Die Abfallwirtschaftsbetriebe schicken täglich Reinigungsteams an die Wildmüll-Hotspots der Stadt. Kostenpunkt: 13,5 Millionen Euro pro Jahr.
Straßenreinigung im DauereinsatzKöln hat ein riesiges Problem mit illegal abgeladenem Müll
Olaf Jablonski mag es sauber, sagt er. Deshalb mache er seinen Job gern. Auch an diesem verregneten, stürmischen Novembermittwoch. Und selbst im Angesicht dieses Haufens Müll in der Karl-Korn-Straße mitten in der Kölner Südstadt. Hier wurden ausrangierte Kindermöbel illegal abgeladen, Spielzeug, Stofftiere, Autoreifen, ein alter Vogelkäfig, eine verdreckte Matratze, eine defekte Musikanlage und vieles mehr.
Jablonski und und sein Kollege Georg Happe werfen alles in ihr Sammelfahrzeug der Abfallwirtschaftsbetriebe (AWB) Köln. Nur Reifen, Elektroschrott, Farben oder Öl kommen nicht in die Presse und später in die Sortieranlage. Diese Stoffe müssen gesondert von einem weiteren Fahrzeug abgeholt werden. Alles andere schaufeln und fegen die beiden Männer in ihrer orangefarbenen Schutzkleidung weg, bis der kleine Platz in dieser gediegenen Wohnstraße wieder gepflegt aussieht.
Über 20.000 Meldungen zu wildem Müll in Köln pro Jahr
„Littering“ nennen sie das bei den AWB, die Vermüllung des öffentlichen Raums. Es ist ein Problem, das in Köln immer größer wird. Mehr als 20.000 Meldungen zu wildem Müll gehen jährlich über die App oder die Hotline des AWB-Kundendienstes ein. „Die Leute haben einfach kein Schamgefühl mehr“, sagt Mike Gibki. Der 34-Jährige war drei Jahre Littering-Koordinator bei den AWB, inzwischen ist er zum Leiter eines Betriebshofs aufgestiegen.
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„Früher haben wir hier und da mal ein Häufchen geladen“, sagt Jablonski. Er arbeitet seit 20 Jahren für die AWB. Heute machen Happe und er den ganzen Tag nichts anderes. Und sie sind nur eines von neun Littering-Teams, die täglich im Auftrag der AWB rausgeschickt werden. In jedem der neun Kölner Stadtbezirke ist eines unterwegs.
Hotspots für wilden Müll gebe es überall in der Stadt, erzählt Gibki. In jedem Viertel, egal ob dort besser oder weniger gut situierte Menschen leben. Die Kosten für die Entsorgung belaufen sich auf rund 13,5 Millionen Euro pro Jahr. „Das bezahlt der Bürger, das bezahlen wir“, sagt Gibki. Auch deshalb steigen die Müllgebühren.
Die Müllsünder zur Rechenschaft zu ziehen, gelingt kaum. In der Karl-Korn-Straße seien sie schon öfter mal mit dem Ordnungsamt gewesen, erzählen die AWB-Mitarbeiter. Und nicht nur dort. „Ich habe denen Hunderte Fälle gemeldet“, sagt Gibki: „Aber die können nichts machen, die haben keine Chance.“
Auf Nachfrage erklärt eine Sprecherin der Stadt, dass sich die Einnahmen „im Rahmen von Ahndungen von Abfalldelikten“ jährlich auf durchschnittlich 164.000 Euro beliefen. Ein winzig kleiner Tropfen auf einen 13,5 Millionen Euro teuren heißen Stein.
Für eine Bestrafung müssen Müllsünder eindeutig identifiziert werden
Das Problem: Der Müll wird meistens bei Nacht und Nebel abgeladen. Wenn keiner hinsieht. Oder wenn keiner hinsehen will. „Es ist ja alles so anonym geworden“, sagt Jablonski. Und eine Strafe kann nur dann verhängt werden, wenn die Müllsünder „eindeutig identifiziert werden können und ihnen der Verstoß eindeutig nachgewiesen werden kann“, heißt es vonseiten der Stadt. Das ist natürlich in den seltensten Fällen möglich. Es bleibt ja niemand bei seinem illegal entsorgten Müll stehen und wartet auf das Eintreffen des Ordnungsamtes.
„Wir sollten wirklich versuchen, die Verursacher zu identifizieren und entsprechende Strafen zu verhängen“, hat AWB-Chef Thomas Thalau kürzlich im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ gesagt. Mülldetektive wie in manch anderer Stadt gibt es nicht und die Zuständigkeiten sind kompliziert. Die AWB räumen auf, können aber niemanden sanktionieren. Die Außendienstkräfte des Ordnungsamts können „für Müllsünderinnen und Müllsünder bei Littering-Tatbeständen Verwarngelder verhängen“, teilt die Stadt-Sprecherin mit. Dabei gehe es um Summen bis 55 Euro.
Für illegal entsorgten Müll sind Strafen bis 10.000 Euro möglich
Die Bußgeldstelle des Ordnungsamtes sei bei Littering-Tatbeständen aber lediglich für das Thema „Zigarettenkippen wegwerfen“ zuständig. Alle anderen Müll-Tatbestände betreue das Umweltamt, die Strafen bewegten sich je nach Menge und Art des wild entsorgten Mülls zwischen 50 und 10.000 Euro.
Mike Gibki ist seit 2013 bei den AWB. Er hat eine Ausbildung zur Fachkraft für Kreislauf- und Abfallwirtschaft gemacht, sich zum Meister fortgebildet, war bei der Müllabfuhr, dann als Fahrer bei der Straßenreinigung, schließlich Littering-Disponent und ist jetzt Betriebshofleiter. „Ich habe mich vom Tellerwäscher zwar nicht zum Millionär hochgearbeitet“, sagt er: „Aber zur Führungskraft.“
Kölns Ruf als dreckige Stadt gefällt ihm nicht. „Klar, sauberer geht immer“, sagt Gibki. „Aber wir geben jeden Tag 110 Prozent. Wir tun wirklich alles, um uns den Gegebenheiten anzupassen und immer besser zu werden.“ Er sieht die Verantwortung auch bei den Menschen, die in der Stadt leben. Von Strafen hält er nicht viel. Das sei der falsche Weg. Für Gibki ist es ganz einfach: „Die Leute sollen das nicht machen. Ich kann doch nicht einfach meinen Müll irgendwo rausstellen. Es gibt immer Möglichkeiten, den vernünftig zu entsorgen." Über einen Sperrmülltermin zum Beispiel. Oder bei einem der Wertstoffhöfe in Köln.
Als immer problematischer erweisen sich aktuell auch die „Zu-verschenken-Kisten“, die zunehmend auf die Straßen gestellt werden. Darin bieten Menschen der Nachbarschaft kostenlos Aussortiertes an. „Aber auch das ist eine illegale Müllentsorgung“, betont Gibki. Zumindest, wenn die Reste nicht wieder eingesammelt werden.
Immer häufiger finden die AWB Köln Tierkadaver im wilden Müll
Georg Happe und Olaf Jablonski sind nach einer halben Stunde in der Karl-Korn-Straße fertig. Bis Dienstschluss müssen sie einen Packen Auftragszettel abgearbeitet haben, darauf stehen die verschiedenen Stellen, für die wilder Müll gemeldet wurde. Zwischendurch bekommen sie noch Anrufe von Kollegen, die irgendwo Müllhaufen gesehen haben. Und sie fahren zu weiteren Hotspots wie in der Karl-Korn-Straße.
Vor zwei Wochen erst waren sie zusammen mit einem zweiten Trupp in Mechernich an einer Autobahnbrücke. Das sei auch so ein Hotspot, sagen sie. Fünf Tonnen Müll hätten sie dort an jenem Tag eingesammelt. Ihre ekligsten Fundstücke? „Tierkadaver!“ Das sind sich die beiden Männer einig. Woher sie trotz allem ihre gute Laune nehmen, bleibt ein Rätsel.