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„Ich schäme mich für diesen Staat”Kölner Richter kämpft vor Urteil mit den Tränen

Lesezeit 3 Minuten

Kurz nach der Auflösung der CSD-Parade 2016 eskalierte ein Polizeieinsatz in der Marzellenstraße.

  1. Es kommt in einem Kölner Gerichtssaal nur äußerst selten vor, dass ein Richter mit den Tränen kämpft. Noch dazu, weil er fassungslos über das Verhalten von Polizisten ist.
  2. „Sofern es an mir ist, bitte ich den Angeklagten für den Staat um Entschuldigung“, so der Richter.
  3. Was war geschehen? 2016 hatte ein Mann den CSD besucht. Gegen die Kölner Polizisten, unter denen er an diesem Tag leiden musste, wird nun ermittelt. Die ganze Geschichte.

Köln – Ein Vorsitzender Richter, der sich für den Staat schämt und zweimal den Tränen nah ist, der sich beim Angeklagten entschuldigt und einer Polizistin zu ihrem Mut gratuliert, gegen ehemalige Kollegen ausgesagt zu haben: Der Prozess gegen einen CSD-Demonstranten, der Polizisten am Rande des CSD 2016 beleidigt, falsch verdächtigt, sogar verletzt haben soll, endete am Freitagnachmittag um 15 Uhr mit dem Verdacht von mehreren Straftaten im Amt. Und mit einem emotional vorgetragenen Urteil, das Seltenheitswert hat.

Die Vorwürfe der Staatsanwalt hielt der Richter für haltlos. Im Gegenteil sei schon der Blendschlag, mit dem ein Polizist den Demonstranten in der McDonalds-Filiale auf der Marzellenstraße niedergestreckt hatte, als Körperverletzung im Amt zu werten. So dann hätte die Polizei den Rettungswagen rufen müssen, da der junge Mann bewusstlos am Boden lag.

Verhalten der Kölner Polizei scharf kritisiert

Den Mann zu fesseln, hielt der Richter für ebenso „unverhältnismäßig“ wie die anschließende Ingewahrsamnahme. Mindestens einen Tritt und einen Faustschlag in den Rücken des gefesselten und am Boden liegenden Demonstranten, den nicht nur eine damalige Kommissarsanwärterin, sondern auch zwei andere Zeugen gesehen hatten, könnten als „gefährliche Körperverletzung“ zu werten sein.

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Als Körperverletzung bewertete der Richter auch eine Blutentnahme in der Gewahrsamszelle, die weder wie vorgeschrieben von einem Staatsanwalt angeordnet noch von einem Richter genehmigt worden war. Fassungslos machte den Richter, dass eine Vorgesetzte des verantwortlichen Polizisten die so erfolgte Blutentnahme als ganz normalen Vorgang dargestellt habe. Als der Richter referierte, wie der Angeklagte um kurz nach Mitternacht in Unterhose und T-Shirt und mit einer nassen Jeans in der Hand vors Präsidium gesetzt worden sei, um dort gleich einen Platzverweis zu erhalten, versagt ihm zum ersten Mal die Stimme.

„Ich schäme mich“

Erneut angefasst zeigte er sich am Ende seines Urteils. Er sitze als Vertreter eines Staates hier, den er für „einen der bestmöglichen“ halte, sagte er. „Als solcher schäme ich mich im Grunde. Sofern es an mir ist, bitte ich den Angeklagten für den Staat um Entschuldigung.“

Der damaligen Kommissarsanwärterin gratulierte der Richter dagegen für ihren Mut. Sie war bei einem Hauptkommissar, der jetzt selbst im Zentrum von Ermittlungen steht, durch ihr abschließendes Berufspraktikum gefallen – die Staatsanwältin hatte ihre Glaubwürdigkeit angezweifelt. Die Polizistin ist inzwischen als Kommissarin rehabilitiert - sie hatte erfolgreich gegen die Beurteilung ihres damaligen Vorgesetzten geklagt. Als Zuschauerin im Gerichtssaal weinte sie ebenfalls, als der Richter sein Urteil begründete.

Das Landgericht informierte umgehend das Oberlandesgericht und das Justizministerium über das Urteil. Die Staatsanwaltschaft hat eine Woche Zeit, Revision einzulegen. Ermittelt wird jetzt gegen mehrere Kölner Polizeibeamte.