- Der Diözesanrat der Katholiken solidarisiert sich mit Seelsorgern, die Kardinal Rainer Woelki in einem offenen Brief massiv kritisiert haben.
- Die Laienvertretung beklagt, dass ihr bei Reformideen „immer wieder durch die Bistumsleitung Steine in den Weg gelegt werden“.
- Der Kardinal lehnt die vorgeschlagenen Strukturveränderungen ab.
Köln – Der Richtungsstreit über den Zukunftsweg im Erzbistum Köln verschärft sich. Der Diözesanrat der Katholiken solidarisierte sich demonstrativ mit einer Gruppe von Seelsorgern, die in einem offenen Brief an Kardinal Rainer Woelki einen Niedergang des kirchlichen Lebens im Zuge der Missbrauchskrise beklagt und konkrete Reformen gefordert hatten.
Der Vorsitzende der Laienvertretung, Tim Kurzbach, sprach von einem „guten und mutigen Schritt, der unsere ganze Anerkennung verdient“. In einer Erklärung des Diözesanrats zu dem offenen Brief heißt es: „Auch wir glauben wirklich, dass es an der Zeit ist, gemeinsam etwas zu verändern“.
„Bistumsleitung legt uns Steine in den Weg“
Der Diözesanrat bedauert, „dass uns immer wieder durch die Bistumsleitung Steine in den Weg gelegt werden“. Hier bewege sich „viel zu wenig, und wenn, dann nur auf eine abgehobene Weise, die die Menschen nicht mehr verstehen können oder wollen. So stellen wir fest, dass die Wege der Bistumsleitung und der vielen engagierten Christinnen und Christen im Hauptberuf oder im Ehrenamt sich diametral auseinander bewegen“.
Indirekt wirft der Diözesanrat dem Erzbischof Kommunikationsverweigerung vor. Auf ein Schreiben vom vorigen Oktober habe Woelki bislang nicht reagiert. „Wir haben noch nicht einmal eine Eingangsbestätigung erhalten.“ Auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ zeigte sich Kurzbach darüber irritiert, betonte aber die Bereitschaft zur Geduld um des Dialogs willen. Er kündigte „ein offenes Gespräch“ mit Woelki in den kommenden Tagen an. „Dann erwarten wir konkrete Antworten auf unsere Beschlüsse.“
Diözesanrat fordert Bewegung bei „längst überkommender Sexualmoral“
Zu den Bereichen, in denen sich die Bistumsleitung „unbedingt zu bewegen“ habe, zählt der Diözesanrat – wie auch der offene Brief der Seelsorger – die „längst überkommene Sexualmoral“, die Gleichstellung von Frauen und Männern in Leitungsämtern, die Übernahme von Gemeindeleitungen durch Laien, neue Gottesdienstmodelle und die Zusammenarbeit in der Ökumene. Zu viele Christen hätten schon resigniert, so Kurzbach, und eine stetige Zahl vollziehe irgendwann die innere Immigration oder schlimmstenfalls die äußere Abkehr durch Austritt. „Dies empfinden wir als verheerende Signale und als Schmerz. Es muss jetzt etwas passieren.“
Auf einer Versammlung von mehreren Hundert Priestern, Diakonen, Pastoral- und Gemeindereferenten des Bistums am Freitag im Maternushaus ging Woelki nach Angaben von Teilnehmern mit keinem Wort auf den offenen Brief seiner Seelsorger ein. Mitinitiatorin Marianne Arndt zeigte sich enttäuscht. „Eigentlich ist der Kardinal am Zug. Ich hätte erwartet, dass irgendjemand auf uns zukommt oder mal eine Rückmeldung gibt.“ Inzwischen hätten etwa 50 hauptamtliche Seelsorger den Brief unterschrieben. Es gebe darüber hinaus große Zustimmung, auch von Priestern. Wenn die pastorale Entwicklung nicht nach vorn gehe, werde es zu einer großen „Abstimmung mit den Füßen“ kommen, warnte Arndt. Allerdings sei die Skepsis groß, was die Veränderungsbereitschaft des Kardinals angehe.
Seelsorgerinnen klagten über Diskriminierung, Homosexuelle über Heimlichtuerei
Auf dem Seelsorger-Treffen waren die Teilnehmer unter anderem aufgerufen, eigene Verletzungen im Lebensraum Kirche zu benennen. Seelsorgerinnen klagten über Diskriminierungen und Zurücksetzung als Frauen, Homosexuelle über institutionalisierte Heimlichtuerei ihrer Kirche.
Auch die Enttäuschung über lieblos gestaltete Gottesdienste oder weltfremde Predigten sei zur Sprache gekommen, berichtete Peter Otten aus dem neuen Pastoralteam für die Kölner City. Er sprach von bewegenden und alarmierenden Zeugnissen. „Da müssen wir gemeinsam mit dem Kardinal ran, wenn im Erzbistum ein Kulturwandel gelingen soll“, sagte Otten. Er ist Mitglied einer gleichnamigen, von Woelki eingesetzten Arbeitsgruppe.
Kardinal lehnt Vorschläge ab
Der Kardinal selbst lehnt in einem Gastbeitrag für die Würzburger „Tagespost“ (Slogan: klarer Kurs, katholischer Journalismus) die vorgeschlagenen Strukturveränderungen als nicht zielführend ab. Stattdessen setzt er auf eine Erneuerung der Gottesbeziehung. Die Kirche werde die Zukunft „nur mitgestalten, wenn sie sich neu auf Christus besinnt“. Das Christentum insgesamt habe mit einer Krise des Glaubens und Verstehens zu kämpfen.
„Zugespitzt lautet die Alternative, vor der wir stehen: Entweltlichung der Kirche oder Entchristianisierung der Welt.“ In den Debatten über nötige Reformen – das Wort ist in Woelkis Beitrag mit Anführungszeichen versehen – werde „die leitende Frage oft auf den Kopf gestellt: Was wollen die Menschen? Was wird von der Kirche erwartet? Was kommt an und was nicht? Wo muss sie sich anpassen, weil sie sonst keine Akzeptanz mehr findet?“
„Kirche kann sich keine Veränderung der Lehre abtrotzen lassen“
Woelki weist dieses Herangehen zurück. Nicht Anpassung an die Wirklichkeit könne die Devise sein. Auch könnten Zahlen und Mehrheiten nie über die Wahrheit entscheiden. Mehrheiten könnten „irren und auf entsetzliche Abwege geraten“. Die Kirche könne sich, „egal wie groß der mediale Handlungsdruck und die öffentlichen Erwartungen auch sein mögen, keine Veränderungen ihrer Lehre abtrotzen lassen, wenn diese dem Geist des Evangeliums widersprechen. Und das gilt eben nicht nur für die ganz großen Dogmen wie die Dreifaltigkeit oder die Gottessohnschaft Christi, sondern auch für andere grundlegende Fragen.“
Woelki nennt hier die auf Nachkommen angelegte Ehe von Mann und Frau, den Zölibat und die Position, dass „die Kirche im Gehorsam gegenüber dem Vorbild Jesu Frauen nicht zu Priestern weihen“ könne. Hier „mit einem Federstrich“ Entscheidungen herbeizuführen, hieße, die Wegweisung Gottes für die Kirche Lügen zu strafen. „In die Zukunft führt solcher Kleinmut nicht.“
„Leider von der Realität der Basis entfernt“
Zu den Diskussionen über die Sexualität warnt Woelki die Kirche davor, auf die Medien hereinzufallen, die alles auf dieses Thema verkürzten. Zudem halte die „so oft geschmähte, angeblich dringend reformbedürftige kirchliche Morallehre ein Versprechen aufrecht, das in der Spaß- und Unterhaltungskultur unter die Räder zu kommen droht: Es gibt sie, die eine große Liebe!“
Mit seinem Beitrag habe Woelki sich „leider von der Realität der Basis entfernt“, kritisierte Kurzbach. Inhaltlich biete der Kardinal nichts Neues. Die Notwendigkeit einer stets erneuerten Gottesbeziehung jedes Christen sei unbestritten. „Wir haben nur die tiefe Sorge, ob das mit den derzeitig vorliegenden Strukturen möglich ist. Es braucht vor Ort Menschen, die den Glauben authentisch vorleben, die inspirierend wirken und denen das Heil der Kirche und der Menschen, so wie Gott sie gewollt hat, am Herzen liegt.“