Köln – Für den Vorbeieilenden ist es nur ein marodes Stück Mauer, ein Flickenteppich aus Ziegeln und Beton, baufällig, mit Graffiti besprüht, Hundeklo und Stellplatz für Müllboxen. Für Barbara Schock-Werner und die Archäologen erzählen die 80 Meter Wand zwischen Mühlenbach Nummer 19 und Nummer 49 dagegen 1900 Jahre Stadtgeschichte und sind „total spannend“.
Die ehemalige Kölner Dombaumeisterin und Vorsitzende des „Fördervereins Römische Stadtmauer“ klettert energisch das Baugerüst hinauf und erklärt enthusiastisch, was seit Ende Februar alles geschafft worden sei: Viel Erdreich wurde abgetragen, die 2,40 Meter breite Mauerkrone freigelegt, darunter ein „fabelhaftes“ Stück der originalen römischen Grauwacke-Verkleidung. „Hier ist noch der akkurate Fugenstrich der Maurer zu sehen.“ Just an der Stelle gebe es auch einen Versprung. Da hätten sich vermutlich zwei Kolonnen nicht exakt getroffen. Vor der Mauer wurden die Fundamente des römischen Halbschalenturmes gefunden.
Endpunkt der Via Culturalis
Sonst aber ist der Zustand der Römermauer ebenso beklagenswert wie prekär: Drei mächtige Risse gehen durch die Mauer. Das römische Opus caementicium ist nass und porös. Kräftiges Wurzelwerk ist in die Lücken eingedrungen, weite Teile der davorgesetzten Grauwackeschale sind abgesprengt, eine mächtiges Stück muss mit Netzen gesichert werden, damit es nicht hinunterkippt. „Die Restauratoren sagen uns, dass das Füllmauerwerk nicht mehr stabil ist. Es sollte mit einer neuen Grauwackemauer gestützt werden.“
Bisher Sind 87 Meter Am Zeughaus erneuert
Die römische Stadtmauer, einst fast vier Kilometer lang und acht Meter hoch, wurde Ende des ersten Jahrhunderts erbaut und umschloss das antike Kerngebiet Kölns. Nahezu 700 Meter davon sind erhalten, ungefähr 400 Meter sind in städtischem Besitz. Außerdem gibt es Abschnitte in privaten Kellern und Tiefgaragen. Der Fundamentsockel misst drei Meter und ist bis zu 4,5 Meter tief. Der „Förderverein Römische Stadtmauer Köln e.V.“ setzt sich für den dauerhaften Erhalt und die denkmalgerechte Sanierung des antiken Baudenkmals ein. Das Ziel des Vereins ist die Sanierung der gesamten verbliebenen Kölner Römermauer – in Zusammenarbeit mit den anderen Grundeigentümern. Erneuert sind bereits die 87 Meter Römermauer am Zeughaus.
www.roemermauer-koeln.de
An einer Stelle muss vor der Mauer ein Haus gestanden haben, von dem aus ein Raum in die Mauer getrieben worden ist. Bis Anfang Juni soll das Architekturbüro Kaspar Kremer einen Entwurf vorlegen, der dann mit dem Stadtkonservator und dem Denkmalamt diskutiert wird: Die Mauer soll Endpunkt der über St. Maria im Kapitol verlängerten Via Culturalis werden. Sie soll weiter hochgezogen werden, so dass oben eine natürliche Brüstung entsteht. „Sie wird nicht komplett auf Rom getrimmt“, so Schock-Werner.
Die Kontur der einstigen Zinnen werde vielleicht durch ein Metallband angedeutet. Neben dem rekonstruierten Turm soll sie auf 6,50 Meter Originalhöhe mit drei, vier Zinnen zu sehen sein, davor ein Garten. Ein spontan dazugekommener Anwohner äußert sich begeistert. Man lebe hier ja auf dem ältesten Stück Köln, gleich neben dem Ubier-Monument. „Das könnte so ein tolles Filetstück werden. Wir atmen hier alle auf!“
Keinen eigenen Etatposten
Die Kosten für das neue Filetstück werden von Schock-Werner auf rund zwei Millionen Euro geschätzt. Bisher diskutierten die Dezernate noch, aus wessen Topf das Geld dafür kommen soll. „Das Problem ist, dass die Römermauer keinen eigenen Etatposten hat. Es ist völlig unklar, wer für die Unterhaltung zuständig ist.“ In den nächsten Wochen steht zudem die Entscheidung an, wer die Sanierungskosten für den Römerturm in der Zeughausstraße übernimmt. Rund 400.000 Euro stelle der Bund bereit, 200.000 das Land. Die Deutsche Stiftung Denkmalschutz habe für die Vorarbeiten bezahlt und werde sich auch an der Gesamtsanierung beteiligen. „Aber jetzt ist erst mal die Stadt gefragt, ihren Eigenanteil zu leisten. Sonst zieht das Regierungspräsidium seine Gelder zurück.
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Beim RGM laufen aber immer wieder Einwände des Kulturdezernates ein. Uns läuft die Zeit davon.“ Der Kulturbeirat habe die Stadt bereits aufgefordert, das Geld umgehend zur Verfügung zu stellen. „Alle Parteien sind dafür, aber die Verwaltung schiebt es hin und her. Das Kulturdezernat sagt, sie haben kein Geld, die anderen seien zuständig. So steht seit Monaten ein Beschluss der Kämmerin aus. Es ist aber »Bauwerk in Gefahr«. Die Stadt muss jetzt zu Potte kommen. Mich macht das ganz rebellisch.“
Auf Anfrage erklärt die Stadt, dass die Finanzierung der Sanierung im Rahmen der Haushaltsplanberatungen geprüft werde. Danach könne eine Beschlussvorlage in die politischen Gremien eingebracht werden. „Daher ist zum jetzigen Zeitpunkt noch keine Aussage zu einem Beginn der Sicherungs- und Sanierungsmaßnahmen möglich.“