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Mutierte Corona-Variante gefundenKölner Kitas fühlen sich im Stich gelassen

Lesezeit 5 Minuten
Kita Corona dpa

In Nordrhein-Westfalen werden trotz Corona viele Kinder vor Ort in den Kitas betreut.

Köln – In vier Kölner Kitas ist die gefürchtete hoch ansteckende englische Mutation des Coronavirus nachgewiesen worden. Andreas Billetter ist heilfroh, dass seine Einrichtung nicht dabei ist, und trotzdem machen den stellvertretenden Leiter der katholischen Kita Sankt Rochus die Nachrichten wütend. Trotz vielerorts immer voller werdender Kitas und der sich ausbreitenden Mutation gebe die Landesregierung in keiner Weise eine Einschränkung für Eltern vor, ihre Kinder in die Kita zu schicken. „Angesichts der Gefahrenlage ist das eine Unverschämtheit, Eltern einfach nur zu bitten, dies doch zu unterlassen. Mit dem Eiertanz muss spätestens jetzt Schluss sein.“

Zunächst hatte die Stadt auf Nachfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ das Auftreten des mutierten Virus in einer Kölner Kita bestätigt. Nach Angaben der Stadt ist dies aufgefallen, nachdem ein Elternteil eines Kindes positiv auf die mutierte Variante getestet wurde und im Nachhinein vorsichtshalber weitergehende Untersuchungen durchgeführt wurden.

Alle positiven Tests werden in Köln auf die Mutation untersucht

Im Laufe des Tages wurde dann die Zahl der betroffenen Kölner Kitas auf vier erhöht. In allen Fällen ist die Virus-Mutation nach Angaben des Gesundheitsamtes allerdings von außen in die Einrichtung hineingetragen worden. Das gehäufte Auftreten erklärt die Stadt damit, dass in Köln – anders als in den meisten anderen Städten – seit vergangener Woche systematisch alle positiven Coronafälle auch rückwirkend auf mutierte Viren untersucht werden.

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Daher würden diese – teilweise auch mit Zeitverzug – nun vermehrt nachgewiesen. Im Zuge dessen wurden nun auch Fälle der mutierten englischen und südafrikanischen Variante in zwei Kölner Krankenhäusern und einer Flüchtlingsunterkunft nachgewiesen.

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Politisch brisant sind die Nachweise der Virus-Mutation vor allem vor dem Hintergrund, dass die Kitas nicht nur in Köln immer voller werden. Es ist inzwischen eine Art Dominoeffekt entstanden: Dass es immer mehr Kinder werden, hat auch damit zu tun, dass die Eltern, die ihre Kinder zu Hause lassen, sich zunehmend fragen, warum sie das tun sollen, wenn viele das Infektionsrisiko für augenscheinlich gering halten.

Eine Umfrage des Diözesan-Caritasverbandes hat beispielsweise ergeben, dass die Belegung in den Einrichtungen zwar sehr unterschiedlich ist, es aber Kitas gibt, in denen 90 Prozent der Kinder vor Ort betreut werden. Andere Träger berichten von einzelnen Einrichtungen mit 70 Prozent Auslastung. „Die von Familienminister Joachim Stamp veröffentlichte Zahl von 35 Prozent der Kinder, die in NRW die Einrichtungen besuchen, entspricht auf jeden Fall an den meisten Orten nicht der Realität, sagt Billetter. „In den sechs Kitas unseres Seelsorgebezirks liegt nur eine einzige unter 50 Prozent.“

Kita-Besuch sollte von der Politik klarer geregelt werden

„Die Erzieherinnen und Erzieher fühlten sich mit den derzeitigen Regeln nicht gut vertreten“, heißt es in einem Brief, den die Mitarbeitervertretung der katholischen Kölner Einrichtungen an Familienminister Joachim Stamp (FDP) verfasst hat. Es sei „unsäglich“, dass der Kitabesuch nicht klarer geregelt werde, man es bei Appellen belasse und die Gesundheit der Mitarbeiter gefährde.

Das Familienministerium stehe mit den Behörden der Stadt Köln und dem Gesundheitsministerium in engem Austausch, hieß es auf Anfrage unserer Zeitung. „Wir nehmen die genannten Fälle sehr ernst, mahnen aber gleichzeitig zur Besonnenheit.“ Nach Erkenntnissen der Stadt sei es trotz der Mutation in keiner Kita zu höheren Infektionszahlen gekommen. „In jedem Fall bestätigt sich, dass die landesweit vorgenommenen Gruppentrennungen richtig waren. Wir untersuchen die Fälle weiterhin intensiv mit der gebotenen Gründlichkeit.“

Zuletzt hatte ein Auftreten der hoch ansteckenden britischen Mutation in Baden-Württemberg für Schlagzeilen gesorgt. Dort hatten sich in einer einzigen Freiburger Kita 14 Erzieher und Erzieherinnen sowie zehn Kinder mit dem mutierten Virus infiziert. Ministerpräsident Winfried Kretschmann erklärte daraufhin am Donnerstag, dass Baden-Württemberg auf die ursprünglich geplante frühere Öffnung von Kitas und Grundschulen verzichte und den Corona-Lockdown auch dort bis zum 14. Februar fortsetze.Anders als in anderen Bundesländern sind in NRW weiterhin alle Kitas mit reduziertem Betreuungsumfang geöffnet. Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) setzt auf Freiwilligkeit und appelliert an die Eltern, ihre Kinder, wenn möglich, zu Hause zu betreuen.

Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Verdi) hat die Landesregierung aufgefordert, den Kita-Betrieb auf eine echte Notbetreuung auf der Grundlage von Arbeitgebernachweisen zu reduzieren. „Die Situation ist in vielen Kitas dramatisch“, mahnte NRW-Bezirksleiterin Gabriele Schmidt. Viele Erzieher fühlten sich an ihrem Arbeitsplatz nicht mehr sicher. „In den Kitas besteht eine erhöhte Ansteckungsgefahr, da die Beschäftigten im direkten Körperkontakt zu den Kindern arbeiten und Schutzmöglichkeiten fehlen.“

NRW soll Sonderweg bei Kita-Betreuung verlassen

NRW dürfe den Bund-Länder-Beschluss zu Kita-Schließungen nicht länger ignorieren und müsse seinen „Sonderweg“ verlassen. In einer vom Dachverband der Betriebskrankenkassen veröffentlichten Auswertung der Monate März bis November vergangenen Jahres lagen die Beschäftigten in Kitas und Vorschulen bei der Krankheitshäufigkeit vor Pflegekräften in Altenheimen und vor Krankenhauspersonal.„Ein wichtiger Baustein könnten bis zu einer Impfung regelmäßige und engmaschige Schnelltests sein, die leicht handhabbar sind“, forderte der Kölner Diözesan-Caritasdirektor Frank Johannes Hensel.

In den 700 Kölner Kitas haben die Mitarbeiter in den kommenden sechs Wochen alle 14 Tage die Gelegenheit, sich testen zu lassen. Die Tests werden direkt in die Kitas gebracht und eigenständig von den Beschäftigten durchgeführt. Es handelt sich um PCR-Tests, die in Form einer Gurgelprobe erfolgen und deutlich sicherer sind als Antigen-Schnelltests. Ziel der Stadt dabei ist es, die Kitas möglichst geöffnet zu halten und den Beschäftigten vor Ort mehr Sicherheit geben zu können. Kitaleiter Billetter hält das für einen nicht ausreichenden Turnus, wodurch nur vermeintlich für Beruhigung gesorgt werde. „Um wirklich für mehr Sicherheit zu sorgen, müssten alle wöchentlich getestet werden: nicht nur die Mitarbeiter, sondern auch die Kinder.“