Der Prozess wegen fahrlässiger Tötung und Unfallflucht fand vor dem Kölner Amtsgericht statt.
Mit Sportwagen des VatersKölner rast Fußgänger in Deutz tot und flüchtet – Bewährung vor Gericht
Ein 21-jähriger Karosseriebauer aus Köln leiht sich den Mercedes-AMG seines Vaters mit 510 PS unter der Haube und fährt auf der Siegburger Straße in Deutz mit weit überhöhter Geschwindigkeit einen Fußgänger an. Der fliegt im hohen Bogen ins angrenzende Gleisbett der KVB. Danach flüchtet der Raser vom Unfallort, ohne sich um sein sterbendes Opfer zu kümmern. Am Mittwoch musste der Täter sich vor dem Kölner Amtsgericht verantworten – und erhielt eine milde Bewährungsstrafe.
Köln: Fußgänger erleidet tödliche Verletzungen
Der tödliche Verkehrsunfall ereignete sich im Januar vergangenen Jahres. Mit etwa 85 Kilometern pro Stunde – erlaubt waren an der Stelle lediglich 50 – war der Mercedesfahrer unterwegs, kurz zuvor hatte er noch ordentlich beschleunigt. Hätte er die Höchstgeschwindigkeit eingehalten, hätte die Kollision ohne weiteres verhindert werden können, hieß es seitens der Staatsanwaltschaft. Der Angeklagte habe sich damit der fahrlässigen Tötung und auch der Unfallflucht schuldig gemacht.
Der Aufprall auf die Windschutzscheibe des Fahrzeugs und der Sturz auf die Gleise hatten multiple und schwerste Verletzungen bei dem Fußgänger verursacht, wie eine Gerichtsmedizinerin im Verfahren aussagte. „Die Wirbelsäule war an zwei Stellen gebrochen“, erklärte die Gutachterin. Auch fast alle Rippen des Mannes seien zertrümmert worden, die Lunge wurde dadurch schwer geschädigt. „Der Tod muss sehr rasch eingetreten sein“, das habe die Obduktion klar ergeben.
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Kölner Polizei kam Unfallfahrer auf die Spur
Mit Hochdruck hatte die Kölner Polizei nach dem Unfallfahrer gefahndet. Auf die entscheidende Spur brachten die Ermittler die Auswertung von Videoaufnahmen einer naheliegenden Firma und der abgerissene Mercedes-Stern, der am Tatort zurück geblieben war. „So konnten wir die Suche auf etwa 250 Fahrzeuge eingrenzen“, so ein Kriminalbeamter beim Prozess. Man sei vom Halterstandort in Köln ausgegangen, da keine weitere Kamera im Umkreis den Sportwagen mehr erfasst habe.
Zweimal waren Polizisten bereits an der Meldeanschrift des Angeklagten aufgetaucht, hatten diesen aber nicht angetroffen. Kurz nach dem zweiten Besuch stellte sich der 21-Jährige durch seinen Rechtsanwalt Michael Hakner bei der Polizei und damit ganze neun Tage nach dem Unfallgeschehen. Von den vorherigen Besuchen der Beamten will er aber nichts gewusst haben. Der Mann räumte ein, an jenem Tag mit dem Auto seines Vaters unterwegs gewesen zu sein.
Kölner Amtsgericht: Mercedesfahrer legt Geständnis ab
Im Gerichtssaal legte der Mercedesfahrer ein umfassendes Geständnis ab. Er habe in jener Nacht seiner schwer kranken Mutter eine Portion Pommes Frites beim Schnellrestaurant Burger King besorgt. Auf Nachfrage der Staatsanwaltschaft erklärte er, sich ausdrücklich nicht in der Tuner- und Raserszene bewegt zu haben, was die Ermittler zunächst angenommen hatten. Aber er sei definitiv zu schnell gefahren. „Durch mich ist ein Mensch gestorben und ich schäme mich sehr“, sagte er.
Die Flucht vom Unfallort erklärte der junge Mann damit, Angst vor der Reaktion seiner Eltern gehabt zu haben. Sein Vater habe die Anzahlung für den AMG mühsam angespart, der Sportwagen sei „sein Ein und Alles“ gewesen. Auch habe der Vater kürzlich einen Herzinfarkt erlitten, sei gesundheitlich stark angeschlagen gewesen. Zum Zeitpunkt des Unfalls sei dieser nicht daheim gewesen, daher habe er die Schäden am Auto nicht bemerkt. Der Sohn hatte den Mercedes in der Garage abgestellt.
Der renommierte Verkehrsgutachter Alexander Wiek erklärte im Amtsgericht, der tödliche Unfall sei bis zu einer Geschwindigkeit von 65 km/h noch vermeidbar gewesen. Wiek war in der komfortablen Situation, drei Quellen zur Ermittlung des tatsächlichen Tempos von mindestens 85 km/h zur Verfügung gehabt zu haben. Neben dem Video und Studien mit Crash-Test-Dummys auch die eng getaktete Aufzeichnung im GPS-System, das die Wegstrecke mit Geschwindigkeit nachgezeichnet hatte.
Köln: Angeklagter erhält eine Bewährungsstrafe
Im Prozess ging es letztlich vor allem um die Frage, ob eine drohende Haftstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Der Staatsanwalt bejahte das und letztlich auch das Gericht, das ein Jahr und acht Monate Haft festsetzte – die nicht angetreten werden müssen. Eine Mitschuld des Fußgängers, der betrunken und ohne zu schauen über die Straße gegangen war, wurde strafmildernd berücksichtigt, ebenso die Reue des nicht vorbestraften Angeklagten sowie die Tatsache, dass er selbst sehr leide.
Die Richterin sprach Vater und Sohn des 62-jährigen Getöteten, die als Nebenkläger im Saal anwesend waren, ein Schmerzensgeld von 6000 Euro zu. „Es gibt dafür keine Entschuldigung, das hat Ihr Leben komplett verändert und das war niemals meine Absicht“, hatte der Unfallfahrer im sogenannten letzten Wort zu den Angehörigen geäußert. „Wenn es für mich schon unerträglich ist, dann weiß ich nicht, wie schlimm das für Sie ist“, sagte er weiter. Und er hoffe, dass man ihm irgendwann verzeihen könne.