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Geld nach jedem TreffenKölner Landgericht verurteilt Missbrauchstäter zu dreieinhalb Jahren Haft

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Das Kölner Landgericht verurteilte den Angeklagten am Mittwoch zu dreieinhalb Jahre Gefängnis. (Archivbild)

Das Kölner Landgericht verurteilte den Angeklagten am Mittwoch zu dreieinhalb Jahre Gefängnis. (Archivbild)

Zum Prozessauftakt Anfang der vorigen Woche hatte der Angeklagte über seine Verteidigerinnen ein Geständnis abgelegt, das die Kammer bei der Urteilsfindung würdigte.

Am 6. Dezember des vergangenen Jahres musste Michel T. bei der Polizei zu einer sogenannten Gefährderansprache erscheinen. Ein solches Gespräch dient der Verhütung von Straftaten. Ein Nachbar hatte sich bei der Polizei gemeldet und angegeben, er habe verdächtige Kontakte des damals 54 Jahre alten Mannes zu Minderjährigen beobachtet. Die Ansprache ließ Michael T. vorsichtiger werden. Doch sie hinderte ihn nicht daran, am 24. Februar erneut einen zwölfjährigen Jungen aus der Nachbarschaft zu missbrauchen. Dafür und für weitere Delikte hat ihn das Kölner Landgericht am Mittwoch zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Damit blieb die 2. Große Strafkammer unter Vorsitz von Christoph Kaufmann um zwei Monate unter dem Strafmaß, das die Staatsanwaltschaft beantragt hatte.

Zum Prozessauftakt Anfang der vorigen Woche hatte Michael T. (Name geändert) über seine Verteidigerinnen ein Geständnis abgelegt, das die Kammer bei der Urteilsfindung würdigte. Der Angeklagte habe das Geschehen ohne „Bagatellisierung“ und „taktisches Lavieren“ erzählt, sagte Kaufmann. Zudem habe sein Geständnis dem heute 13 Jahre alten Opfer die Aussage vor Gericht – in Abwesenheit des Täters – wesentlich erleichtert.

Angeklagter gab Zwölfjährigen Geld nach Treffen

Die Beweisaufnahme hat die Vorwürfe weitgehend bestätigt. Danach sprach T., der als Hausmeister zuletzt mit reduzierter Stundenzahl arbeitete, weil er seine todkranke Mutter pflegte, den Jungen auf der Straße in Mülheim wiederholt an und schlug ihm vor, den Ford Fiesta des Angeklagten gegen Entgelt zu reinigen. Am verabredeten Tag fuhr der Mann mit dem Kind zum Parkplatz an den Zwillingsgasbehältern zwischen Piccoloministraße und Mülheimer Ring. Dort zeigte er ihm Pornohefte und fasste ihn im Intimbereich an.

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In einem Fall fuhr er mit dem Zwölfjährigen anschließend in die Garage des Angeklagten und filmte ihn mit seinem Handy dabei, wie er sich befriedigte. Im Fall vom 24. Februar fuhr Michael T. mit dem Jungen von den Gasbehältern zu der Wohnung seiner kurz zuvor verstorbenen Mutter und brachte ihn auf der Couch dazu, sich auf sexuelle Handlungen einzulassen, bis der Junge darum bat aufzuhören. Dieser traf sich danach mit seinem besten Freund, den er Hilfe suchend aus dem Badezimmer angerufen hatte, und gemeinsam verständigten sie die Polizei. Bei allen Treffen hatte T. dem Zwölfjährigen ein bisschen Geld gegeben.

Offensichtlich habe der Angeklagte, der keine langfristige Beziehung zu einer Frau aufbauen konnte, gegen seine Neigung zu pubertierenden Jungen angekämpft, sagte der Vorsitzende Richter. Denn bei T. wurden Aufzeichnungen von Fernsehbeiträgen und Bücher gefunden, die Pädophilie als Problem thematisieren. Die Neigung des Angeklagten habe sich allerdings nicht suchtartig bis zu dem Grad gesteigert, dass seine strafrechtliche Verantwortlichkeit eingeschränkt gewesen sei, so Kaufmann.

Angeklagter: Belastung durch „problematische Familiengeheimnisse“

Dabei führte er mehrere Aspekte an, die man Michael T. außer dem rückhaltlosen Geständnis und der ehrlichen Reue zugutehalten müsse, darunter die Belastung durch „problematische Familiengeheimnisse“: Spät erfuhr der Angeklagte, der in einfachen Verhältnissen aufgewachsen ist, dass der Mann seiner Mutter, der ihn schlecht behandelte und mehrfach inhaftiert war, nicht sein biologischer Vater war; und er wurde als Kind sowohl von einem älteren Bruder als auch vom Betreuer einer Ferienfreizeit selbst sexuell missbraucht. Seit einem Schlaganfall sei T. gesundheitlich stark angeschlagen, er wolle eine Therapie machen, um seine Neigung in den Griff zu bekommen, und habe als „symbolische Geste“ 6000 Euro Schmerzensgeld gezahlt, führte der Vorsitzende aus.

Junge leidet unter den Tatfolgen

Gegen den 55-Jährigen spreche, dass er sich die Gefährderansprache nicht zur Warnung habe dienen lassen, die Übergriffe geplant und das Kind durch die Zahlungen bei den Treffen gleichsam „prostituiert“ habe. Der Junge, dessen Eltern als Nebenkläger am Prozess teilnahmen, leide erheblich unter den Tatfolgen, sei oft traurig, nässe ein, habe Schlafstörungen und diffuse Ängste, vor allem aber Angst, dem Angeklagten wieder zu begegnen, sagte Kaufmann. Der Missbrauch habe „die ganze Familie erschüttert“ – eine Familie, die offenbar gut zusammenhalte. Auch deshalb sei die Kammer „optimistisch“, dass der Junge die Probleme bewältigen werde.