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Kölner BrennpunktPächter am Ebertplatz erhalten Kündigung

Lesezeit 5 Minuten
grafik ebertplatz

Vier Zugänge führen von den Veedeln runter in die Passage. Die Verwaltung überlegt offenbar, diese zuzumauern.

Köln – Alles wieder anders. Doch keiner weiß etwas Genaues. Bis auf die Oberbürgermeisterin. Henriette Reker hat sich nach Angaben einer Stadtsprecherin „nach der Rückkehr von einer längeren Auslandsdienstreise am Dienstag „ein Bild über die aktuelle Lage am Ebertplatz gemacht“.

Die Pächter der Ladenlokale hatten vom Liegenschaftsamt Anfang der Woche völlig überraschend Kündigungen erhalten. Mit der Begründung, die Stadt wolle die Zugänge, die von den angrenzenden Wohngebieten zur unteren Ebene des Platzes führen, schließen und zumauern.Wer das bei der Stadt Köln veranlasst hat, blieb am Mittwoch unklar.

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Nach dem spontanen Besuch der Oberbürgermeisterin ist wieder völlig offen, ob das überhaupt passieren wird. Wir beantworten die wichtigsten Fragen rund um das Ebertplatz-Chaos.

Was plant die Oberbürgermeisterin Henriette Reker?

Nachdem sie am Dienstag vor Ort unter anderem mit Vertretern der Galerien gesprochen hat, will sie am heutigen Donnerstag im Beisein von Stadtdirektor Stephan noch einmal alle beteiligten Ämter an einen Tisch holen. „Ich bin froh, dass es uns gelungen ist, mit höherer Polizeipräsenz und einer besseren Ausleuchtung auf dem Platz schnell wirksame Maßnahmen zu treffen“, sagte sie am Mittwoch.

„Dies können aber nur erste Schritte gewesen sein. Es werden weitere Maßnahmen geprüft. Die Notwendigkeit der Kündigungen, die ausgesprochen wurden, lasse ich noch einmal überprüfen. In den weiteren Prozess werden auch die unmittelbar betroffenen Kunst- und Kulturschaffenden sowie die zuständigen politischen Gremien einbezogen.“

Wer hat entschieden, die Kündigungen zu verschicken? War das voreilig?

Auch das will Reker heute klären. Sie sei im Bilde, wolle das aber erst intern regeln, sagt eine Stadtsprecherin. Schuldzuweisungen werde es nicht geben.

Was sagt der Stadtdirektor?

Nichts. Stephan Keller war für eine Stellungnahme am Mittwoch nicht zu erreichen. Ob er über die Kündigungen entschieden oder davon gewusst hat, muss deshalb vorerst offen bleiben. Für die Kündigungen müsse man keinen Beschluss des Rates oder der Bezirksvertretung Innenstadt haben, ergänzt die Stadtsprecherin. Das sei „laufendes Geschäft der Verwaltung“. Die Kündigungen seien bei den Gesprächen über den Ebertplatz im Stadtvorstand mit allen Dezernenten nur ein mögliches Szenario von vielen gewesen. Es habe aber nie einen Beschluss gegeben, so die Stadtsprecherin.

Was sagt der Andreas Hupke, Bezirksbürgermeister für die Innenstadt?

Der ist außer sich. „Wenn Frau Reker von den Kündigungen wirklich nichts gewusst hat, geht das auf die Kappe des Stadtdirektors“, sagt Andreas Hupke. In der Verwaltung mache anscheinend „jeder, was er wolle“. Im Binnenverhältnis der Stadtverwaltung laufe da offenbar etwas völlig schief. Die Bezirksvertretung Innenstadt sei durch das Aussprechen der Kündigungen einfach übergangen worden. „Wenn sich da einer bisher reingehangen hat, waren das die Bezirksvertretung und der Kulturausschuss. Die Läden haben den Ebertplatz doch wenigstens einigermaßen über Wasser gehalten.“ Dass diese Gremien vor der Entscheidung gar nicht gehört, sei eine „Unverschämtheit, eine absolute Frechheit“. Es sei „die primitivste Lösung“, einfach alles zuzumauern. „Da hätte man schon vor zehn Jahren drauf kommen können.“

Wie geht’s jetzt weiter?

„Wir können schwierige Handlungsfelder nicht allein mit polizeilichen Maßnahmen lösen“, sagt der Kölner Sozialarbeiter Franco Clemens. Den Platz zuzumauern, sei keine Lösung, sondern eine „Bankrotterklärung“. „Wir müssen den öffentlichen Raum zurückgewinnen.“ Ansonsten drohe die „Karawane“ immer nur weiterzuziehen – vom Dom zum Neumarkt, zu den Ringen, zum Ebertplatz und wieder zurück zum Dom.

Ebertplatz Lampen

Als erste Reaktion auf die Zustände am Ebertplatz wurden hellere Lampen montiert.

„Sollen wir um den Dom auch eine Mauer bauen?“ In Düsseldorf sei es am Lessingplatz bei vergleichbaren Bedingungen durch eine Ordnungspartnerschaft innerhalb von einem Jahr gelungen, Ruhe reinzubringen. Dort seien Sozialarbeiter vor Ort. „Die nehmen Kontakt zur Szene auf und machen potenziellen Kunden klar, dass es hier keine Drogen mehr zu kaufen gibt.“ Zudem seien sie Ansprechpartner für die Anwohner. Ähnliches sei auch am Ebertplatz denkbar. „Frau Reker wäre gut beraten, sich in Zukunft an ihre runden Tische auch soziale und interkulturelle Kompetenz zu holen“ – so wie es beim runden Tisch zur Silvesternacht der Fall gewesen sei.

Wie haben die Betreiber der Galerien und Geschäfte am Ebertplatz die Situation in den vergangenen Monate erlebt?

Dass die Drogengeschäfte seit einiger Zeit eine neue Qualität angenommen haben, kann Meryem Erkus, die Betreiberin der Galerie „Gold & Beton“ in der Ebertplatzpassage, bestätigen. Sie bekomme immer wieder Koks angeboten. „Man merkt, dass hier neue Kräfte mitmischen.“ Die Gewalt habe zugenommen. Das wirke sich auch auf das Geschäft in der Passage aus: Zwar seien die Galerien nicht auf Laufkundschaft angewiesen. Kneipe und Café seien in letzter Zeit aber öfter geschlossen. Auch ein Copyshop-Besitzer bestätigt, dass das Geschäft härter geworden ist. „Das merkt hier jeder“, sagt er. „Besonders die weibliche Kundschaft ist zurückgegangen.“

Was wünschen sich die Galeristen?

Galeristin Erkus ärgert grundsätzlich der „Aktionismus“ nach den jüngsten Vorfällen am Eberplatz. „Die Lampen sind seit drei Jahren kaputt – und das weiß die Stadt auch“, sagt sie. „Wir sagen auch schon seit langem: Es stinkt: Könnt ihr hier bitte täglich sauber machen? Und dann heißt es plötzlich: »Die Maßnahmen sind Licht und tägliches Putzen.«“ Wenn die Stadt die Galeristen „rausschmeißen“ sollte, sei dies ein „Eingeständnis der eigenen Kapitulation“.

Ihre Forderung für die Zukunft: „Wir möchten beteiligt werden, wenn es um Planungen geht. Wir haben sehr viel Erfahrung.“ Ihre Mitstreiter Maria Wildeis („Tiefgarage“) und Pascal Fendrich („Bruch und Dallas“) sehen das genauso. „Wir müssen täglich mit der Situation am Ebertplatz umgehen.“ Die Zugänge zuzumauern, sei keine Lösung.

„Das ist, als ob man Abdeckstift auf einen Pickel schmiert und hofft, damit erledigt sich das Problem. Dabei entzündet der sich nur. Das ist keine Maßnahme.“ Die einzigen „legal funktionierenden Systeme am Ebertplatz „lebendig zu begraben, das ist an Satire und Surrealität kaum zu übertreffen“.