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Was passiert bei der Moschee-Einweihung?Erdogans Besuch in Köln wird zum Stresstest

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Die letzten Arbeiten an der Moschee: Am Montag wurde die Mondsichel auf dem Dach angebracht.

  1. Der Besuch des türkischen Präsidenten Erdogan in Ehrenfeld wird zum Stresstest für die Polizei und viele Kölner.
  2. Was genau passieren wird, ist auch heute noch nicht bekannt. Nur so viel: Es wird ein Staatsakt mit Hochsicherheitsvorkehrungen.
  3. Wo sich Erdogan aufhalten wird, was das für die Kölner bedeutet und wie es überhaupt um die Fertigstellung der Moschee steht – ein Überblick.

Köln – Was einmal als Volksfest für eine gelingende Integration geplant war, wird nun zu einem Staatsakt mit Hochsicherheitsvorkehrungen. Die Türkisch-Islamische Union, kurz Ditib, empfängt am kommenden Samstag Recep Tayyip Erdogan. Er soll ihre große repräsentative Moschee im Kölner Stadtteil Ehrenfeld eröffnen – nicht der deutsche Bundespräsident, wie sie es vor einigen Jahren noch durchaus glaubhaft verkündete. Dass hier eilig etwas auf die Beine gestellt werden muss, wird auch daran deutlich, dass fünf Tage vor dem Ereignis noch keiner genau weiß, was am Samstag eigentlich passiert. Klar ist nur, dass es eine Kurzvisite des türkischen Präsidenten ohne Übernachtung wird. Sicher ist aber auch, dass diese Kurzvisite die Stadt lahm legen wird.

Welche Auswirkungen wird der Besuch auf das Leben in der Stadt haben?

Wie groß die Auswirkungen sein werden, mag man daran ermessen, dass am Montag die Teilnehmer einer Oldtimer-Rallye vom Veranstalter über eine Terminverschiebung informiert wurden. Die „Köln-Historic“-Tour sollte im rechtsrheinischen Deutz starten und dann weit entfernt von Ehrenfeld durch die Lande führen.

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Die Stadt erteile für den 29. September keinerlei Genehmigungen für öffentliche Veranstaltungen, heißt es als Begründung. Die Polizei rechnet mit massiven Verkehrsbehinderungen.

Erst für Donnerstag hat die Polizei eine Pressekonferenz angekündigt. Dort soll bekannt gegeben werden, welche Bereiche wann und wo gesperrt werden. Am heutigen Dienstag findet eine Lagebesprechung mit Vertretern des Bundespräsidialamts, der Stadt und weiteren Beteiligten statt.

Recep Tayyip Erdogan (1)

Die Türkisch-Islamische Union, kurz Ditib, empfängt am kommenden Samstag Recep Tayyip Erdogan in Köln.

Wo wird sich Erdogan aufhalten?

Der Staatspräsident wird in Wahn landen. Rund um das Areal sind bereits Parkverbotsschilder aufgestellt worden. Wie es heißt, wird für die türkische Delegation ein Luxus-Hotel in der Innenstadt gebucht, das aber nur als Tageshotel dienen soll.

Von dort aus wird Erdogan zur Ditib-Moschee fahren, um diese einzuweihen. Weitere Termine sind bislang nicht bekannt.

Was hat Erdogan mit der Ehrenfelder Moschee zu tun?

Die Ditib ist an die Religionsbehörde Dyanet des türkischen Staates angegliedert. Mit ihrer Gründung im Jahr 1984 wollte der türkische Staat den zunehmenden Einfluss fundamentalistischer Gruppen, die um die Gunst der Auslandstürken buhlten, etwas entgegensetzen.

Aus der Ditib wurde ein großer deutscher Islamverband, der auch selbst immer wieder den Eindruck vermittelte, sich nach und nach von der Zentrale in Ankara emanzipieren zu wollen.

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Der Bau der neuen Deutschland-Zentrale in Köln mit einem modernen Moscheegebäude bekam auch deshalb eine große Symbolkraft. Den Zeitpunkt, sich auch organisatorisch von Ankara zu lösen, hat die Ditib verpasst. Seitdem Erdogan türkische Organisationen und staatliche Behörden auf seinen Kurs zwingt, hat auch die Ditib offensichtlich keine Spielräume mehr.

Ist die Moschee überhaupt fertig gebaut?

Die Gebäude und die Tiefgarage sind komplett errichtet. Allerdings fehlen für eine vollständige Bauabnahme noch einige Bescheinigungen und Nachweise. Das hat das städtische Presseamt am Montag bestätigt, ohne jedoch Einzelheiten zu nennen.

Zwar habe die Ditib eine Nutzungsgenehmigung für die Moschee. Die lasse aber lediglich einen eingeschränkten Betrieb zu. Eine der Bedingungen sei, dass nicht alle Veranstaltungsräume gleichzeitig genutzt werden dürfen.

Was sagt die Ditib dazu?

Nichts. Medien-Anfragen werden zur Zeit nicht beantwortet.

Welche Demonstrationen werden in Köln gegen den Erdogan-Besuch durch die Stadt ziehen?

Unter dem Motto „Erdogan not welcome“ hat ein Bündnis aus kurdischen und jesidischen Interessenvertretungen, verschiedenen politisch links stehenden Gruppen und der Antifa seine Aktivitäten von Berlin nach Köln ausgeweitet.

Geplant ist eine Großdemonstration auf der Deutzer Werft und ein anschließender Demonstrationszug durch die Innenstadt. Die Veranstalter sprechen von 10.000 Teilnehmern. Man kann damit rechnen, dass andere angemeldete Protestaktionen in diesem Bündnis aufgehen. Bislang waren sechs Demos für Samstag angemeldet worden, darunter eine größere Kundgebung der Aleviten und einige kleinere Aktionen.

Wie verhält sich die Kölner Politik?

Bislang hat keiner eine offizielle Einladung zur Eröffnung. Einigen ist diese telefonisch angekündigt worden, andere wissen gar nicht, ob sie erwünscht sind. Die Position der Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker macht das Dilemma deutlich, in dem sich die meisten fühlen: Reker will an der Moschee-Eröffnung teilnehmen – aber nur, wenn sie ein paar Worte sagen darf. Ähnlich äußert sich der Ehrenfelder Bezirksbürgermeister Josef Wirges (SPD).

Die Frage, wie man Protest gegen die türkische Regierungspolitik zum Ausdruck bringen kann, ohne gleichzeitig weiter zu polarisieren und türkeistämmigen Kölnern vor den Kopf zu stoßen, treibt viele um.

Alt-Oberbürgermeister Fritz Schramma will an der Eröffnung teilnehmen. Andere Mitglieder des Moscheebeirats gehen nicht hin. Einige sind noch weiter gegangen: SPD-Landtagsabgeordente Gabriele Hammelrath, die Stadtratsmitglieder Brigitta von Bülow (Grüne) und Andreas Pöttgen (SPD) sowie die ehemalige Vorsitzende des Katholikenausschusses Hannelore Bartscherer haben ihren Austritt aus dem Gremium erklärt.

Was plant das Bündnis „Köln stellt sich quer“?

Auch dieses breite Bündnis, dem Gewerkschaften, Kirchen, Parteien und andere Organisationen angehören, hat es sich recht schwer gemacht und sich schließlich gegen eine plakative Demonstration entschieden. Man wolle die kritische Haltung zum Staatsbesuch nicht als Protest gegen den Islam, die Türkei oder Menschen in der Türkei missverstanden wissen. Das Bündnis veranstaltet nun eine „Leseperformance“ mit verschiedenen Autoren im Stadtgarten, der nur wenige hundert Meter von der Moschee entfernt liegt.

Steinmeier dämpft die Erwartungen

Wenige Tage vor dem Staatsbesuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan versucht die deutsche Seite, zu hohe Erwartungen zu dämpfen. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier habe „keinerlei Illusionen“, was die Normalisierung der Beziehungen zur Türkei angehe, hieß es aus Kreisen des Präsidialamts. Steinmeier werde sich bei seinen Gesprächen mit Erdogan für mehr Rechtsstaatlichkeit in der Türkei einsetzen, so das Präsidialamt.

Angesichts von mehr als drei Millionen türkischstämmigen Menschen in Deutschland seien die bilateralen Beziehungen „einzigartig, aber nicht einfach“.

Spannungen sollen aus der Welt geschaffen werden

Erdogan kommt am Donnerstag auf Einladung Steinmeiers nach Deutschland. Er wünsche sich, die Spannungen zwischen Deutschland und der Türkei „vollständig“ hinter sich zu lassen, hatte Erdogan am Wochenende gesagt.

Zum Politikum entwickelt sich vor allem das am Freitagabend geplante Staatsbankett mit Erdogan im Schloss Bellevue, an dem eine größere Zahl von Oppositionspolitikern aus Protest nicht teilnehmen will. Nicht auf der Gästeliste ist auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Eine Teilnahme der Kanzlerin an Banketten, zu denen der Bundespräsident einlädt, sei „nicht üblich“, hieß es dazu aus dem Präsidialamt.

Allerdings trifft Merkel Erdogan gleich zweimal während dessen Besuch: Einmal am Freitagmittag zu einem Gespräch und gemeinsamen Mittagessen im Kanzleramt und dann noch einmal am Samstagmorgen zu einem Arbeitsfrühstück. (dpa, afp)