Die Bezirksvertretung Innenstadt befürwortet eine Erinnerungsstätte an den Genozid im Osmanischen Reich. Dennoch gibt es Kritik von Kölner Armeniern.
Völkermord an ArmeniernMahnmal in Kölner City soll kommen – trotzdem gibt es beißende Kritik an der Stadt
In Köln soll an zentraler Stelle an den Genozid des Osmanischen Reichs an den Armeniern in den Jahren 1915 und 1916 erinnert werden. Das geht aus einer Beschlussvorlage der Bezirksvertretung Innenstadt vor, über die in einer Sondersitzung der Bezirksvertretung am Donnerstag entschieden wird. Eine Zustimmung gilt als sicher.
Der Stadtrat soll beim Findungs-Prozess um eine Erinnerungsstätte für den Völkermord an den Armeniern auch die Debatte um das Reiterdenkmal mit Kaiser Wilhelm II. an der Hohenzollernbrücke einbeziehen. Kaiser Wilhelm II. paktierte im Ersten Weltkrieg mit dem Osmanischem Reich, die Deutschen schwiegen nicht nur zu den Gräueltaten gegen die Armenier, die der Deutsche Bundestag im Jahr 2016 offiziell als Genozid anerkannte – sie beteiligten sich aktiv.
Debatte um Kaiser-Wilhelm-Denkmal
In der Debatte um die Erinnerung an den Armenier-Genozid sollen auch „die genozidalen Verbrechen, die im Zusammenhang mit Kaiser Wilhelm II. stehen, berücksichtigt werden“, heißt es. Was immer das für das Armenier-Mahnmal und die Zukunft des umstrittenen Reiterdenkmals bedeuten mag.
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In den Findungsprozess um die Erinnerungsstätte soll auch ein Expertinnenrat eingebunden werden, der die Kölner Kolonialgeschichte aufarbeiten soll.
Bis Ort und Art der Erinnerungsstätte feststehen, soll die Stele „Dieser Schmerz trifft uns alle“ der Initiative „Völkermord Erinnern“ jedes Jahr an 14 Tagen im Bereich des Kaiser-Wilhelm-II.-Standbildes aufgestellt werden, heißt es in der von den Vorsitzenden der demokratischen Fraktionen in den Bezirksvertretungen unterzeichneten Vorlage.
„Dass die Bezirksvertretung die Wichtigkeit und Dringlichkeit unseres Anliegens eines Mahnmals an zentraler Stelle in Köln anerkennt, freut uns sehr“, sagt Ilias Uyar, Mitinitiator der Initiative „Völkermord erinnern“, die eine Erinnerungsstele in den vergangenen Jahren mehrfach ohne Genehmigung auf dem Heinrich-Böll-Platz aufgestellt hatte, um eine politische Debatte zu befeuern.
Dass das Anliegen, das die Armenische Gemeinde in Köln schon im Jahr 2015 und der jüdische Schriftsteller Ralph Giordano schon vor rund 20 Jahren vorgeschlagen hatte, jetzt zurückverwiesen werde auf den Stadtrat, sei „zwar der Sache angemessen, aber eigentlich auch traurig“, findet Uyar. „Wir hatten gehofft, dass der Stadt klar sei, dass ein Mahnmal an den Genozid gesamtstädtische Bedeutung hat – die sogar weit über Köln hinausreicht.“ Mit einem solchen Mahnmal mitten im Zentrum, findet Uyar, könnte sich Köln als „geschichtsbewusste und aufgeklärte Metropole profilieren“.
Bislang erinnert lediglich ein Kreuzstein auf dem armenischen Gräberfeld in Brück an den Genozid an den Armeniern. Die armenische Gemeinde Köln ist mit 5000 Mitgliedern nach eigenen Angaben die größte in Deutschland.
Nahm die Stadt Köln Rücksicht auf Erdogan-Anhänger?
Nicht nur die Initiative „Völkermord erinnern“ und die armenische Gemeinde hatten die Stadt dafür kritisiert, ein Mahnmal an exponierter Stelle immer wieder mit der Begründung abgelehnt zu haben, ein solches Bedenken berge „hohes Konfliktpotenzial“ und sei „für viele türkische Mitbürger ein sehr sensibles Thema“. Die türkische Regierung unter dem autokratischen Präsidenten Erdogan, der von der Mehrheit der wahlberechtigten Kölner Türken in den vergangenen Jahren gewählt wurde, erkennt die Gräueltaten gegen die Armenier nicht als Genozid an – der Deutsche Bundestag allerdings sehr wohl.
„Bei der Aufstellung des Denkmals sollten falsch verstandene Rücksichtnahmen auf hier lebende, türkischstämmige Menschen keine Rolle spielen“, sagt Jürgen Wilhelm, Vorsitzender der christlich-jüdischen Gesellschaft. Der Massenmord an den Armeniern sei „von Deutschen angefeuert und weitgehend von türkischen Militärs durchgeführt“ worden. „Jeder Staat und dessen Bürger müssen diese Tatsache hinnehmen, wenn schon nicht akzeptieren, erst recht in Deutschland.“ Ein Denkmal zur Erinnerung sei „die natürliche und kulturelle Konsequenz und längst überfällig“, so Wilhelm.
Auch das Schauspiel Köln, das NS-Dokumentationszentrum, die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen, das katholische Stadtdekanat und das katholische Bildungswerk, das Kulturforum TürkeiDeutschland, Schriftsteller Günter Wallraff, Kabarettist Jürgen Becker und viele weitere Organisationen und Persönlichkeiten unterstützen seit langem ein Mahnmal zur Erinnerung an den Genozid an den Armeniern.
Bis es das in Köln dauerhaft gibt, könnte es noch einige Jahre dauern. Dass die Stele der Initiative Völkermord Erinnern bis dahin für 14 Tage im Jahr rund um den Genozid-Gedenktag am 24. April aufgestellt werden soll, hält Ilias Uyar für „mehr als unwürdig. Ein Erinnern an einen Völkermord auf Zeit? Das gibt es sonst nirgendwo in Deutschland. Damit würde sich Köln zum Gespött deutscher Erinnerungskultur machen“, sagt der Jurist mit armenischer Geschichte, der seit 44 Jahren in Köln lebt. „Wo sonst gibt es Gedenkstellen für Opfer von Völkermorden, die nach 14 Tagen wieder abgebaut werden?“ Die Kritik, sagt Uyar, äußere er nicht als Aktivist, „sondern als Nachfahre von Urgroßeltern, die den Genozid im Osmanischen Reich überlebt haben“.