Köln im RotlichtSo funktioniert das Geschäft mit der Prostitution
- Für unsere Serie „Köln im Rotlicht“ sind unsere Reporter in die Rotlicht-Szene eingetaucht, haben mit Prostituierten, Freiern, Zuhältern und Bordellchefs gesprochen.
- In der Auftaktfolge werfen sie einen ersten Blick hinter die Kulissen – und sprechen unter anderem mit Janine, die seit mehr als 20 Jahren drogenabhängig ist. Fast genauso lange arbeitet sie als Prostituierte.
Köln – Als Janine ihr Portemonnaie vorzeigt, in dem nur 20 Euro stecken, rastet der Zuhälter aus. Er schlägt ihr mehrfach mit der Faust ins Gesicht, tritt sie zu Boden und sperrt sie in der Wohnung eines Hochhauses in Chorweiler ein. Einmal am Tag schließt er auf und wirft eine Tüte mit Fastfood in den Flur. „Nach ein paar Tagen hat er geguckt, ob die Schwellungen im Gesicht weg sind – ob ich also wieder arbeiten kann.“ -> Hier: Alle 20 Folgen der Serie „Köln im Rotlicht“ im Überblick!
Janine zittert, als sie in einem Redaktionsbüro ihre Geschichte erzählt. Wenn Menschen vorbeilaufen, schaut sie ängstlich Richtung Glastür. Janine, Anfang 40, ist seit mehr als 20 Jahren drogenabhängig. Fast genauso lange arbeitet sie als Prostituierte.
Auf der Geestemünder Straße, im Pascha, in Bordellen am Eigelstein, auf dem Wohnwagenstrich am Eifeltor, in privaten Wohnungen. Der Mann, mit dem sie „zusammen“ sei, ist ihr Zuhälter.
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Caro sitzt auf dem Rand einer großen Matratze mit Latexüberzug in einem Wohnhausbordell im Rechtsrheinischen. „Ich lache über Zuhälter“, sagt sie. „Das sind kleine Pisser. Ein richtiger Mann schickt keine Frau vor. Der macht selbst.“ Caro hat lange blonde Haare, sie trägt schwarze Dessous. „Mit 19 habe ich überlegt: Wie kannst du als Frau richtig Geld machen?“ Sie habe ein Inserat ins Internet gesetzt, eine Wohnung angemietet und einfach losgelegt. Einen Zuhälter habe sie nie gehabt.
„Ich mache das so lange, bis ich finanziell abgesichert bin.“ Aber das Geschäft werde immer härter. Die Rumäninnen und Bulgarinnen hätten die Preise kaputt gemacht. Es klingelt an der Tür. Caro öffnet. Ein junger Kerl, gepflegt, Mitte 20, ein Käppi auf dem Kopf, fragt, ob sie Zeit habe. Caro kommt ins Zimmer zurück und bittet den Reporter, kurz draußen vor der Tür zu warten. Kundschaft gehe leider vor. „Halbe Stunde, dann können wir weiterreden.“
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Laut Stadtverwaltung sind in Köln 1912 Menschen offiziell als Sexarbeiter angemeldet, es sind ganz überwiegend Frauen. Die Registrierung ist Pflicht nach dem Prostituiertenschutzgesetz, das seit zwei Jahren bundesweit in Kraft ist. Die Frauen arbeiten in Wohnungen und Wohnwagen, in Stundenhotels und Luxusherbergen, auf dem Straßenstrich, in Großbordellen, Saunaclubs oder auf Parkplätzen. 1,2 Millionen Euro „Vergnügungssteuer sexueller Art“ von Prostituierten und Bordellbetreibern kassierte die Stadt Köln im Vorjahr. Und noch eine Zahl: Eine Million Männer in Deutschland gehen angeblich täglich zu Prostituierten. Die Zahl kursiert in Medien und im Internet, auch das Statistische Bundesamt rechnet mit ihr. Wer sie ermittelt hat und ob sie stimmt, lässt sich nicht klären.
Fest steht: Sexarbeit ist ein Riesengeschäft, zu dem viele eine klare Meinung haben: Die einen fordern ein Verbot – für Kritikerinnen wie Alice Schwarzer machen die relativ liberalen Gesetze Deutschland zum „größten Bordell Europas“.
Die anderen argumentieren, ein Verbot oder strenge Gesetze beförderten die Flucht in die Illegalität – wie auch das Prostituiertenschutzgesetz. Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern schreibt das Gesetz einen so genannten Hurenpass vor, den die Kommune ausstellt, sowie eine gesundheitliche Beratung. Einige Frauen fühlen sich durch den Pass stigmatisiert. Sozialverbände befürchten, dass sie ihn nicht beantragen und illegal weiterarbeiten. Bei bisherigen Kontrollen in Köln allerdings sei noch keine einzige Prostituierte ohne den Pass aufgefallen, teilt die Stadtverwaltung mit.
Janine zeigt den Lappen mit zwei Lichtbildern und dem Pseudonym ihres Namens. Ein Pass, der sie legitimiert anzuschaffen – der aber keinen Zuhälter davon abhält, sie auszubeuten. ✱✱✱✱✱
Murat empfängt in einer Etagenwohnung in Bocklemünd. Die zwei Söhne sehen im Kinderzimmer fern, seine Frau bringt Bier und Hähnchencurry. „Ihr Beamtenkinder glaubt immer: Oh, wie schlimm, Sex gegen Geld! Nutten! Aber dann gehen die Männer doch heimlich in den Puff. Viele Weiber haben keinen guten Job im Büro wie ihr. Und dann gehen sie halt anschaffen. Vor allem, wenn sie kein Deutsch können und einen Typen haben, der Druck macht.“
Bei vielen Rumäninnen und Bulgarinnen komme der Zuhälter aus der Familie. „Die kennen es nicht anders, als ihrem Mann zu dienen.“ In Laufhäusern und Appartements habe „fast jede Frau einen Typen, der sie abkassiert“.
Murat sagt, er habe mehr als zehn Jahre als Zuhälter gearbeitet. „Ich habe viel Gewalt gesehen – Frauen, die gehalten wurden wie Vieh.“ Wenig später stellt er uns Sandy vor, die dringend Stoff braucht. „Für 50 würde die jetzt alles mit dir machen, was du willst.“
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In den Fluren des Laufhauses „80“ am Eigelstein prangt der Hinweis auf die Kondompflicht – auch dies eine Vorschrift im neuen Gesetz – in jedem Stockwerk. Bei Verstoß drohen hohe Geldstrafen für Freier, Frauen und Bordellbetreiber. „Ein paar machen es ohne Gummi, aber das ist gleich viel teurer“, sagt Günter.
Mit einer schlanken Blonden wird der Handwerkermeister sich schnell einig. „Blasen?“, fragt er. „30, mit Gummi.“ Günter nickt und verschwindet im Zimmer. Den Abend lässt er mit ein paar Kölsch in den Kneipen am Eigelstein ausklingen.
Ein paar Mal im Jahr gönnt er sich eine Tour durch Kölns wohl ältestes Rotlichtviertel. Ob die Frauen, die er für Sex bezahlt, das freiwillig tun? „Weiß ich nicht“, sagt Günter. „Interessiert mich ehrlich gesagt auch nicht sonderlich.“
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Freitagabend. Im Tabledance-Club vom Pascha sind wie jeden Tag die Bläck Fööss, Bernd Stelter, Carolin Kebekus, Ludwig Sebus, die Räuber, die Klüngelköpp und viele andere Kölner Promis zu sehen. Während die Frauen an der Stange tanzen, läuft eine Diashow, die das Who-ist-Who der Kölner zeigt, die beruflich schon mal hier waren. Im Laufhaus nebenan ist Jahr und Tag Alt-OB Fritz Schramma gegenwärtig – freundlich lächelnd bei einer Spendenübergabe für ein wohltätiges Projekt.
Das großformatige Foto hängt im Treppenhaus, das zu den Zimmern der Frauen führt. Pascha-Geschäftsführer Armin Lobscheid sagt, er kooperiere mit allen Behörden, habe nichts zu verbergen. Dass er Fotos der Prominenten zeige, die schon in der Hornstraße aufgetreten seien oder hier gedreht hätten, sei ganz normale Werbung. Den Verdacht, alle Prostituierten würden von Zuhältern abkassiert, hält Lobscheid für ein „Ammenmärchen“.
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Monica sitzt auf einem Barhocker in ihrem Appartementhaus vor den Toren Kölns. Sie nimmt einen Zug von ihrer Slim-Zigarette und sagt: „Das Prostituiertenschutzgesetz hat jemand gemacht, der noch nie im Puff war. Wie will man denn die Kondompflicht kontrollieren?“ Monica vermietet zehn Wohnungen an Prostituierte. Auch prominente Kunden kämen regelmäßig vorbei: Schauspieler, Moderatoren, Bundesligaspieler.
Das noch relativ neue Gesetz verlangt, dass Prostituierte nicht mehr im selben Zimmer arbeiten dürfen, wo sie auch schlafen. Also hat Monica den Keller umgebaut und ein paar Betten reingestellt, sonst hätte sie ihre Konzession verloren. Viele Frauen schlafen trotzdem auch weiterhin lieber in ihren Zimmern.
„Die Kommunen wollen am liebsten alles, was mit Prostitution zu tun hat, ins Gewerbegebiet verlagern“, schimpft Monica. „Appartementhäuser wollen sie ganz dicht machen, weil die Stadt Wohnraum braucht.“ Fatal wäre das, warnt die Portugiesin. „Dann hat man in Köln irgendwann nur noch das Pascha. Aber die anderen Frauen machen ja weiter, nur sind die dann nirgends mehr gemeldet, und keine zahlt mehr Steuern.“
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Daniela (24) arbeitet als Angestellte in einem Büro – für knapp 2000 Euro brutto. „Eine Freundin, die für eine Escort-Agentur gearbeitet hat, verdient das an einem Tag. Es hat sich nicht schlecht angehört, was sie so erzählt hat. Ich bin ein offener Mensch , also habe ich das auch mal probiert.“
Sie habe bei der Agentur gut verdient, aber nicht nur gute Erfahrungen gemacht. „Mit jemandem auf Dienstreise zu gehen, den man nicht sympathisch findet, das wollte ich irgendwann nicht mehr.“ Inzwischen ist Daniela auf einem so genannten Paid-Dating-Portal angemeldet. „Da suche ich selbst aus, mit wem ich chatte und wen ich treffe und verdiene nicht weniger als beim Escort. Unter 200 Euro pro Stunde date ich niemanden.“
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Der Straßenstrich auf der Geestemünder Straße liegt im Nirwana eines Niehler Industriegebiets. „Wenn ein Freier Stress macht, drücke ich den Alarmknopf, dann kommt sofort jemand“, sagt Angie. Die so genannten Verrichtungsboxen sind schmucklose Autostellplätze mit Dach.
Es gibt auch eine Box für Radfahrer und Fußgänger – ein dunkler, miefiger Raum mit Metallbank. Viele Prostituierte hier sind drogensüchtig. Angie sagt, sie habe mit 14 angefangen, als Prostituierte zu arbeiten – gezwungen von einem Zuhälter. „So sicher wie auf der Geeste habe ich mich noch nie gefühlt.“
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Für die ersten drei Stunden mit Mila zahlt Bernd D. 650 Euro. Nachdem sie in einem Kölner Luxushotel Sex hatten, bucht er sie für den ganzen Tag. Mit Mila habe er sich danach noch einige Male verabredet, sie auch mitgenommen zu Essen mit Geschäftspartnern.
„Irgendwann fragte sie mich, ob ich mir eine Beziehung vorstellen könne.“ Konnte er nicht – er hat Familie. Für den Einkommensmillionär waren die Treffen „jeden Cent wert. Ich hatte das Gefühl, dass es ihr auch Spaß gemacht hat“.
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Als Adriana aus dem Kosovo nach Köln kommt, hat sie ein Studium abgeschlossen, aber keine Aufenthaltserlaubnis. Über Kontakte landet sie in einer WG mit zwei Rumäninnen. Beide arbeiten in einem Laufhaus. Da Adriana keine andere Möglichkeit zum Geldverdienen sieht, stellt sie sich in einem Bordell vor. Regelmäßig hätten sich ihr Männer als „Beschützer“ angeboten, erzählt sie heute.
„Ich habe immer Nein gesagt. Ich wollte bei so einem Job nicht auch noch Geld abgeben.“ In einem Laufhaus lernt Adriana eine junge Frau kennen, die ihr selbst gebackene Muffins schenkt. Eva arbeitet für den Verein „Sisters“, der Frauen berät, die aus dem Gewerbe aussteigen wollen. Mit Hilfe von Eva erhält Adriana eine Aufenthaltserlaubnis, ein WG-Zimmer und eine Meldeadresse. Sie sagt: „Ohne ihre Unterstützung hätte ich es nicht geschafft, auszusteigen.“
Glossar
Agisra
Die „Arbeitsgemeinschaft gegen internationale sexuelle und rassistische Ausbeutung“ in Köln ist seit 1993 eine Beratungs- und Informationsstelle für Migrantinnen und Flüchtlingsfrauen. Agisra unterstützt zum Beispiel Frauen, die von Gewalt, Sexismus oder Rassismus betroffen sind, die Sozialarbeiterinnen reden mit Frauen auf dem Straßenstrich, am Eigelstein und in Bordellen. Der Verein sitzt in der Bolzengasse in der Altstadt, Telefon 0221/124019.
Escort
Begleit-Agenturen oder Escort-Agenturen vermitteln Frauen, seltener auch Männer, gegen Honorar für eine vereinbarte Zeit. Die Agenturen dienen als Dienstleister und kassieren eine Provision von den Frauen, die oft zwischen 25 und 35 Prozent liegt. Die Preise für die meistens auch sexuellen Dienstleistungen schwanken, liegen aber nur selten unter 200 Euro pro Stunde und 1500 Euro pro Tag. Viele ihrer Mitarbeiterinnen seien Studentinnen, berichtet eine Kölner Agentur-Chefin. Eine vom Studienkolleg zu Berlin veröffentlichte Umfrage ergab, dass 3,7 Prozent aller Berliner Studierenden als Sexarbeiter im weiteren Sinne tätig sei. Verbände und Behörden gehen davon aus, dass der Großteil der im Escort-Bereich tätigen Frauen freiwillig dort arbeitet.
Hurenpass
Im Juli 2017 ist bundesweit das Prostituiertenschutzgesetz in Kraft getreten. Seitdem müssen Prostituierte einen speziellen Ausweis bei sich tragen, den so genannten Hurenpass. Diese Anmeldebescheinigung, die regelmäßig verlängert werden muss, ist mit Namen, Meldeadresse und einem Foto versehen. Viele Sexarbeiterinnen weigern sich, ihre Anonymität aufzugeben und den Pass zu beantragen – sie fürchten unter anderem Repressionen in ihren Heimatstaaten, in denen Prostitution unter Strafe steht.
Laufhaus
In einem meist mehrstöckigen Laufhaus mieten Prostituierte Zimmer an. Wenn sie auf Freier warten, stehen ihre Türen offen. Der Kunde streift durch die Flure und kommt mit den Frauen ins Gespräch, die vor oder in ihren Zimmern sitzen. Welche Leistungen sie anbieten und welche Preise sie dafür verlangen, bestimmen die Frauen selbst, nicht der Laufhaus-Betreiber. Er kassiert von ihnen nur die tägliche oder monatliche Miete. Der Eintritt in ein Laufhaus ist meistens frei. Wie viele der Frauen tatsächlich selbstbestimmt arbeiten und wie viele ihre Einnahmen an einen Zuhälter abtreten müssen, ist unklar.
Loverboys
Zuhälter, die vor allem Minderjährige und junge Frauen in Clubs und im Internet ansprechen. Sie täuschen ihnen die große Liebe vor, entfremden sie aber tatsächlich von Freunden und Familie und zwingen sie in die Prostitution. Laut Polizeierkenntnissen sind Loverboys in aller Regel Einzeltäter, die oft mehrere Frauen parallel haben, ohne dass die Opfer voneinander wissen.
Menschenhandel
Eine Straftat, auf die zwischen sechs Monate und zehn Jahre Gefängnis steht. Unter Menschenhandel versteht das Gesetz jede Form des Anwerbens, Transports oder Beherbergens von Menschen, um sie auszubeuten – zum Beispiel in der Prostitution, durch Bettelei oder Zwangsarbeit.
Poppers
Slang für eine flüssige, nicht verbotene Droge, die in kleinen Ampullen vertrieben wird und beim Öffnen ploppt. Poppers sollen stark gefäßerweiternd, aphrodisierend, muskelentspannend und schmerzhemmend wirken – und damit helfen, den Geschlechtsverkehr zu verlängern. Werden in fast allen Bordellen verkauft. Können zu Herzrasen, Übelkeit, Erbrechen und Sehstörungen führen, blutdrucksenkende Potenzmittel verstärken die Wirkung.
Prostituiertenschutzgesetz
Seit 1. Juli 2017 ist ein neues Prostituiertenschutzgesetz in Kraft. Es beinhaltet unter anderem die Verpflichtung eines so genannten „Hurenausweises“. Betreiber von Bordellen benötigen eine Erlaubnis und dürfen sich zuvor nicht im Bereich Menschenhandel/Prostitution strafbar gemacht haben. Das Gesetz sieht auch eine Kondompflicht für Freier und eine Gesundheits- und Ausstiegsberatung für Sexarbeiter/innen vor. Sexarbeiterinnen dürfen seit Inkrafttreten des P. nicht mehr in dem Raum schlafen, in dem sie ihre Dienstleistungen anbieten – Bordellbetreiber müssen getrennte Schlaf- und Waschräume anbieten. Das Gesetz soll Sexarbeiter/innen vor Zwangsprostitution, ungeschütztem und gewalttätigem Sex schützen. Interessenverbände und Beratungsstellen kritisieren das Gesetz: Die meisten Prostituierten, die nicht freiwillig arbeiten, würden weiterhin nicht erreicht. Die Sorge, mit einem Hurenausweis identifiziert werden zu können, treibe viele Frauen in die Illegalität.
Das Gesetz hat für Prostituierte in NRW auch positive Effekte, resümiert die Prostituierten-Beratungseinrichtung Kober. So habe sich die Hygiene in vielen Häusern verbessert, auch die Rückzugsmöglichkeiten, Aufenthaltsräume und Beratungen wurden von vielen Frauen als hilfreich beschrieben. Die in vielen Sprachen abrufbare Lola-App unterstützt demnach viele Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter, um sich besser über ihre Rechte, Krankenversicherung, Prävention und Beratungsangebote zu informieren.
Saunaclub/FKK-Club
Die Gäste bewegen sich im Handtuch oder Bademantel durch den Club. Im Eintrittspreis enthalten sind oft Getränke und Speisen. Neben Sauna und Dampfbad gibt es meist eine Bar und separate Bereiche, in denen männliche Besucher mit Prostituierten ins Gespräch kommen. Die Einnahmen werden zwischen der Frau und dem Clubbetreiber aufgeteilt. Die Frauen sind entweder festangestellt, oder sie arbeiten auf eigene Rechnung beziehungsweise für einen Zuhälter, der sie häufig zum Club bringt und wieder abholt. Insider gehen davon aus, dass ein Großteil der Frauen in den Clubs nicht unabhängig von Zuhältern arbeitet.
Sexarbeit/Prostitution
Sexarbeit und Prostitution sind nicht dasselbe. Sexarbeit ist der neutralere Begriff, er beinhaltet keine negative Bewertung. Eine Sexarbeiterin ist eine Dienstleisterin, die einen sexuellen Service anbietet, um damit Geld zu verdienen. Das Wort Prostitution ist negativ belegt: Im Lateinischen bedeutet es, etwas „nach vorne zu stellen“ – sich preiszugeben oder auszustellen. Prostitution wird verbunden mit einem patriarchalen System – Bordellen, Zuhältern und Freiern, die die Regeln diktieren. Bei einer Frau, die auf den Straßenstrich geht, um ihre Drogensucht zu finanzieren, würde man eher von einer Prostituierten sprechen, bei einer Frau, die sich mit Escort-Service ihren Lebensunterhalt verdient, eher von Sexarbeiterin. Bei einer jungen Frau aus Osteuropa, die im Bordell Sex anbietet, ist die Unterscheidung schwieriger – wenn sie dort arbeitet, um die Existenz ihrer Familie zu sichern, spräche man von Sexarbeit, würde sie von ihrem Vater oder Bruder unter Druck gesetzt, anschaffen zu gehen, von Prostitution.
Sozialdienst katholischer Frauen (SkF)
Anlaufstelle im Caritasverband für Frauen und Familien in Not. Seit mehr als hundert Jahren engagiert sich der SkF in Köln für Prostituierte, informiert sie über Rechte und Pflichten, unterstützt sie bei Sorgen in Familie und Partnerschaft und hilft den Frauen beim Ausstieg, wenn sie das wünschen. Die Geschäftsstelle ist am Mauritiussteinweg in der Innenstadt, Telefon 0221/12695-0.
Verrichtungsbox
Garagenähnliche Boxen auf dem Straßenstrich an der Geestemünder Straße in Niehl. Das fußballfeldgroße, eingezäunte Gelände eröffnete im Oktober 2001. Freier fahren dort zunächst durch eine Kontaktzone und dann mit den Frauen in eine der acht Boxen, die in einer alten Scheune untergebracht sind. Es gibt auch Container für Fußgänger oder Radfahrer. In jeder Verrichtungsbox ist ein Alarmknopf an der Wand. Während der Öffnungszeiten sind Sozialarbeiter auf dem Gelände anwesend, Ordnungsamt und Polizei kontrollieren das Gelände regelmäßig.
Weißer Ring
Hilfsorganisation für Menschen, die in Deutschland Opfer von Kriminalität geworden sind. Die ehrenamtlichen Betreuer beraten auch immer wieder Opfer von Menschenhandel und Zwangsprostitution, unterstützen sie bei der Suche nach spezialisierten Rechtsanwälten, bei der Beantragung einer lebenslangen Opferrente oder mit der Zahlung einmaliger Soforthilfen bis zu 300 Euro. Zentrale Anlaufstelle auch für Menschen in Köln ist das Landesbüro in Düren, Telefon 02421/16622.
Zwangsprostitution
Eine besondere Form der Ausbeutung und seit 2016 ein eigener Straftatbestand neben dem Menschenhandel. Vor 2016 war der Begriff rechtlich nicht definiert. Bei Verurteilung drohen dem Täter zwischen sechs Monaten und zehn Jahren Haft. Die meisten Opfer stammen aus Deutschland sowie aus Ost- und Südosteuropa. Häufig werden die Frauen angeworben, indem der Täter ihnen eine legale Arbeit etwa in der Gastronomie oder Hotellerie verspricht.