- Seit dem 1. Januar gilt bundesweit eine Bonpflicht. Alle Geschäftsleute mit einer Registrierkasse müssen nun bei jeder Transaktion einen Kassenbon ausgeben.
- Egal, ob für eine Kugel Eis in der Eisdiele, ein Brötchen beim Bäcker oder ein Kölsch im Kiosk – insbesondere kleine Händler trifft das hart.
- Wir haben die Kölner Geschäftsleute kurz nach der Einführung der Bonpflicht besucht.
Köln – Es gibt Dinge, die nicht die Kraft haben, einen entspannten Typen wie Thomas Hembsch aus der Fassung zu bringen. Tonnenweise toter Fisch zum Beispiel, den er jeden Morgen zerlegt und den ganzen Tag vor Augen hat, Karpfen, Kabeljau, Oktopus. Das ist schließlich sein Job, zu dem seit ein paar Tagen aber noch etwas anderes gehört, was ihn sehr wohl aus der Fassung bringt: Plastiksäcke mit Papierschnipseln zu entsorgen, Dutzende in der Woche.
Die Papierschnipsel, das sind Kassenbons, die so gut wie alle im Müll landen, wie er sagt. „Die nimmt eh keiner mit, wir produzieren tonnenweise Müll, den keiner braucht. Den könnten wir auch direkt aus der Verpackung auf die Severinstraße werfen, der Effekt wäre der gleiche“, sagt Hembsch.
Bundesweite Bonpflicht trifft Kölner Händler
Was den Fischhändler aus der Südstadt so verärgert, ist die seit Anfang des Jahres bundesweit geltende Bonpflicht. Die schreibt allen Geschäftsleuten mit einer Registrierkasse vor, bei jeder Transaktion einen Kassenbon auszugeben – egal, ob für zwei Stücke Lachs in Hembschs Fischladen, eine Schale Pommes in der Imbissbude, eine Colaflasche am Kiosk oder ein Brötchen in der Bäckerei. Die Finanzämter machen das, um Steuerhinterziehung zu bekämpfen, weil sie deutschlandweit Betrug in Milliardenhöhe vermuten.
Das müssen schwarze Schafe sein, glaubt Hembsch. „Wir haben hier immer alles korrekt abgerechnet. Und wer nach einem Bon gefragt hat, hat bei uns schon immer einen bekommen.“ Seine Kasse, die jeden Kauf registriert, könne man ohnehin nicht manipulieren. Per USB-Stick könnten Steuerfahnder die Transaktionen nachvollziehen.
Auch Kassen müssen umgerüstet werden
Doch auch die Kasse muss nun umgerüstet werden – auf die modernere SD-Karte. Auch das sind weitere Kosten für ihn. „Die großen Ketten können sich so etwas leisten, aber uns kleine Händler trifft das schon hart“, sagt er.
Seiner Meinung sind auch viele andere Geschäftsleute, etwa in der Südstadt und am Eigelstein: Bäcker, Metzger, Friseure, Apotheker, Kioskbesitzer. Für so gut wie alle ist die Bonflut ein Reizthema. „Totalen Unsinn“ nennt eine Bäckerin im Eigelstein-Viertel die Papierberge. Kein Kunde frage nach, 200 Zettel landeten täglich im Müll.
Auch eine Metzgerin aus dem Severinsviertel nervt die neue Regel: „Wir haben doch schon moderne Kassen, die jeden Cent nachvollziehen können. Wir machen ja alles mit, das Finanzamt und wir Geschäfte schaukeln uns gegenseitig hoch mit den Regeln. Jetzt hat die Gegenseite aufgerüstet. Aber irgendwann sollte auch Schluss sein.“
Kölner Eisdiele: Pro Kugel Eis ein Kassenzettel
Für Giuseppe Manzinone hat der Ärger jedenfalls jetzt erst begonnen. Gerade wurde er aufgefordert, die Kassen in seiner Eisdiele in der Südstadt umzurüsten, damit die Geschäfte besser nachvollziehbar sind. Für die Bons hat man ihm eine Frist von zwei Monaten gegeben. Dann bekommt jede Kugel Eis einen eigenen Kassenzettel.
Die Umrüstung werde ihn 1.400 Euro kosten, sagt er. So viel Eis verkauft er an einem trüben Januartag wie diesem nicht annähernd. „Aber sollen wir deswegen den Laden aufgeben?“, fragt Manzinone. Irgendwann, wenn tatsächlich die ersten Läden schließen sollten, könnte der Gesetzgeber vielleicht einsehen, dass er einen Fehler gemacht hat.
Bonpflicht ist noch nicht bei jedem angekommen
Am dritten Tag des Jahres wurde aber auch deutlich, dass die neue Regel noch nicht bei Jedem angekommen ist. In einigen Kiosken, Friseursalons und Imbissen weiß man nichts von einer Bonpflicht. Viele ratlose Gesichter. „Gilt das auch für uns?“
Thomas Hembsch ist da deutlich weiter. Früher habe er im Jahr ein Paket mit Kassenbons verbraucht, sagt er. Eine Rolle koste schon ein paar Euro. Und künftig rechnet er mit einer Europalette pro Jahr. „Die könnten wir auch direkt aus dem Werk zu den AWB bringen und dort verbrennen lassen“, schimpft er.
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Schließlich spricht Hembsch noch über ein Thema, mit dem er sich besonders gut auskennt: Wasser. „Alle reden von weniger Müll und sauberen Meeren. Und hier produzieren wir hundert Mal mehr Müll als vorher und können nichts tun. Was für ein riesiger Unsinn.“ Während Hembsch spricht – es sind knappe zehn Minuten – ist neben der Kasse schon der nächste Papierberg entstanden. Hembsch knüllt den Haufen zusammen, schmeißt ihn in den Müll und schüttelt mit dem Kopf.