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Angebliche Vergewaltigung, ÜberfälleDiese Fälle beschäftigen die Kölner Ermittler

Lesezeit 6 Minuten
Durchsuchung Decksteiner Weiher_1

Polizisten suchen im Februar 2021 im Stadtwald nach Spuren einer angeblichen Vergewaltigung.

Köln – Spektakuläre Kriminalfälle haben voriges Jahr in Köln Schlagzeilen gemacht. Manche Verbrechen sind noch länger her, beschäftigen die Ermittler aber bis heute, Der "Kölner Stadt-Anzeiger" hat die Aufsehen erregendsten Fälle noch einmal hervorgeholt und den Stand der Dinge recherchiert.

Überfall auf das Mare Atlantico noch ungeklärt

Am frühen Abend des 23.12.2021 sollen insgesamt drei Täter das Feinkostgeschäft Mare Atlantico am Großmarkt überfallen haben. Einer der Männer soll mit einer Pistole im Kassenraum Bargeld erbeutet, ein zweiter mit einem Sturmgewehr im Laden gestanden und ein dritter vor der Tür Schmiere gestanden haben. Während der Täter im Kassenraum das Geld zusammenraffte, soll – wohl unbeabsichtigt - ein Schuss gefallen sein, der im Mobiliar stecken blieb und dabei eine Kassiererin nur knapp verfehlte. Nach nicht mal einer Minute sollen die Täter mit einem VW Golf geflohen sein. Wie viel Geld sie genau erbeutet haben, ist nicht ganz klar. Die Rede ist von 150.000 Euro. Bestätigt ist diese Summe aber nicht. Seither fehlt von den Tätern jede Spur, die Polizei fahndet.

Dafür wurde eine eigene Ermittlungsgruppe eingesetzt. Es wurden Kunden und Angestellte als Zeugen befragt. Bei den Ermittlungen spielen auch Videos aus Überwachungskameras eine wichtige Rolle, auf denen Tat und Täter sehr gut zu erkennen sein sollen. Wenn alle anderen Ermittlungsansätze nichts ergeben, könnte die Polizei womöglich mit Bildern aus diesen Kameras öffentlich fahnden.

Vergewaltigung im Stadtwald nur erfunden?

Ein Tatort, der nicht existiert, ein Vergewaltiger, den es nicht gibt und ein Opfer, das keines ist – mit diesem Ergebnis könnte bald einer der Aufsehen erregendsten und zugleich ungewöhnlichsten Kölner Kriminalfälle der vergangenen Jahre enden. Am 25. Februar 2021, einem Mittwochmorgen, alarmierte eine Joggerin die Polizei und gab an, sie sei soeben im Stadtwald überfallen und vergewaltigt worden, ganz in der Nähe des Ausflugslokals „Haus am See“. Ihre Beschreibung des Täters war so genau, die Schilderung der angeblichen Tat so detailliert und plausibel, dass die Polizei zunächst davon ausging, es mit einem erschreckend brutalen Täter zu tun zu haben. Eine Großfahndung lief an, die Polizei bat öffentlich um Zeugenhinweise, Joggerinnen und Jogger mieden bis auf weiteres die beliebte Laufstrecke am Decksteiner Weiher.

Nach fünf Tagen dann die Wende: Beweismittel passten nicht zu den Angaben der 35-Jährigen, Rechtsmediziner konnten ihre Schilderungen nicht mit ihren Verletzungen überein bringen. Die Staatsanwaltschaft erhob Anklage wegen Vortäuschens einer Straftat. Das Motiv der Frau? Völlig unklar. Ihr drohen nun eine Geldstrafe oder maximal drei Jahre Gefängnis. Ob es aber überhaupt zum Prozess kommt, ist unklar. Das Amtsgericht prüft noch, ob die Beweise gegen die Frau ausreichen und ein hinreichender Tatverdacht besteht. Erst dann würde es die Anklage zulassen. Mit einer Entscheidung ist in den nächsten Wochen zu rechnen.

Anklage gegen Apothekerin nach Tod von Mutter und Kind

Zwei Jahre und vier Monate nach dem Tod einer Schwangeren und ihrem per Notkaiserschnitt geborenen Kind ist noch immer nicht absehbar, ob und wann der Prozess gegen eine Apothekerin aus Longerich beginnt. „Über die Eröffnung hat die Kammer noch nicht entschieden“, sagte ein Sprecher des Landgerichts auf Anfrage.

Die Heilig-Geist-Apotheke in Köln-Longerich.

Die Staatsanwaltschaft wirft der Apothekerin versuchten Mord durch Unterlassen, fahrlässige Tötung und fahrlässige Körperverletzung vor. Sie soll im September 2019 versehentlich giftiges Lidocain mit Traubenzucker vermischt haben. Nach der Einnahme starben die Schwangere und ihr Kind in einem Krankenhaus, eine zweite Schwangere musste mit Vergiftungserscheinungen behandelt werden, überlebte aber.

Nach der folgenschweren, aber unbeabsichtigten Verwechslung soll die Apothekerin dem Krankenhaus verschwiegen haben, dass Mutter und Kind Opfer einer Lidocainvergiftung gewesen sein könnten. Dieser Hinweis hätte zwar die Rettungschancen der beiden erhöht, glaubt die Staatsanwaltschaft, aber wohl nicht ihr Leben gerettet. Daher wird das Verschweigen als versuchter Mord gewertet und nicht als vollendete Tat. Die Verteidiger der Apothekerin wiesen die Vorwürfe als „vollkommen abwegig“ zurück. Ihre Mandantin habe sich nichts zuschulden kommen lassen.

24-Jähriger soll Ex-Freundin und Sohn getötet haben

Ein 24-Jähriger sitzt derzeit in Untersuchungshaft, weil er im November vergangenen Jahres seine Lebensgefährtin und den gemeinsamen vierjährigen Sohn am Niehler Hafen erstochen und die Leichen in den Rhein geworfen haben soll. Die Mutter wurde tot im Hafenbecken gefunden, der Sohn tags darauf ein paar Kilometer flussabwärts von Passanten am Worringer Rheinufer.

Polizei Niehler Hafen

Polizeitaucher suchen an der Einfahrt zum Niehler Hafen nach Gegenständen, die im Zusammenhang mit dem Tötungsdelikt stehen.

Die Tat hatte in der Stadt für große Bestürzung gesorgt, zuletzt gedachten Freunde, Angehörige und Andere in einer Mahnwache der Toten. Aus welchem Motiv der Täter gehandelt haben könnte, ist noch unklar. Der Beschuldigte schweigt zu den Tatvorwürfen.

Noch keine Verursacher für Betonplatten-Unfall ermittelt

Auch nach mehr als einem Jahr ist der tödliche Betonplatten-Unfall auf der A3 in Dellbrück juristisch noch nicht geklärt. Ermittelt wird noch immer gegen Unbekannt wegen fahrlässiger Tötung. Ob sich im Zuge der Ermittlungen Vorwürfe gegen konkret zu benennende Beschuldigte ergeben, sei unklar, sagte Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer. Drei Gutachten liegen inzwischen vor. Bisher wird aber weder gegen Mitarbeiter der zuständigen Baufirma noch des beauftragenden Landesbetriebs Straßen NRW ermittelt. Am 13. November 2020 hatte sich kurz vor der Ausfahrt Dellbrück ein tonnenschweres Betonteil aus der Schallschutzwand gelöst, eine 66-jährige Kölnerin in ihrem Kleinwagen unter sich begraben und getötet.

Thomas Drach ab Februar wegen Überfällen vor Gericht

Jahrelang waren die Überfälle auf Geldboten bei Ikea in Köln-Godorf 2018 und am Köln-Bonner Flughafen 2019 ungeklärt, dann die spektakuläre Nachricht im Februar 2021: Reemtsma-Entführer Thomas Drach soll hinter den Taten stecken. Er wurde in den Niederlanden verhaftet, einer der Fluchtwagen hatte die Kölner Ermittler auf seine Spur geführt. Zwei weitere Überfälle in Frankfurt und Limburg sollen auf sein Konto gehen.

Raubüberfall Köln

Ermittler sichern Spuren an einem überfallenen Geldtransporter am Flughafen Köln-Bonn

Ab 1. Februar wird dem 61-Jährigen und einem niederländischen Komplizen vor dem Kölner Landgericht der Prozess gemacht. 55 Verhandlungstage sind angesetzt, ein Urteil könnte im Sommer fallen. Bei den Überfällen soll Drach zwei Security-Mitarbeiter angeschossen und lebensgefährlich verletzt haben. Die Staatsanwaltschaft hat Sicherungsverwahrung beantragt.

Ermittlungen gegen Baumarkt-Mitarbeiter nach Rigipsplatten-Unfall

Mehr als zwei Jahre ist es inzwischen her, dass eine Rigips-Platte einen 69-Jährigen vor den Augen seiner Familienangehörigen in einem Kalker Baumarkt erschlug. Der Rentner wurde im November 2019 in der Materialausgabe von einer mehr als 100 Kilogramm schweren Palette getroffen und erlag noch an der Unfallstelle seinen Verletzungen. Womöglich haben Mitarbeiter des Baumarktes den Turm mit den Gipskartonplatten schlampig gestapelt, sodass dieser einstürzte.

Gegen zwei Mitarbeiter wird noch wegen fahrlässiger Tötung ermittelt. Es soll geprüft werden, ob die Beschuldigten ihrer Überprüfungspflicht bezüglich der sicheren Lagerung der Platten nicht nachgekommen waren. Ob Anklage gegen die beiden erhoben wird, steht noch nicht fest. „Zuletzt ist den Verteidigern Gelegenheit zur Stellungahme gegeben worden. Hier wird abzuwarten sein, ob noch weiteren Ermittlungsansätzen nachgegangen werden muss“, sagte Oberstaatsanwalt Ulrich Bremer.

Prozess gegen KVB-Fahrerin nach Unfall am Neumarkt

Die Anklage ist inzwischen zugelassen, der Prozesstermin steht aber noch nicht fest: Vor dem Amtsgericht muss sich demnächst eine 43 Jahre alte Straßenbahnfahrerin der KVB verantworten. Ihr wird fahrlässige Körperverletzung vorgeworfen. Durch mehrere Fahrfehler hat sie nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft im November 2020 einen folgenschweren Unfall am Neumarkt verursacht. Auf der Kreuzung mit dem Mauitiussteinweg stieß ihre Bahn mit einem entgegen kommenden Zug zusammen, 29 Fahrgäste wurden verletzt. Die 43-Jährige selbst hatte anfangs in Lebensgefahr geschwebt, ist aber mittlerweile genesen.

Anklage gegen 32-Jährigen nach Mord im Rohbau

Die Leiche eines 75 Jahre alten Mannes lag im Sommer vorigen Jahres im Rohbau eines Hauses an der Boltensternstraße in Riehl. Kurz darauf wurde sein Adoptivsohn festgenommen, jetzt hat die Staatsanwaltschaft Mordanklage gegen den 32-Jährigen erhoben. Er soll den Rentner aus Habgier und Heimtücke erschlagen haben, möglicherweise, um an sein Erbe zu gelangen. Über die Zulassung der Anklage hat das Landgericht noch nicht entschieden.