Sanjeev Sharma ist seit Jahren in Köln als Blumenverkäufer unterwegs. Besonders auf den Kölner Ringen wurde er als „Blumen-Bobby“ bekannt.
Mittlerweile hat er am Klapperhof eine eigene Bar gegründet.
Im Interview spricht er über die Kölner Kneipenkultur, den Rosen-Verkauf und Sicherheit auf den Ringen.
Köln – Ohne Blumen geht es auch hier nicht: Sie schmücken die Bar, hängen von der Decke herunter und versprühen wohl dosierte Exotik. Oliv-Grüne Satin-Sessel und orangene Farbtupfer an den Wänden beschwören das Saturday-Night-Fever der 70er-Jahre herauf. Der als „Blumen-Bobby“ bekannte Rosenverkäufer Sanjeev Sharma hat Im Klapperhof, wo vorher die Lotte Haifischbar war, „Bobby’s Bar“ eröffnet. Wir haben ihn getroffen: Ein Gespräch über klassische Cocktails, Schutzgelderpressung und die Geheimnisse seiner Kunden.
Herr Sharma, Sie machen seit 1996 als Rosenverkäufer auf den Ringen Ihre Nächte zum Tag. Nach Ihrem Wurst-Willy-Imbiss neben dem Pascha sind Sie nun auch Betreiber der Bobby’s Bar. Haben Sie ihren Job als Rosenverkäufer an den Nagel gehangen?
Sharma: Nein, ich mache das weiter. Es macht mir Spaß und ich verdiene gutes Geld dabei, aber ich bin nur noch am Wochenende unterwegs. Mittlerweile habe ich vier Betriebe, dafür brauche ich Zeit. Durch das Blumengeschäft bleibe ich aber im Kontakt mit den Leuten und bin vernetzt.
Wir sind eine Cocktailbar und haben uns auf Gin spezialisiert. Aber die Leute können auch zum Champagnertrinken herkommen. Es soll nicht so „kneipig“ werden, sondern eine gepflegte Atmosphäre herrschen. Die Frauen sollen sich hier wohlfühlen. Am Wochenende wollen wir ab 22 Uhr die Musik etwas lauter drehen und die Möbel zur Seite räumen, wenn die Stimmung gut ist. Da sind wir flexibel. Außerdem wollen wir uns auf die Einheimischen und auf ein etwas älteres Publikum konzentrieren, auch wenn Jüngere natürlich auch willkommen sind. Vor manchen Cocktailbars in der Gegend muss man ewig an der Tür warten. Das gibt den Bars ein Gefühl von Wichtigkeit. Gerade aber die älteren Leute können nicht lange draußen stehen. Und wir wollen ein Treffpunkt für die Gastronomen in der Nachbarschaft sein, die nach Dienstschluss sonntags noch herkommen können.
Welchen Getränketrend greifen Sie auf, welchen nicht?
Mit der Einrichtung wollen wir auf die 70er Jahre anspielen, daher haben wir auch ein paar klassische Cocktails auf die Karte gesetzt, die nicht mehr so üblich sind: Den Bloody Mary oder einen geschüttelten Martini. Viele machen inzwischen Cocktails mit Gemüse und Obst, mit Pfefferminzblättern und Rosmarin. So etwas bieten wir zwar auch an, aber daneben auch einen klassischen Margarita. Wir möchten, dass die Gäste nostalgisch an früher zurückdenken.
Als Rosenverkäufer waren Sie hauptsächlich auf den Ringen unterwegs. Wie war es für Sie, als Sie anfingen?
Am Anfang war es sehr schwierig für mich: Die Bars und Clubs haben mich zuerst nicht reingelassen. Irgendwann haben sie mich akzeptiert, als sie gesehen haben, dass ich regelmäßig hier arbeite. Heute bin ich regelmäßig im Bazaar de Cologne, Macaronni, Bar 51, in den Restaurants Spencer & Hill sowie Marx und Engels sowie in Clubs wie Vanity und Flamingo Royale. Ich bin der einzige Rosenverkäufer, der Einlass hat. Ich habe eine Konzession.
Haben Sie sich auf den Ringen jemals unsicher gefühlt?
Nein, überhaupt nicht. Heute gibt es mehr Polizei und Ordnungskräfte. Es wird immer schlimmer. Die, die Randale machen, haben keinen Respekt vor den Beamten und machen noch mehr Randale. Das sind meistens keine Kölner, sondern Junggesellenabschiede von außerhalb oder Touristen. Früher sind auf den Ringen richtig schlimme Sachen wie Schießereien passiert, heute sind es nur Bagatellen. 2009 wurde ich in meinem Imbiss im Klapperhof überfallen, weil Schutzgeld von mir erpresst wurde, was ich denen aber nicht gegeben habe. Diese Menschen wurden festgenommen. Wir arbeiten eng mit der Stadt und der Polizei zusammen. Dieses Jahr habe ich den Imbiss am Pascha wiedereröffnet, nach einem langen Prozess habe ich die Marken- und Patenrechtrechte erhalten.
Früher zu D-Mark-Zeiten haben die Kunden einzelne Rosen gekauft. Das gibt es heute nicht mehr: Entweder ich werde direkt alle Blumen los oder gar keine. Es ist ein wenig wie in Asien: Es gibt arme und reiche Leute, die Mittelklasse verschwindet. Man muss den Kunden finden, der 200 Euro auf einmal ausgibt, wenn nicht, hat man keinen Euro verdient. Aber ich weiß inzwischen, wo ich meine Klientel finde. Ich kenne viele Geheimnisse meiner Kunden, wer mit welchen Frauen verkehrt… Aber alles bleibt verschlossen in meinem Herzen.
Wer sind Ihre Stammkunden?
Die, die 40 Jahre alt waren, als ich angefangen habe, und die nun 60 geworden sind. Ich habe meine Stammkunden von früher und deren Kinder und Enkelkinder sind jetzt auch meine Kunden. Manchmal ruft einer und sagt, dass seine Tochter gerade auf den Ringen unterwegs ist und dass ich mal ein Auge drauf werfen soll. Auch einige Promis kaufen bei mir Rosen ein, zum Beispiel Fußballspieler, die häufig im Flamingo Royale feiern.
Sie leben seit 1994 in Deutschland. Sie flüchteten aus Indien, weil sie sich politisch engagiert haben und Sie sind gelernter Hotelmanager. Wie war es für Sie, als Sie hierher kamen?
Ich war Asylant und hatte keine Arbeitserlaubnis. Ich habe kein Deutsch gesprochen und hatte keine Hilfe. Deswegen bin ich vielleicht auch erfolgreich, weil ich selbst für alles gekämpft habe. Wenn man sein eigenes Geld verdient, dreht man den Cent zehn Mal um. 1996 habe ich dann die Erlaubnis von der Stadt Köln erhalten, Blumen zu verkaufen. Es war schon immer ein Traum von mir, in die Gastronomie zurückzukehren, doch die Liquidität spielt eine Rolle.
Kennen Sie die Gastronomen hier im Klapperhof? Wie ist das Verhältnis zur Nachbarschaft?
Ich bin seit 26 Jahren hier unterwegs, wenn einer mich nicht kennt, ist er kein Kölner. Wir haben große Unterstützung. Wir kennen uns, die Besitzer kommen häufig vorbei und wollen helfen.
Bevor Sie ihre Betriebe eröffnet haben, waren Sie ausschließlich als Blumenhändler unterwegs, auch unter der Woche. Wann haben Sie da geschlafen?
Im Auto meistens, drei bis vier Stunden, immer dann, wenn ich die Möglichkeit hatte und in den restlichen 20 Stunden habe ich gearbeitet. Kanzlerin Merkel schläft auch nur vier Stunden pro Nacht. Man gewöhnt sich dran.
Bringen Sie Ihrer Frau auch mal eine Rose mit?
Ja, aber meine Frau kann Rosen nicht mehr sehen. Sie sagt dann schmunzelnd: „Nur weil du sie nicht verkaufen konntest, bringst du sie her“ (lacht). Wir haben zu Hause einen Gebetsraum, weil wir Hindus sind, und in dem Tempel stehen auch immer frische Blumen.