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Kind verschwand aus ParkMädchen in Köln stundenlang vermisst – Angeklagter spricht von Verwechslung

Lesezeit 3 Minuten
Der beschuldigte Senior mit seinem Verteidiger beim Prozess im Kölner Amtsgericht.

Der beschuldigte Senior mit seinem Verteidiger beim Prozess im Kölner Amtsgericht.

Das Kind war unter ungeklärten Umständen in die Wohnung des Angeklagten gelangt. Ein Horror für die Mutter.

Ein dreijähriges Mädchen verschwand im Mai vergangenen Jahres aus einem belebten Park in Köln-Kalk, eine großangelegte Suchaktion führte zu keinem Erfolg. Am nächsten Tag wurde das Kind in der Wohnung eines Rentners gefunden – er sprach von einer Verwechslung. Am Donnerstag musste sich der Mann wegen Entziehung Minderjähriger vor dem Amtsgericht verantworten. Die Mutter des Mädchens erhoffte sich endlich eine volle Aufklärung des Falles, doch sie wurde schwer enttäuscht.

Köln: Dreijährige verschwand aus dem Kalker Bürgerpark

Das kleine Mädchen aus Kassel war an jenem Tag mit ihrer Mutter zu Besuch bei den Großeltern, die in Kalk leben. Gegen 19.50 Uhr, so heißt es in der Anklageschrift, sei das Kind im Bürgerpark an der Barcelona-Allee weggelaufen und unter bis heute ungeklärten Umständen in die Wohnung eines damals 70-jährigen Anwohners gelangt. Die Polizei suchte erfolglos die Umgebung ab, klingelte auch an diversen Wohnungen. So auch bei dem Rentner. Nur seine Enkelin sei bei ihm, habe der geäußert.

Ein Spielplatz auf dem Gelände des Bürgerparks in Köln-Kalk. Hier verschwand die Dreijährige.

Ein Spielplatz auf dem Gelände des Bürgerparks in Köln-Kalk. Hier verschwand die Dreijährige.

Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass der Senior das Mädchen tatsächlich in dem Glauben in die Wohnung geholt habe, dass es sich um ein Enkelkind von ihm handele. Dass dem nicht so sei, habe er im Laufe des Abends und der Nacht allerdings erkannt, so der Vorwurf. Erst nach zwölf Stunden sei das Kind bei dem Mann gefunden worden, unversehrt. Der Angeklagte habe der Mutter somit das Kind entzogen, sich strafbar gemacht. Die Höchststrafe liegt hier bei fünf Jahren Gefängnis.

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Köln: Anwalt, Angeklagter und Sohn sprechen von Verwechslung

„Der Vorwurf wird bestritten“, sagte der Verteidiger des Beschuldigten beim Prozessauftakt in Gerichtssaal 21. Dem Kind sei nichts passiert, das hätten umfangreiche Untersuchungen ergeben. „Er dachte tatsächlich, es handele sich um eine seiner Enkeltöchter“, sagte der Anwalt und verwies auf die „beschränkten intellektuellen Fähigkeiten“ des Mandanten. Dem Mädchen, das den Beamten am nächsten Morgen in die Arme gelaufen sei, gehe es gut „und da sollten wir doch alle froh sein“.

Ein Sohn des Beschuldigten stützte die kurios klingende Geschichte im Zeugenstand. „Mein Bruder hatte unserem Vater am Vortag gesagt, er komme mit den Enkeln vorbei“, der Senior habe also mit Kinderbesuch gerechnet. Die vielen Enkel von vier Söhnen seien nicht so regelmäßig beim Großvater, daher könne er diese Verwechslung nachvollziehen, erklärte der Sohn. Der Vater habe dem Mädchen in der Wohnung Chips und Cola gegeben. Das Kind sei schließlich eingeschlafen und der Senior auch.

Von einer Demenzerkrankung, die als mögliche Ursache für die Verwechslung in der Ermittlungsakte auftaucht, wusste der Sohn nichts. „Wissen Sie, warum Sie heute hier sind?“, fragte die Richterin den Rentner. „Ja, wegen dem Mädchen“, antwortete dieser. Er habe gedacht, das sei seine Enkelin, beteuerte der Rentner nun auch persönlich, „sonst hätte ich sie ja gar nicht hereingelassen“. Er verwies in der Verhandlung mehrfach auf sein fehlendes Hörgerät, das habe er zu Hause vergessen.

Köln: Psychiater soll Geisteszustand des Seniors untersuchen

Als die Richterin eine mögliche Verhandlungs- und Schuldunfähigkeit ansprach, betonte der heute 71-Jährige, seinen Haushalt noch völlig allein zu bestreiten. „Ich wasche, koche und gehe einkaufen“, sagte der Angeklagte. „Er hat wohl Sorge, er könne in ein Heim eingewiesen werden“, so sein Anwalt. Um ein Urteil fällen zu können, bestand die Richterin auf ein psychiatrisches Gutachten. Das soll Aufschluss über den tatsächlichen Geisteszustand des Seniors geben. Der Prozess wurde vertagt.

Irritiert nahm danach die Mutter des Mädchens die Nachricht der Richterin entgegen, dass man sie heute nicht mehr als Zeugin vernehmen werde. Bis heute quäle sie der Gedanke, was ihrer Tochter in der Wohnung passiert sein könnte, sagte sie am Rande der Verhandlung. Auch die Ergebnisse der Klinikuntersuchung kenne sie nicht. Die Richterin hatte der Frau geraten, sich schriftlich an das Gericht zu wenden. Dann kann sie Akteneinsicht nehmen und die Ermittlungsergebnisse studieren.