Entscheidung im Kölner Stadtrat: Die städtischen Kliniken werden am Standort Merheim konzentriert. Auch das Kinderkrankenhaus Amsterdamer Straße schließt.
Kölner Stadtrat mit EntscheidungDie städtischen Kliniken werden in Merheim zusammengelegt
Die städtischen Krankenhäuser in Holweide und Riehl haben in ihrer heutigen Form keine Zukunft. Der Stadtrat hat am Donnerstag nach monatelangen Diskussionen einen entsprechenden Beschluss gefasst. Höchstens eine kommunale Minimalversorgung in Holweide scheint noch denkbar – die Prüfung dieser Variante nach Abschluss der Krankenhausreform auf Bundesebene hat die SPD kurz vor der Ratssitzung in den Beschluss verhandelt. Der Rat hat dem Plan der Verwaltung mit minimalen Ergänzungen zugestimmt. Damit sind auch Investitionen von mindestens 818 Millionen Euro beschlossen. Mit dem Geld soll das Krankenhaus in Merheim, an dem künftig alle Stationen zentriert werden, deutlich erweitert und ausgebaut werden. Unter anderem ist hier eine eigene Kinderklinik geplant – das Kinderkrankenhaus Amsterdamer Straße wird im Gegenzug aufgegeben.
Im Vorfeld hatte Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) die Geschäftsführung aufgefordert, ein Modell zu entwickeln, in dem die städtischen Kliniken ihre jährlichen Defizite langfristig massiv reduzieren. Der Beschluss orientiert sich eng am vorgelegten Modell. Die Tragweite der Entscheidung ist kaum zu überschätzen: Die Kliniken behandeln jedes Jahr rund 180.000 Patienten, ein Drittel davon stationär. Mit bislang rund 1400 Betten sind sie eines der größten kommunalen Krankenhausunternehmen in Deutschland.
Kölner Kliniken: Wie kam es zu dem Plan?
Rekers Aufforderung resultierte aus massiven Verlusten der städtischen Kliniken, die in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen sind. Zwischen 2011 und 2021 fuhren die drei Häuser insgesamt ein Minus von rund 300 Millionen Euro ein. Im Jahr 2022 waren es dann 62 Millionen Euro, für das laufende Jahr erwartet das Unternehmen rund 90 Millionen Euro Verluste. Befürworter des Merheim-Modells argumentierten zuletzt stets mit der Faustformel: Jede Woche, in der nicht entschieden wird, kostet die Kölnerinnen und Kölner zwei Millionen Euro.
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Wer hat für den Merheim-Plan gestimmt?
Neben dem Ratsbündnis aus Grünen, CDU und Volt stimmten auch die Fraktionen von SPD, FPD und AfD für den Plan. Die SPD hatte sich zwischenzeitlich zerstritten: Innerhalb der Fraktion gab es sowohl entschiedene Befürworter als auch Kritiker. In Mülheim etwa hatte die SPD in den vergangenen Jahren immer wieder mit dem Versprechen, für den Erhalt des Krankenhauses Holweide zu kämpfen, Wahlkampf gemacht. Auch SPD-Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hatte sich in die Diskussion eingemischt und einen möglichen Erhalt von Holweide in den Raum gestellt – obwohl dies gegen seine eigenen Reformpläne geht.
Das sorgte in der Fraktion ebenso wie ein unabgesprochener Abstoß mehrerer SPD-Landtagsabgeordneter, die alle Häuser erhalten wollten, für Unruhe. Ratsfraktionschef Joisten warf einer Gruppe um den heutigen Vorsitzenden der SPD-Landtagsfraktion, Jochen Ott, „unkollegiales und parteischädigendes Verhalten“ vor. Nun jedoch hat sich die Fraktion am Donnerstag mit dem Ratsbündnis auf einen Kompromiss geeinigt, in dem die Sozialdemokraten den Weg zwar mitgehen, ein theoretisches Hintertürchen für ein massiv verkleinertes Krankenhaus in Holweide bleibt dennoch.
Was passiert mit den Grundstücken in Holweide und Riehl?
Die beschlossene Vorlage sieht vor, dass die frei werdenden Grundstücke, auf denen sich das Krankenhaus Holweide und das Kinderkrankenhaus an der Amsterdamer Straße befinden, verkauft werden. Bemerkenswert ist, dass dieser Umstand von Grünen und SPD im Finanzausschuss explizit kritisiert worden ist, nun von beiden Fraktionen aber zunächst mitbeschlossen wurde. Dem Plan der Geschäftsführung nach könnten dort Wohnungen für Pflegerinnen und Pfleger, die künftig in Merheim arbeiten, geschaffen werden. Unklar ist bislang, ob und wie eine solche Nutzung durch die Stadt sichergestellt wird, wenn die Gelände verkauft werden. Für den Verkauf warb unter anderem Kämmerin Dörte Diemert, denn die Stadt verspricht sich von einem Verkauf rund 124 Millionen Euro Einnahmen, die in dem Modell bereits verrechnet sind. Ohne die Einnahmen wären die Kosten bei weit mehr als 900 Millionen Euro.
Wie lief die Debatte im Kölner Stadtrat?
Viel Neues kam nach monatelangen politischen Diskussionen über die Zukunft der Kliniken am Donnerstag nicht zur Sprache. „Wir gewinnen medizinisch viel“, sagte Christiane Martin, Fraktionsvorsitzende der Grünen. Und betonte, dass es mit Blick auf die Umgestaltung der Kliniken noch „jede Menge weitere Entscheidungen“ geben müsse. Auch die Frage nach den Grundstücken sei noch nicht endgültig geklärt. CDU-Fraktionschef Bernd Petelkau sagte: „Das ist eine der größten Entscheidungen, die wir vielleicht über mehrere Wahlperioden treffen.“ Der Stadtrat habe nun „gewisse Erwartungen“ an die Geschäftsführung.
Christian Joisten betonte, die SPD setze sich trotz der beschlossenen Zusammenlegung „dafür ein, dass der Bezirk Mülheim auch weiterhin ein Krankenhaus Holweide hat.“ Auch FDP und Volt lobten die Vorlage. Uschi Röhrig (Linke) sagte hingegen: „Die Kostenreduzierungen werden die Behandlungsqualität verschlechtern.“ Sie kritisierte die geplante Reduzierung der Bettenzahl scharf.
Was bedeutet die Entscheidung für einen möglichen Klinikverbund?
Seit Jahren wirbt Reker für einen Verbund der städtischen Kliniken mit der Uniklinik, die dem Land gehört. Anfang Juni hat das Land erstmals seine Bereitschaft für Sondierungsgespräche zum Thema signalisiert – wohl auch, weil nun ein Plan vorliegt, mit dem die Stadt die finanziellen Probleme ihrer Kliniken langfristig ohne Landesunterstützung loswerden kann.
Reker sieht den am Donnerstag gefassten Beschluss als Grundlage für einen möglichen Verbund. „Das Zukunftskonzept der Kliniken ist die Grundlage dieser Gespräche und dessen Umsetzung ist sowohl mit als auch ohne Klinikverbund notwendig und wichtig“, sagte sie dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Im Rat zeigte sich Reker kämpferisch: „Ich habe noch nicht aufgegeben.“
Sollen Betten und Personal reduziert werden?
Ja. Die mehr als 3350 Vollzeitstellen sollen auf unter 3000 Vollzeitstellen gekürzt werden. Die Zahl der Pflegerinnnen und Pfleger soll jedoch gleich bleiben, kürzen will die Geschäftsführung vor allem bei der Klinikverwaltung, die bei nur noch einem Standort mit weniger Aufwand zu betreiben wäre. Auch im Ärztlichen Dienst sollen einige Stellen wegfallen. Die Zahl der Betten soll von 1400 auf 1029 reduziert werden. Das Versprechen von Stadt und Geschäftsführung ist dennoch: Die Behandlungsqualität wird sich verbessern.