NRW-Innenminister Herbert Reul erwartet, dass die Fußballclubs mehr gegen Gewalt tun – und schlägt personalisierte Stadiontickets vor.
„Das war mehr als ein normaler Angriff“Was Kölner Polizei und Minister nach Gewalt im Derby jetzt fordern
Der Anlass, an dem sich nach Spielschluss die Gewalt hinter dem Stadion entzündete, war ein denkbar harmloser. Streng genommen war es nicht mal ein Anlass. Ein Fußballfan von Bayer Leverkusen war auf dem Weg zu seinem Auto oder Fahrrad, das er vor dem Derby an der Junkersdorfer Straße abgestellt hatte, gleich hinter der Südkurve. Dort also, wo die Ultra-Anhänger des 1. FC Köln ihre Stammplätze haben.
Der Mann wollte nach Hause fahren, sah sich aber – nach allem, was man weiß – plötzlich zwei Kölnern gegenüber. Sie sollen ihn angepöbelt haben, es wurde hitzig, dann sollen die beiden Kölner zugeschlagen haben. Bereitschaftspolizisten sahen das und wollten schlichten. Dies wiederum soll ungefähr 500 Kölner Anhänger, die auf ihrem üblichen Fanmarsch vom Stadion ins Vereinsheim in Vogelsang waren, veranlasst haben zu stoppen, umzukehren und die Polizisten anzugreifen.
Köln: Angreifer warfen Fahrräder, Äste und Steine auf Polizisten
Einige hätten Pyrotechnik, Fahrräder, Äste und Steine auf die Beamten geworfen, teilte Polizeisprecher Carsten Rust mit. Zwei Beamte seien wohl durch umherfliegende Gegenstände leicht verletzt worden, hätten aber weiter arbeiten können. Die Polizei habe Ältere sowie Eltern und Kinder gehen lassen und den Rest der Gruppe eingekreist, um die Personalien potenzieller Straftäter unter ihnen festzustellen. Acht Personen, die sich an den Angriffen beteiligt haben sollen, seien noch vor Ort identifiziert worden, sagte Oberstaatsanwalt Ulf Willuhn. Die übrigen wolle man nun über Videoaufzeichnungen nachträglich identifizieren. Die Polizei hat eine Ermittlungsgruppe gegründet.
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Ein am Einsatz beteiligter Hundertschaftsbeamter sagt im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“: „Da willst du eine Schlägerei schlichten und kriegst plötzlich Druck von 200 Mann. Was stimmt mit diesen Leuten nicht?“ „Ungeheuerlich“ sei der Vorfall, sagt NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) am Montag. „Das war mehr als ein normaler Angriff auf Polizeibeamte. Das sind die Verrückten, die sich beim Fußballspiel nicht benehmen können, Gewalttäter, die behandelt werden wie alle anderen Gewalttäter auch.“
Reul nimmt aber auch die Bundesligavereine in die Pflicht: „Die müssen sich da langsam auch mal drum kümmern. Viele Vereine tun nicht genug. Solche Leute gehören gar nicht ins Stadion. Ich verstehe nicht, warum wir uns in Deutschland so schwer tun mit personalisierten Tickets. Wenn man die Namen der Leute auf die Tickets schreibt, kann man sagen: Wer sich nicht benimmt, der kommt hier nicht mehr rein. Diese Fragen müssen die Vereine beantworten.“ Die Polizei habe am Sonntag gut gearbeitet.
Im Stadion selbst allerdings ist der 1. FC Köln mit seinem Ordnungsdienst für die Sicherheit zuständig. Die Polizei greift erst ein, wenn die Lage außer Kontrolle gerät. Beim Derby gab es während des Spiels üble Szenen auf dem Oberrang Nord zu sehen. Anhänger beider Lager droschen über die Plexiglasabtrennung der Fanblöcke mit Fahnenstöcken und Fäusten aufeinander ein. Ein Kölner Gewalttäter schlug einem Leverkusener Ordner so heftig mit der Faust gegen den Kopf, dass der Mann bewusstlos wurde.
Wie die Staatsanwaltschaft mitteilte, wurde während des Spiels außerdem ein zehnjähriges Kind durch Pyrotechnik leicht verletzt. Es sei von den brennenden oder verglühenden Resten oder der Asche einer Pyrofackel oder eines Rauchtopfes getroffen worden, sagte Oberstaatsanwalt Ulf Willuhn. Der Gegenstand wurde nach ersten Erkenntnissen von Leverkusener Fans im Oberrang gezündet, die herabfallenden Reste trafen das Kind im Unterrang. Es wurde von Sanitätern behandelt.
Auch Michael Mertens, Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), erwartet, „dass sich alle Vereine, die DFL und der DFB ganz klar von Straftaten und Gewalt im Fußball distanzieren. Manche Vereine tun das gar nicht oder nicht deutlich genug.“ Am Sonntag sei es dem großen Polizeiaufgebot zu verdanken gewesen, dass die Situation nicht weiter eskaliert sei.
Im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ stellt der Gewerkschafter die so genannten Fanmärsche in ihrer jetzigen Form in Frage. Auch mehrere hundert Leverkusener, darunter viele Ultras, waren vor Spielbeginn vom Hauptbahnhof durch die Innenstadt zum Neumarkt spaziert, eskortiert von der Polizei, unterwegs wurden Straßen gesperrt. Es blieb aber friedlich.
„Woher kommt eigentlich der Anspruch aus der Fanszene, diese Fanmärsche durchführen zu dürfen?“, fragt Mertens. „Jeder Schützenverein, der einen Aufzug oder eine Parade im öffentlichen Raum machen möchte und damit zum Beispiel den Verkehr beeinträchtigt, muss das als Veranstaltung bei der Polizei anmelden und Auflagen akzeptieren. Dasselbe sollte für Fanmärsche auch gelten.“
Und der 1. FC Köln? Stellte am Montagnachmittag vier Sätze zu den Vorfällen auf seine Homepage. Man verurteile die gewalttätigen Auseinandersetzungen, die zu Verletzungen bei Fans, Ordnern und Polizisten geführt hätten, wird FC-Geschäftsführer Philipp Türoff da zitiert. „Diskriminierung und Gewalt zählen zu den roten Linien, die wir im Umgang mit unseren Fans immer wieder deutlich ziehen.“ Der 1. FC Köln stehe mit den verletzten Ordnern in Kontakt und hoffe, dass es allen schnell besser geht. „Außerdem untersuchen wir die Vorgänge und unterstützen die täterorientierte Aufklärung der Vorfälle durch die Polizei.“