Neue Präsidentin der TH Köln„Ich hätte nie gedacht, dass mich der Karneval so packt“

Lesezeit 8 Minuten
Die neue TH-Präsidentin Sylvia Heuchemer

Die neue TH-Präsidentin Sylvia Heuchemer

Sylvia Heuchemer ist seit dem 1. Mai Präsidentin der TH Köln. Ein Gespräch über ihre Vision für die Hochschule, Künstliche Intelligenz und Köln.

Frau Heuchemer, seit dem 1. Mai sind Sie nun Präsidentin der Technischen Hochschule Köln, zuvor waren sie 15 Jahre lang Vizepräsidentin für Lehre und Studium. Wie war Ihr Start ins Amt?

Sylvia Heuchemer Ich dachte, ich wüsste ganz genau, was das Präsidentinnenamt mit sich bringt. Was ich aber seit dem 1. Mai lernen durfte ist, dass die politische Dimension deutlich ausgeprägter ist. Als Präsidentin vertrete ich die TH Köln nach außen und stehe für sie in einer ganz besonderen Art und Weise. Es ist eine Ehre und Freude, das tun zu dürfen. Die strategische Ausrichtung und Profilierung der Hochschule zu gestalten – das ist kein neues Thema für mich. Über all die Jahre haben wir als Präsidium die Entwicklung gemeinsam verantwortet,  zusammen mit den Fakultäten und der Hochschulverwaltung.

Wie hat sich Ihr Arbeitsalltag zu dem vorher konkret verändert?

Alles zum Thema Technische Hochschule Köln

Ich habe wesentlich mehr Außentermine, repräsentative Aufgaben, und vertrete die TH Köln in verschiedenen Gremien, sei es in der Landesrektorenkonferenz, aber auch in der Kölner Wissenschaftsrunde. Letztere finde ich auch sehr wichtig, weil uns als Hochschule für Angewandte Wissenschaften die Einbindung in die Region, in die Stadt und die Vernetzung sehr wichtig sind. Die Vernetzung soll künftig noch einen stärkeren Fokus bekommen. Angesichts der großen Herausforderungen wie den Klimawandel, die demografische Entwicklung, der gesellschaftliche Zusammenhalt werden wir als Hochschulen in der Gesellschaft eine aktivere Rolle spielen müssen.

Neue TH-Präsidentin über Diversität und Nachhaltigkeit

Ob Freitreppe am Ebertplatz oder Pläne für die Umgestaltung des Unicenters: Projekte der TH beschäftigen sich immer wieder sichtbar mit stadt- und regionbezogenen Projekten. Was ist bisher zu kurz gekommen?

Diese Beispiele weisen schon in die künftige Richtung: Das Profil der Absolventen und Absolventinnen muss in Zukunft noch mehr darauf ausgelegt sein, eine aktive Rolle für den gesellschaftlichen Wandel zu leisten. Wie kann man diesen praxisnah und mit welchen Projekten gestalten? Auch in der Forschung: Ob es um klimaresiliente Städte geht oder wie wir uns in die Strukturwandelregion einbringen, wir müssen stärker die gesellschaftlichen Akteure und Akteurinnen einbinden. Das wissenschaftliche Wissen, was es braucht, um Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel zu vollziehen, ist da. Es wird darum gehen, gemeinsam mit der Zivilgesellschaft, den Unternehmen vor Ort, Fragestellungen und Ziele zu generieren, wie man dahin kommt.

Sylvia Heuchemer im Hauptgebäude der TH Köln an der Claudiusstraße 1 in der Südstadt.

Sylvia Heuchemer im Hauptgebäude der TH Köln in der Südstadt

Ihre Vision für die Hochschule ist geprägt von den drei Begriffen Diversität, Nachhaltigkeit und Internationalität. Wie steht die TH bei diesen Mega-Themen da? Wo kann man noch nachjustieren?

Wir fokussieren uns seit 2010 auf eine diversitätssensible Lehre. Die Vielfalt der Studierenden sehen wir nicht als Herausforderung für das akademische Niveau, wie man das manchmal hört, sondern als Ressource für den Bildungsprozess. In einem Team zu arbeiten, später die pluralistische Gesellschaft mitgestalten zu können: Das in einem experimentellen Setting zu lernen, war schon immer unser Anspruch. Für uns ist es selbstverständlich, dass wir uns beim CSD mit einem Wagen zusammen mit den anderen Kölner Hochschulen beteiligen.

Dieses deutliche Zeichen ist im Moment wichtiger denn je. Nichtsdestotrotz ist Diversität kein Thema, das jemals abgeschlossen wäre. Beim Thema Internationalität zeigt sich beispielsweise, dass wir nicht ganz so divers sind, wie wir gern wären. Wir versuchen aktiv, mehr internationale Professorinnen und Professoren zu gewinnen.

Für uns ist es selbstverständlich, dass wir uns beim CSD mit einem Wagen zusammen mit anderen Kölner Hochschulen beteiligen.
Sylvia Heuchemer, neue Präsidentin der TH Köln

Und die Nachhaltigkeit?

Es fällt mir schwer, ein Forschungsprojekt zu benennen, das nicht eine Nachhaltigkeitsdimension adressiert. Bezogen auf die Hochschule als Ganzes: Künftig wollen wir unsere Energieversorgung komplett aus erneuerbaren Energien beziehen. Wir arbeiten an Mobilitätskonzepten: Zum Beispiel, dass man mit Leihrädern zwischen dem Campus Deutz und der Südstadt pendelt. Früher war es eine Selbstverständlichkeit für Hochschulmitglieder zu fliegen, aber heute ist es absolut die Ausnahme. Nach meinem Verständnis sind Digitalisierung und Nachhaltigkeit eng aufeinander bezogen. Deshalb wird es in Zukunft eine Vizepräsidentin oder einen Vizepräsidenten für Digitalisierung und Nachhaltigkeit geben. 

Präsidentin der TH Köln: „Müssen zeigen, warum Diskussion in Präsenz wichtig ist“

Sind die hybriden Formate aus der Pandemie denn mittlerweile abgeschafft?

Sie sind nicht abgeschafft, aber für uns bedeutet „hybrid“ nicht, dass eine Veranstaltung im Hörsaal gleichzeitig gestreamt wird. Die Hochschule soll ein sozialer Ort bleiben. Daran müssen wir nach der Pandemie wieder stärker arbeiten. Wir wollen unseren Studierenden ermöglichen, zeit- und ortsvielfältig gemeinsam zu lernen. Wir reflektieren sehr kritisch die Frage, was ist das Gute, das wir aus der Pandemie mitnehmen konnten und was aus der Präsenz? Die Studierenden challengen uns: Wir müssen zeigen, warum eine Diskussion in physischer Präsenz wertvoller ist.

Es klingt, als sei es eine echte Herausforderung, die pandemiegeprägten Studierenden wieder vom heimischen Schreibtisch wegzulocken. Wie geht die TH Köln hier vor?

Wir sind dabei, unsere Lehr- und Lernräume viel flexibler zu gestalten. Man findet Räume, da gibt es riesige Bildschirme, sogenannte Online-Whiteboards, die man zu einer Arbeitsfläche umklappen kann. Da können Studierende vor Ort, aber auch jene, die sich zuschalten, gemeinsam arbeiten. Die Grenzen zwischen analoger und virtueller Welt verschwinden. Wir schaffen zudem angenehme Sitzmöglichkeiten, die man je nach Bedarf zusammenstellen kann.

An der TH gibt es mit dem Cologne Cobots Lab ein Zentrum, das die Mensch-Maschine-Interaktion in den Blick nimmt. Wie werden Roboter zum Beispiel eingesetzt, um dem Menschen behilflich zu sein?

Beim Projekt „Gene Robots“ geht es darum, wie man den Roboter Pepper in der Pflege einsetzt, um Pflegekräfte zu entlasten. Bei dem Projekt, das wir mit der Diakonie Michaelshoven durchführen, haben wir zunächst gesehen, dass die pflegebedürftigen Menschen in der Einrichtung nicht von Pepper überwacht werden wollten. Der sollte zum Beispiel die Vitalfunktionen messen. Die Menschen haben sich eine andere Interaktion gewünscht: Vokabeln lernen, Musik machen, Kreuzworträtsel lösen. Da sieht man, was in der Mensch-Maschine-Interaktion passieren kann: Die Bewohner haben sich den Pepper zu eigen gemacht. Nun haben sie keine Schwierigkeiten mehr damit, dass Pepper auch die Vitalfunktionen überprüft.

Wie geht die TH mit dem Thema ChatGPT in Studium und Lehre um? 

Seit April dieses Jahres gibt es für Lehrende, Studierende und Verwaltung einen datenschutzkonformen Zugang zu ChatGPT. Man stellt Fragen, aber diese werden nicht einer Person zugeordnet, sondern der TH Köln. Mit unseren Daten wird die KI selbst auch nicht trainiert, das heißt wir füttern OpenAI nicht mit unseren Fragen. Wir evaluieren nun ein Jahr lang, welche Auswirkungen das auf die Lehre hat und wie die Studierenden es nutzen.

Ist ChatGPT in Prüfungen erlaubt?

Wir erlauben unseren Studierenden je nach Prüfungsformat ChatGPT zu nutzen, zeigen ihnen jedoch, wie sie diese Quellen sichtbar machen sollen. Vor jedem Semesterbeginn wird vom Prüfungsausschuss festgelegt, ob KI in einem bestimmten Seminar bei der Prüfung erlaubt wird oder nicht. Manche Lehrende fordern die Studierenden regelrecht auf, mit der Frage: Wie habt ihr das genutzt, legt die Prompts/Fragen offen. Da geht es dann mehr um die Methodik. Wir haben nur ein einziges hochschulweites Verbot ausgesprochen: KI darf nicht von Lehrenden zur Bewertung von Leistungen verwendet werden. Was wir noch zu wenig thematisieren, ist, was die KI mit uns macht. Diese ethische Komponente gilt es noch stärker zu adressieren.

Neuer Campus Deutz der TH Köln: Fertigstellung 2042 geplant

Der geplante Neubau Campus Deutz ist eins der größten Hochschulbauprojekte in NRW. Gerade ist Bauphase I von III, Gebäude auf dem ehemaligen Areal der Abfallwirtschaftsbetriebe wurden abgebrochen. Wie geht es nun weiter?  

Nach derzeitiger Planung wird mit dem Bau des ersten neuen Gebäudes, dem Hörsaalzentrum, 2026 begonnen. Die Fläche, die planiert worden ist, war bisher nicht Hochschulgelände. Es muss daher eine Änderung des Flächennutzungsplans vorgenommen werden. Im April hat die Stadt diesen Plan für die Bevölkerung offengelegt. Wir gehen davon aus, dass bis Ende des Jahres das Baurecht geschaffen ist. Diese Fläche wird dann erst einmal Interimsfläche, um die Baulogistik einzusetzen und auch Interimsparkplätze zur Verfügung zu stellen. Nach derzeitigem Stand sollte im Jahr 2042 Bauphase III abgeschlossen sein.

Nun zu Ihrer Person: Sie haben in Freiburg studiert und promoviert. 2003 sind Sie an die TH Köln gewechselt. Würden Sie sich nach 20 Jahren als Kölnerin bezeichnen?

Ich würde nicht mehr aus Köln wegziehen wollen. Köln ist meine Heimat geworden. Diese Stadt ist wirklich weltoffen. Und ich hätte nie für möglich gehalten, dass mich der Karneval so packt. In meiner Herkunftsregion gibt es die alemannische Fastnacht, da steht mehr das Vertreiben der Wintergeister im Fokus. Dass eine ganze Stadt fünf Tage lang feiert, konnte ich mir nicht vorstellen. Auch nicht, dass man nicht aus seinem Veedel wegziehen will. Ich lebe seit 20 Jahren in Ehrenfeld und mir geht es jetzt genauso.

Sylvia Heuchemer über Köln und Karneval

Wie war denn Ihr erster Karneval?

In meinem ersten Semester haben mich meine Studierenden gefragt, was ich denn an Weiberfastnacht mache. Damals war das Semester schon rum, da habe ich gesagt: „Ich fliehe aus Köln.“ Das könne man nicht machen, das sei Kulturgut. Also bin ich mit zwei Freundinnen das erste Mal in den Kölner Karneval eingetaucht und er hatte mich. Jetzt feiere ich ihn regelmäßig.

Was machen Sie denn in Ihrer Freizeit gerne?

Ich spiele Volleyball in einer Mixed-Mannschaft. Ich gehe gerne wandern, gerne essen, in Museen und treffe mich mit Freunden.


Zur Person: Prof. Dr. Sylvia Heuchemer (53) wurde 1970 in Rheinfelden geboren. Sie studierte Volkswirtschaftslehre an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und promovierte dort 2003 am Institut für Allgemeine Wirtschaftsforschung und Ökonometrie. Berufliche Stationen waren unter anderem die Hauptabteilung Statistik der Deutschen Bundesbank. 2003 wurde sie als Professorin an die Fakultät für die Wirtschafts- und Rechtswissenschaften der TH Köln berufen. Seit 2009 ist sie hier hauptberuflich Vizepräsidentin für Lehre und Studium. 

An der TH Köln sind zurzeit rund 22.000 Studierende in über 90 Bachelor- und Masterstudiengängen eingeschrieben. Sie ist damit die zweitgrößte Hochschule in Köln und die größte Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Deutschland. (gam)

Nachtmodus
KStA abonnieren