine Lektion erteilen wollen. Es folgte die Entführung zum Hafen. Joshua M. hatte den Jungen im Schwitzkasten.
Köln: Verteidiger kritisiert den Staatsanwalt scharf
Zuvor war die Anklageschrift von einem gemeinsamen Mordplan von vier Angeklagten ausgegangen. Ein 20-Jähriger hatte die Haupttäter auf dem Weg zur Kneipe ein Stück begleitet und eine Sporttasche an sich genommen, in der sich zuvor die Schrotflinte befunden hatte. Ein Gleichaltriger hatte nach der Tötung in einer Tankstelle Grillanzünder gekauft – damit wurde nahe eines Friedhofs die blutige Kleidung von Dara K. verbrannt, die die Täter mitgenommen hatten.
Verteidiger Markus Haupt kritisierte, dass sein Mandant für den Kauf von Grillanzünder ganze acht Monate in Haft habe verbringen müssen. Oberstaatsanwalt Blaut hatte dem 20-Jährigen gesagt, er solle sich schämen, die wahren Mörder so lange gedeckt zu haben. Er hätte nicht eine Minute in U-Haft sitzen müssen, hätte dieser direkt den Mund aufgemacht. Anwalt Haupt stellte das als unwahr dar, da sich Blaut noch gegen die schließlich im Prozess erfolgte Haftentlassung gesperrt habe.
Köln: Tumult beim letzten Wort – Staatsanwalt fällt aus
„Das ist an Hohn und Spott nicht zu überbieten“, warf Haupt dem Oberstaatsanwalt an den Kopf. Blaut solle sich selber schämen. Überhaupt sei das Motiv für seinen Mandanten an den Haaren herbeigezogen gewesen. Blaut unterstellte dem „jungen Kollegen“ danach, die Strafprozessordnung nicht richtig zu kennen. Dann der Schockmoment: Blaut stöhnte laut auf, griff sich an die Brust. Der Richter rief nach einem Notarzt. Eine Kollegin übernahm danach für den Oberstaatsanwalt, der das Gericht laut Richter aber auf eigenen Beinen verlassen konnte.
Im sogenannten letzten Wort entschuldigte sich Joshua M. dann bei der anwesenden Familie des Getöteten. Der Vater schimpfte, auch Angehörige im Zuschauerraum wüteten – wie bereits beim Prozessauftakt. Eine Anwesende soll hierbei den 20-Jährigen bedroht haben, der sich auf freiem Fuß befindet. Der Vorsitzende Richter Ansgar Meimberg sorgte daraufhin für Polizeischutz.
Ein Urteil in dem spektakulären Schwurgerichtsverfahren will das Gericht am Mittwoch verkünden.