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„Machtgier und Männerbünde“Hunderte demonstrieren nahe Woelkis Wohnhaus in Köln

Lesezeit 4 Minuten
Woelki Demo

Demonstrierende in Köln

Köln – Gut 400 Menschen haben am Samstagnachmittag auf dem Börsenplatz und in der Kardinal-Frings-Straße, wo sich das Erzbischöfliche Haus und das Kölner Priesterseminar befinden, für einen Neuanfang im Erzbistum Köln und die Erneuerung der katholischen Kirche demonstriert. Zum Schluss bildeten sie entlang der Straße eine Menschenkette bis zum Maternushaus, der Tagungsstätte des Erzbistums.

Mitorganisatorin und Gemeindereferentin Marianne Arndt, die die Kundgebung, bei der sich Redebeiträge, Gesang und Blasmusik abwechselten, moderierte, sprach davon, „eine Brücke nach Rom zu bauen“. Dies bezog sich darauf, dass im Maternushaus zurzeit die beiden von Papst Franziskus entsandten Visitatoren einquartiert sind. Sie haben die Aufgabe zu untersuchen, ob Kardinal Rainer Woelki und andere hochrangige Geistliche beim Umgang mit Fällen von sexuellem Missbrauch Fehler gemacht haben, und sich ein Bild von der „komplexen pastoralen Situation“ im Erzbistum zu verschaffen. Eine Rolle spielt dabei, dass im März ein Aufarbeitungsgutachten, erstellt von der Kanzlei Gercke Wollschläger, veröffentlicht worden ist. Zwar entlastet es Woelki juristisch, doch Kritiker werfen ihm moralisches Versagen vor.

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Zu „pastoralen Situation" gehört, dass sich seit einiger Zeit an der Basis Widerstand gegen die Bistumsleitung regt. Die Initiative zur Demonstration am Samstag ging von Klaus Koltermann aus, Pfarrer an Kirche St. Pankratius in Dormagen-Nievenheim. Vor gut einer Woche – an dem Tag, an dem Reinhard Marx, Kardinal von München und Freising, sein Rücktrittgesuch publik gemacht hatte – beschloss er, dass es auch für ihn an der Zeit sei, in der Krise ein Zeichen zu setzen. Das tat er mit einem Fußmarsch unter dem Motto „Aufbruch nach Köln – für eine Veränderung der Kirche“. Rasch fanden sich Kooperationspartner, von der Reforminitiative Maria 2.0 über die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands und die Katholische Hochschulgemeinde Köln bis zum Katholischen Deutschen Frauenbund.

„Das kann uns keiner zerreden, selbst ein Bischof nicht“

Mit rund 60 Gläubigen machte sich Koltermann am Samstagmorgen auf den etwa 40 Kilometer langen Weg. Als die Gruppe mit anderthalbstündiger Verspätung auf dem Börsenplatz eintraf, wurde sie mit Jubel begrüßt. „Ich denke, wenn man sich auf den Weg macht, kann man einiges in Bewegung bringen“, sagte er. Es gelte, mutig für Reformen einzutreten – im Sinne Christi: „Die Botschaft Jesu hat uns viel zu sagen. Das kann uns keiner zerreden, selbst ein Bischof nicht“. So unterschiedlich die Gruppe auch zusammengesetzt sei: „Alle hängen an der Kirche, aber sie sind unzufrieden, sie möchten, dass die Kirche sich ändert“.

Menschenkette

Die Demonstrierenden bildeten eine Menschenkette.

Zuvor war Pfarrer Dirk Peters, Seelsorger an der Ursulinenschule, auf das Wort von Kardinal Marx eingegangen, die Kirche sei „an einem toten Punkt“ angelangt. Eine „macht-, amts- und dogmenfixierte Kirche“ sei tatsächlich „tot“, sagte er, und rief dazu auf zu kämpfen, etwa für eine „systemische Veränderung“ der Kirche , eine Teilung und Kontrolle der Macht, einen wertschätzenden Umgang mit „allen Formen des Liebens" und den Zugang von Frauen „zu allen Weihe- und Dienstämtern“. Er zeigte sich zuversichtlich: „Die Macht der Liebe wird stärker sein als der tote Punkt.“

„Verstrickt in Machtgier und Männerbünde“

Scharfe Worte fand Maria Mesrian, Sprecherin der Initiative Maria 2.0. „Die mächtige Institution ist gescheitert an der Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs“, denn sie sei „zu sehr verstrickt in Machtgier und Männerbünde“, sagte sie. Die Kölner Bistumsleitung habe den Missbrauch„in juristischen Floskeln versenkt“. Die Gläubigen, sie selber eingeschlossen, hätten „viel zu lange geschwiegen innerhalb dieser Täterorganisation“.

Dagegen müsse gelten: „Wir sind frei und einzig unserem Gewissen verpflichtet.“ Karl Haucke, ehemaliger Sprecher des Betroffenenbeirats des Erzbistums, sagte, er habe sein Amt aufgegeben, weil ihn die „menschenverachtende Macht der Bistumsleitung“ sprachlos gemacht habe. Er verlangte, die Priesterausbildung umfassend zu reorganisieren und zu ergänzen; das betreffe die Menschenführung, das Kommunikationswesen sowie Moral und Empathie. „Lasst euch nicht beirren, Veränderung ist möglich“, rief er den Demonstranten zu. Die trugen Plakate mit Aufschriften wie „Als Bischof wünsche ich mir eine Hirten, keinen Kirchenfunktionär“ und „Vertrauen verloren! Verantwortung übernehmen! Zurücktreten!“ Zwei Männer hielten ein Transparent hoch, auf dem zu lesen war: „Kirchenamt in Frauenhand“.