- Für Männer, die in der Partnerschaft angegriffen werden, gibt es kaum Unterstützung oder Unterschlupf.
- „In den meisten Fällen heißt es: Warum hast du dich nicht gewehrt?“, sagt Klaus Schmitz, der als Berater beim Kölner Sozialdienst katholischer Männer (SkM) mit Opfern häuslicher Gewalt arbeitet.
- Doch ein ganz typischer Ablauf sei laut dem Männerberater: Die Frau erpresst den Mann, weil sie im Fall eines Sorgerechtsstreits die besseren Chancen hat.
- Ein Betroffener berichtet.
Köln – Herr M. musste sich lange überwinden, bevor er es das erste Mal aussprach. „Meine Frau schlägt mich.“ Kann für viele wie ein Kalauer klingen, wie: Mann beißt Hund. Witzig war daran nichts.Die tiefe Stimme von Herrn M. verrutscht immer wieder, während er langsam seine Version der Geschichte erzählt. Einmal schubst seine Frau ihn, während er das gemeinsame Kleinkind auf dem Arm hält, ein anderes Mal zerreißt sie vor Wut sein Hemd. Sie beleidigt und erniedrigt ihn, nicht täglich, aber regelmäßig. Irgendwann überwindet sich Herr M. Mit Blutergüssen am Arm geht er zur Polizei.„Die Reaktion war: Was soll das? Wieso kommen Sie erst jetzt?“, erzählt Herr M. Als ob das so leicht wäre. Er denkt zu diesem Zeitpunkt ja selbst, dass er ein Weichei ist. Der skeptische Blick des Polizisten, nachdem er erfahren hat, woher die Wunden stammen, bestätigt sein eigenes Urteil. Die Anzeige wegen häuslicher Gewalt zog er wieder zurück, sagt er, weil seine Frau Druck machte.Herr M. trägt zum Gespräch ein schwarzes Polo-Hemd, hat kurze graue Haare und sieht älter aus, als er ist. Er will im Text unerkannt bleiben, keine Details über sein Leben sollen hier stehen. Nur so viel: Er ist erfolgreich im Job, hat Personalverantwortung. Das ist ihm wichtig. Er ist ein Mann, der kein Opfer sein will.
Für viele auch keins sein darf. Weil ein Mann eben trotz aller Gleichberechtigung noch der Starke ist. Probleme anpackt. Nach außen keine Schwäche zeigt.
„In den meisten Fällen heißt es: Warum hast du dich nicht gewehrt?“, sagt Klaus Schmitz, der als Berater beim Kölner Sozialdienst katholischer Männer (SkM) mit Opfern häuslicher Gewalt arbeitet. Einmal tut Herr M. das, sich wehren. Seiner Frau gegen das Bein treten. So erzählt er es, seine Frau kommt in dieser Geschichte nicht zu Wort. Sie waren übermüdet, erinnert er sich. Das Kind hat geweint und die beiden mal wieder gestritten.
Frau M. ruft die Polizei. Er habe den Tritt sofort bereut, beteuert Herr M. Er geht mit der Polizei mit. Seitdem sei er in den Augen seiner Frau und gemeinsamer Freunde ein Gewalttäter. „Sie wirft mir immer wieder vor, dass ich aggressiv bin, und droht, dass ich mein Kind nicht mehr sehen darf“, sagt Herr M. Deshalb will er sich nicht trennen. Weil er selbst keinen Vater hatte und ein Kind doch einen Vater braucht. Ein ganz typischer Ablauf, sagt Männerberater Schmitz. Die Frau erpresst den Mann, weil sie im Fall eines Sorgerechtsstreits die besseren Chancen hat.
Im Zweifel gelten beide Partner als „Geschädigte“
Bei der Kölner Polizei wurden in diesem Jahr bislang 400 Anzeigen aufgegeben, in denen erwachsene Männer „Geschädigte“ häuslicher Gewalt sind. Sie machen ungefähr ein Drittel aller Fälle aus. Doch die Zahlen seien mit Vorsicht zu interpretieren, erklärt ein Polizist. Wenn die Polizei zu einer Beziehungstat gerufen wird, ist für die Beamten manchmal schwer zu erkennen, wer Opfer und wer Täter ist. Im Zweifel gelten beide Partner als „Geschädigte“. Wer angefangen hat, wird nicht ermittelt. Die Landesregierung spricht von 7000 häuslichen Gewalttaten, die es im Jahr 2018 gegen Männer in NRW gegeben habe.
Eine Studie des Bundeskriminalamts geht davon aus, dass jedes fünfte Opfer häuslicher Gewalt männlich ist. Andere Experten schätzen die tatsächliche Zahl noch höher ein. Viele Männer scheuen aus Angst vor Spott den Gang zur Polizei. Oder sie erkennen die Gewalt, die ihnen angetan wird, nicht als solche. Bei Täterinnen überwiegt in der Regel die psychische Gewalt. Wie Frau M. es auch tut, beleidigen und erniedrigen sie, kontrollieren und erpressen. Sie setzen selten die Fäuste ein, sondern werfen eher mit dem Bügeleisen oder einer Schere.
Hilfsangebote für Betroffene sind selten, die spezialisierten Männerberatungsstellen in NRW kann man an einer Hand abzählen. Für weibliche Opfer gibt es deutschlandweit etwa 6800 Plätze in Frauenhäusern und -wohnungen, für Männer sind es aktuell 24. Der Kölner SkM unterhält seit zwei Jahren zwei Schutzwohnungen für männliche Opfer, in Düsseldorf gibt es seit zwei Monaten die erste Wohnung. Gerade sucht der Träger für ein Landesprojekt eine geeignete Immobilie in Köln, um vier weitere Schutzbedürftige und gegebenenfalls ihre Kinder unterzubringen. Bisher ohne großen Erfolg. Auch Herr M. war ein paar Wochen in einer der Schutzwohnungen. „Dort hatte ich plötzlich gar nichts mehr. Keine eigene Wohnung, keine Familie. Dort hat mich die Einsamkeit erdrückt.“
Hilfe für Betroffene
Von häuslicher Gewalt Betroffene können sich an die Krisen- und Gewaltberatung des Kölner SkM
(klaus.schmitz@skm-koeln.de, 0221/20 74 229) oder unter 0800/12 399 00 anonym an das kostenlose Hilfetelefon wenden.
Zu M.s Berater Schmitz kommen aktuell etwa 20 männliche Opfer häuslicher Gewalt in die regelmäßige Sprechstunde. Unter ihnen sind auch Männer, die in homosexuellen Beziehungen sind. „In den Gesprächen schaffen wir erst einmal ein Bewusstsein dafür, dass der Mann nicht automatisch schuld ist.“ Dann bespricht er mit seinen Klienten, wie sie sich schützen können. Wie sie frühzeitig Grenzen setzen und Demütigungen nicht so lange ertragen, bis sie es nicht mehr aushalten oder selbst gewalttätig werden. Viele seiner Klienten haben bereits einen Suizidversuch hinter sich.
Ein Hilfswerkzeug ist gute Kommunikation. Aber die fällt den meisten Männern schwer, Frauen sind in der Regel verbal überlegen, sagen Experten. „Es gibt eine Sprachlosigkeit bei Männern“, bestätigt Schmitz. „Weil ein Mann kaum Gehör findet, wenn er über seine Gefühle reden will.“ Es gilt die unausgesprochene Regel: Wenn der Fußballverein verliert, darf er weinen. Wenn er Streit mit seiner Freundin hat, nicht. „Heulsuse“ ist schon auf dem Grundschulhof ein Schimpfwort. Ein Indianer kennt keinen Schmerz. Forscher sehen die Probleme auch in der Sozialisation von Jungen.
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Um einen geschützten Raum für Gespräche zu schaffen, hat das Land NRW im April gemeinsam mit Bayern das erste Hilfetelefon für von Gewalt betroffene Männer eingerichtet. Das Angebot werde gut angenommen, heißt es aus dem Gleichstellungsministerium von Ina Scharrenbach. Genau wie bei anderen Hilfetelefonen ist die Anzahl der Anrufer nach Feiertagen besonders hoch, erzählt Björn Süfke vom Verein Man-o-man aus Bielefeld, der das Telefon betreut. „Jede Bitte um Hilfe stellt die männliche Identität in Frage.“ Deshalb ist das Angebot anonym und kostenlos.
Herr M. bemüht sich jetzt, anders mit seiner Frau zu sprechen. Sich auch einmal durchzusetzen, nicht immer gleich klein beizugeben. „Das gelingt mir schon besser“, sagt er.
Denn eine Trennung kommt wegen seines Kindes für ihn nicht in Frage.