AboAbonnieren

Meistgelesen 2022Kölner Fußgänger beklagen rücksichtslose Radfahrer

Lesezeit 6 Minuten
Lastenrad

Unterwegs mit dem Lastenrad.

  1. Dieser Text ist zuerst am 8. Juni 2022 erschienen.

Köln – Für immer mehr Spaziergänger werden Kölner Parks gewissermaßen zur „No-go-Area“. Zumindest zu bestimmten Uhrzeiten. „Sie sollten mal morgens gegen viertel vor acht kommen, da kommt man kaum noch durch hier“, sagt Petra Lenzen und zeigt zu den drei Lastenrädern, die in Höhe der der Kita am Eingang des Beethovenparks quer über den Weg abgestellt sind. Während die Kölnerin ihren Hund an der Leine Richtung Wiese zieht, nähert sich aus der Richtung ein weiteres Lastenrad.

„Nähern“ ist kein ganz zutreffendes Verb. Dank der Motorunterstützung kommt das Fahrzeug in einer Geschwindigkeit den Hügel herabgesaust, dass man sich mit dem Ausweichen beeilen sollte. Die Fahrerin, eine Mutter mit Kind, schaut unbeirrt geradeaus. Sie tut das auch dort, wo sich Wege kreuzen, die man aufgrund des hohen Bewuchses nicht einsehen kann. Abbremsen vor der Park-Kreuzung? – Fehlanzeige.

„Es gibt hier teilweise schon richtige Fahrrad-Highways“, sagt ein Mann, der mit Kopfhörern Richtung Hockeyplatz spaziert. „Das Problem ist, die Leute gucken gar nicht mehr richtig.“ Er meint damit auch die Fußgänger, die mehr auf das Display ihres Handys fixiert sind als auf den Weg. Aber genauso sieht man auch junge Mütter und Väter, die freihändig fahrend ihren Nachwuchs transportieren, und dabei noch das Smartphone bedienen.

Fahren ohne Rücksicht auf Wegkreuzungen

„Man verliert völlig das Gefühl, dass das ein Rad ist. Es ist ein Fahrzeug“, meint eine andere Frau, die mit ihrem Hund unterwegs ist. Sie habe selber ein Lastenrad – aber noch eines von den älteren Modellen – und wisse um die Gefahr. „Die neue Generation kommt doch locker auf 27 oder 28 Stundenkilometer.“ Noch während sie das sagt, saust ein junger Mann mit E-Scooter an ihr vorbei – Stöpsel in den Ohren. Kurz darauf kreuzt ein Rennradfahrer den Weg in einem Tempo, als trainiere er für die Tour de France.

Auf der Hundefreilauffläche ist an diesem Vormittag wenig los. Zum Glück, muss man fast sagen; denn jedes Tier bringt sich hier in potenzielle Lebensgefahr, wenn es beim Spielen von der Wiese abkommt und auf dem Weg landet. Ein kleines Areal schräg gegenüber ist inzwischen nämlich zum beliebten Treffpunkt für Mütter oder Väter mit Lastenrad geworden, weil sich das halbschattige Terrain mit den vielen Baumstämmen gut als Kinderspielfläche eignet. Soeben kommt wieder ein Gefährt leise surrend den Hügel hoch. Die Fahrerin dreht den Kopf nicht einen Zentimeter nach rechts oder links – ungeachtet der Wegkreuzung vor ihr.

„Die tun so, als gehöre der Weg denen"

„Da sitzen teilweise Leute drauf, denen nicht klar ist, was sie da für ein Geschoss unterm Hintern haben“, meint Maria Bausch. Auch sie ist regelmäßig im Beethovenpark zu Fuß unterwegs. „Ich habe nichts gegen Lastenradfahrer“, betont die Kölnerin. „Aber was mich nervt, ist, dass die sich so feiern!“

Rita Hackert hat ihre Freude an der grünen Oase zwischen Militärring und Neuenhöfer Allee zum Teil verloren, seitdem ihre kleine Enkelin „um Haaresbreite“ von einem Rad erwischt worden wäre. Die 70-jährige Großmutter ärgert sich nicht nur über die Rücksichtslosigkeit, sondern über den Habitus vieler Radfahrer, „die so tun, als gehöre der Weg ihnen“. Die meckerten schon, wenn man zu zweit spazieren gehe. „Hey, ihr nehmt den ganzen Weg ein“, werde man angeblafft. „Und dann kommen die in so einem Abstand an einem vorbei“, sagt Hackert und zeigt eine Handflächenbreite.

Die Einstellung, „ich fahr den schon nicht um“, reicht nicht

Was offenbar nur den wenigsten Radfahrern bekannt oder bewusst ist: Sie sollten nicht nur ein bisschen rücksichtsvoll fahren, sondern „sie sind in besonderem Maße zur Rücksicht verpflichtet“, betont Marc Michelske. Der Kölner Anwalt mit Spezialisierung auf Verkehrsrecht erläutert, dass die gängige Einstellung „Ich fahr den schon nicht um“ nicht reicht. „Als Radfahrer habe ich eine über die allgemeine Rücksichtspflicht hinaus gehende, gesteigerte Sorgfaltspflicht.“ Überdies frage er sich, ob das Fahren mit 25 Kilometern pro Stunde und drüber „noch unter Fahrradfahren fällt“. Andererseits sollte natürlich auch der Fußgänger aufmerksam sein. Aber der sei weder verpflichtet, sich durch ständigen Blick über die Schulter zu versichern, dass von hinten nichts kommt. Und er müsse sich, anders als ein Autofahrer, auch nicht rechts halten.

„Parks sind eine No-go-Zone!“, lautet die Meinung von Gunda Wienke, die als sachkundige Bürgerin für die Linke im Verkehrsausschuss sitzt. Grünanlagen seien keine Rennstrecken, sondern Bereiche, wo sich „Menschen frei bewegen dürfen, ohne Angst haben zu müssen, über den Haufen gefahren zu werden“. Deswegen gehörten vor allem motorisierte Fahrräder da nicht hin. Auch Lars Wahlen, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen, plädiert dafür, den Radfahrern nicht die Parks zu überlassen, sondern sie auf die Straße zu leiten. Insbesondere dann, wenn das Ziel – wie die Kitas am Beethovenpark – nur einen geringen Umweg erfordere. Dass, wie in diesem Beispiel, jeder der vier mehr oder weniger parallel verlaufenden Wege durch den Park von Radfahrern genutzt werde, sei jedenfalls nicht sinnvoll.

„Das ist schon furchteinflößend, wenn das durch die Gegend ballert“

Wie die anderen Verbände sei auch ihr Verein dafür, dass statt Autos mehr nicht-motorisierte Fahrzeuge zum Einsatz kämen, aber „dafür die Straße genutzt wird“, sagt Anne Gose, Sprecherin des FUSS e.V. Köln. „Der Verkehr durch den Park ist konflikthaft“, und er sei es umso mehr mit Lastenrädern, weil die „groß, inzwischen elektrisiert und schnell“ seien. Aber auch im Stadtgebiet seien diese Transportmittel schon aufgrund ihrer Breite heikel, weil die traditionellen Radwegen zu schmal seien.

„Alles, was rollt, guckt nicht richtig", behauptet Christoph Schmidt, und „gerade in Köln“ sei die Regeleinhaltung nicht so en vogue. Der Vorsitzende des ADFC Köln bezieht das nicht nur auf Fahrräder, sondern auch auf E-Scooter. Er sei selber auch mit dem Lastenrad in Köln unterwegs und habe festgestellt, dass Autofahrer bei diesem Zweirad mehr Respekt zeigen. „Das ist schon furchteinflößend, wenn das durch die Gegend ballert.“ Allerdings gebe es keine Daten darüber, dass Lastenräder häufiger in Unfälle verwickelt seien als andere Bikes.

Radfahrer und Fußgänger vertragen sich nicht

„Freie Fahrt für alles, das halte ich für gefährlich“ , betont Teresa De Bellis. „Man sagt immer, es wird sich irgendwann einpendeln“, aber da glaube sie nicht dran. „Fußgänger und Radfahrer vertragen sich nicht“, so die verkehrspolitische Sprecherin der CDU im Kölner Rat. „Die Räder werden immer schneller, und die Verlierer werden immer die Fußgänger sein“, ist die Politikerin überzeugt und sagt, sie sei selber schon von einem Lastenrad auf dem Bürgersteig angefahren worden.

Glücklicherweise sei es keines mit „full speed“ gewesen, betont die Kölnerin, in deren Augen „das Lastenrad zum SUV unter den Fahrrädern geworden“ ist. Es müsse etwas passieren, damit es sicherer für alle werde. Das bedeute: „Die Wege entweder farblich getrennt markieren oder baulich trennen.“