Ein Verteidiger fällt im Drach-Prozess immer wieder mit Entgleisungen auf. Nun gab es vom Vorsitzenden Richter die Quittung dafür.
Nach ständigen EntgleisungenRichter droht Anwalt im Drach-Prozess mit Rauswurf
Nun ist das Maß voll. Im Prozess gegen Reemtsma-Entführer Thomas Drach wehrt sich der Vorsitzende Richter Jörg Michael Bern gegen die fortwährenden Entgleisungen von Rechtsanwalt Wolfgang Heer – und droht diesem mit dem Rauswurf als Pflichtverteidiger des Mitangeklagten.
Bern trifft den Anwalt an einer empfindlichen Stelle, denn Heer würde dann nicht mehr direkt vom Staat bezahlt. Macht Heer dann trotzdem weiter, müsste der Mandant selbst für die Kosten aufkommen.
Köln Drach-Prozess: Richter zählt Schmähungen des Anwalts auf
Richter Bern listete eine Reihe von Schmähungen auf, die er als „nicht mehr akzeptabel und grob unsachlich“ bezeichnete. So hatte Heer den Vorsitzenden zuletzt etwa der Lüge bezichtigt. „Sie halten sich wohl für den unfehlbaren Papst“, hatte der Verteidiger dem Richter an den Kopf geworfen und theatralisch gefleht: „Verhalten Sie sich doch ein einziges Mal rechtsstaatlich.“ Dass Bern ihm einmal das Mikrofon ausschaltete, kommentierte Heer als „primitive Trotzreaktion“.
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Heer hatte dem Vorsitzenden vorgeworfen, Stimmung gegen ihn zu machen, etwa mit „dämlichen Zwischenbemerkungen“. Richter Bern sei laut Heer in diesem Schwurgerichtsverfahren nicht an einer Sachaufklärung interessiert, sondern nur daran, Drach und seinen Mandanten Eugen W. „möglichst schnell ins Gefängnis zu verpacken, da, wo sie nach Ihrer Meinung hingehören“. Die am Mittwoch im Landgericht vorgetragenen Entgleisungen stellten laut Bern lediglich „die Spitze des Eisbergs“ dar.
Köln: Verteidiger fällt Richter ständig ins Wort
Heer sei seit März dieses Jahres dazu übergegangen, dem Richter ständig ins Wort zu fallen. Der Anwalt stelle mit seinen ehrverletzenden Äußerungen die Autorität und Integrität des Vorsitzenden infrage.
„Jegliche Grenzen konflikthafter Verteidigung sind überschritten“, resümierte Bern. Es bestünden Zweifel an der Bereitschaft einer pflichtgemäßen und sachdienlichen Verteidigung. Heer drohe die Rücknahme der Pflichtverteidigung, und somit die „Entlassung aus wichtigem Grund“.
„Seit dem 16. Dezember haben wir kaum Fortschritt in der Sache und streiten uns am Spielfeldrand“, sagte Bern. Der Richter nannte seinen Vortrag eine „Abmahnung“ für den Verteidiger, dessen ständige Störungen nicht mehr hinnehmbar seien.
Heer hatte zuletzt etwa eine Gutachterin konsequent nach Vorgängen in einem ganz anderen Verfahren befragt. Jede Frage hatte der Richter als sachfremd gerügt und Heer machte trotzdem weiter – bis sein Mandant Kopfschmerzen bekam.
Kölner Richter: Anwalt habe „unter der Gürtellinie“ agiert
Als Pflichtverteidiger, derer zwei pro Angeklagtem zur Sicherung des Mammutverfahrens benötigt werden, rechnet Heer seine Kosten bisher mit der Staatskasse ab. Verliert er nach weiteren Entgleisungen das Pflichtmandat, fließt sehr wahrscheinlich kein Geld mehr – denn der Mandant sitzt in U-Haft und dürfte nicht über entsprechende finanzielle Mittel verfügen. Heer könnte dann als Wahlverteidiger ohne gesicherte Bezahlung weitermachen oder aus dem Verfahren ausscheiden.
„Ich hatte einen Neuanfang angeboten, das wurde ausgeschlagen“, erwiderte Heer nun auffallend kleinlaut. Er wolle sich nun mit seinem Mandanten beraten, ob ein Ablehnungsantrag gegen das Gericht zu stellen ist. Bern hatte sich bereits verwundert gezeigt, dass dieser bei der Fülle von Vorwürfen bislang nicht erfolgt sei. „Sie akzeptieren meine Rolle als Verhandlungsleiter nicht“, sagte Bern. Heer habe „unter der Gürtellinie“ agiert. Der Prozess um vier Raubüberfälle wird fortgesetzt.