Ehrenfeld – Acht Jahrzehnte liegen zwischen den Verbrechen der Nazizeit und den aktuellen Gewalttaten durch Rechtsextreme. Unter diesem Eindruck und unter dem Schock, dass bei den Landtagswahlen in Thüringen kürzlich mehr als ein Viertel der Stimmen auf die AfD entfielen, stand das Gedenken an die Pogromnacht von 1938 und die Hinrichtungen von 1944 in Ehrenfeld.
In seinem traurigen Lied von den treuen Edelweißpiraten beschrieb Liedermacher Rolly Brings, was sich am Ehrenfelder Bahndamm am 10. November 1944 abgespielt hat: Die Hinrichtung von elf jungen Männern, der Jüngste von ihnen war gerade mal 16 Jahre alt, durch die Gestapo. Das grausame Spektakel verfolgten mehrere hundert Menschen – viele unter Zwang und aus Furcht, womöglich selbst verfolgt zu werden, etliche aber aus freiem Willen. Die Bühne, auf der Rolly Brings genau 75 Jahre später seine Gitarre spielte und Redner ihre Appelle an die Zuschauer richteten, befand sich ziemlich genau dort, wo einst der Galgen stand.
Schweigemarsch über die Venloer Straße
„Gerade deshalb muss an dieser Stelle ein Mahnmal bleiben, damit auch bei unseren Kindern ständig die Erinnerung an diese Verbrechen wachgehalten wird“, forderte Oberbürgermeisterin Henriette Reker bei ihrem kurzen Auftritt bei der Gedenkveranstaltung. Sie rief außerdem dazu auf, Zivilcourage zu zeigen und einzuschreiten bei antisemitischen Äußerungen und rechter Gewalt.
Bevor sich die etwa 800 Menschen an der Bartholomäus-Schink-Straße versammelten, zogen sie in einem Schweigemarsch von der Körnerstraße über die Venloer Straße und Ehrenfeldgürtel zum Bahndamm. Zum Beginn in der Körnerstraße sprach Miguel Freund, Vorstandsmitglied der Kölner Synagogengemeinde. Dort, wo sich heute der Kulturbunker 101 befindet, befand sich von 1927 bis zur Pogromnacht von 1938 eine Synagoge mit einer Singschule. Als die Synagoge brannte, hätten Feuerwehrleute nur dafür gesorgt, dass das Feuer nicht auf Nachbargebäude übergriff, berichtete Rolly Brings, der mit Zeitzeugen gesprochen hatte. Auch an dieser Stelle erinnert eine Gedenktafel an die Gräueltat der Nationalsozialisten.
Wirges warnt vor AfD
Miguel Freund erinnerte an eine Vielzahl von Schändungen und Gewalttaten gegen Juden und jüdische Einrichtungen, die nach 1945 in Deutschland verübt wurden. Schon kurz nach dem Wiederaufbau der Kölner Synagoge vor 60 Jahren sei diese mit Hakenkreuzen beschmiert worden. Damals habe es geheißen: „Es ist genug“, doch die Gewaltakte setzten sich fort bis zu den jüngsten Morden in Halle an der Saale. „Empört euch, steht auf zum Widerstand. Es ist genug“, rief er an die nichtjüdische Bevölkerung gewandt.
Auch Josef Wirges gab sich kämpferisch. „Ehrenfeld setzt ein starkes Zeichen gegen den braunen Sumpf“, rief er. Jeder, der die AfD wähle, müsse sich darüber im Klaren sein, dass er sich mitschuldig mache an der Demontage der Demokratie. Zugleich forderte er, dass der Verfassungsschutz die Partei beobachten solle. Auch Jörg Detjen (Die Linke) als Sprecher von „Köln stellt sich quer“ betonte, dass es nur mit dem Engagement von Gerichten, der Polizei, Bund, Ländern und kommunaler Organe gelingen könne, die Demokratie zu verteidigen. Demokratien seien nicht mit Nationalismus und Ausgrenzung vereinbar. Darüber zerbrechen die demokratischen Strukturen. „Das ist dann eine Steilvorlage für die rechtsextremen Kräfte. Das ist deren Kalkül“, so Detjen.